Die Freien Wähler ziehen mit einer vielfältigen Truppe in die anstehenden Kreistagswahlen. Foto: Bernklau Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunalwahl: Freie Wähler schicken 60 Kandidaten ins Rennen um die Kreistagsmandate / Bekenntnis zu Zwei-Stufen-Plan

Egal ob Fraktionschef oder "alter Hase" – Eines ist denjenigen besonders wichtig, die für die Freien Wähler ins Rennen um Kreistagssitze gehen: ihre Freiheit. Sprich ihre Unabhängigkeit von übergeordneten Organisationen in Land und Bund.

Kreis Calw. "Sich nur für die Sache engagieren. So macht das Spaß", sagt Esther Betz-Börries aus Nagold. Und auch Fraktionschef Volker Schuler weist auf den möglichen Einfluss von Landes- oder Bundespolitik auf Parteien im Kreis hin. "Wir Freien Wähler tun uns da etwas leichter", sagt der Bürgermeister von Ebhausen. "Wir sind immer wieder nicht einer Meinung. Und manchmal gibt es bei Problemen ja tatsächlich mehrere Antworten." Auch Bernd Walz, Arzt aus Wildberg und seit 2004 im Kreistag, schätzt die politische Arbeit ohne Vorgaben aus einer Partei.

Da wundert es nicht, dass Fraktionschef Volker Schuler bei der Präsentation der Kandidaten für die Kreistagswahl deren "breite Vielfalt" hervorhebt und die Tatsache, dass sie "aus der Mitte der Gesellschaft" kommen. Er verhehlt allerdings auch nicht, dass es in diesem Jahr nicht ganz so einfach war, Menschen zu finden, die sich für die Freien Wähler um ein Kreistagsmandat bewerben. So konnten die Freien Wähler nur 60 der möglichen 67 Kandidatenplätze besetzen. Und auch mit der Suche nach Kandidatinnen tat man sich – trotz aller Bemühungen – schwer. "Wir hätten uns tatsächlich mehr Frauen gewünscht", sagt Schuler.

Zur größeren Vielfalt gehört auch die Tatsache, dass deutlich weniger amtierende oder ehemalige Bürgermeister für die FWV ins Rennen gehen. Ulrich Bünger (Wildberg) und Clemens Götz (Althengstett) verzichteten auf eine erneute Kandidatur. Ralf Eggert, Kreisrat und amtierender OB von Calw, kehrt der Hessestadt und dem Landkreis den Rücken. Und auch Norbert Mai, das amtierende Stadtoberhaupt von Bad Herrenalb, und Bettina Mettler, ehemalige Bürgermeisterin von Schömberg, finden sich nicht mehr auf der Kandidatenliste.

"Wir bräuchten eher noch mehr Verbund"

Eine Tatsache, die man bei den Freien Wählern mit gemischten Gefühlen sieht. Auf der einen Seite sieht man schon, dass Bürgermeister durchaus zu den Stimmen-Bringern zählen, andererseits sagt selbst Bürgermeister Volker Schuler, dass zu viele Bürgermeister in einer Fraktion den Blick auf Themen durchaus verengen können. Zu den prominenten Rückzügen aus der Fraktion hat Schuler derweil einen vielsagenden Kommentar auf Lager: "Du kannst nur Tore schießen, wenn du auch auf dem Feld stehst."

Inhaltlich bekennen sich die Freien Wähler klar zum gefundenen Medizinkonzept für die Krankenhäuser im Kreis Calw – auch wenn Medizin-Experte Bernd Walz weiß, dass ein einziges Krankenhaus die wirtschaftlich sinnvollere Lösung gewesen wäre. Allerdings wäre dann die Erreichbarkeit für alle Bürger des Kreises nicht mehr gegeben gewesen, so Walz, der in Sachen Wirtschaftlichkeit der Kliniken Land und Bund scharf kritisiert und ihnen vorwirft, sich in dieser Sache aus der Verantwortung zu stehlen. Für die Calwer Kandidaten ist die – vor allem in der Hesse-Stadt selbst – hitzige Krankenhaus-Debatte beendet. "Das jetzt geplante Krankenhaus wird in Calw als vollwertiges Krankenhaus akzeptiert und angenommen", sagt etwa Dieter Kömpf, Kreisrat und OB-Stellvertreter in Calw. Und auch Eberhard Bantel, Mitglied der Krankenhaus-Bürgerinitiative, hält fest, dass sich in dieser Sache ein Wandel vollzogen habe. "Den Bürgern wurden die Zukunftsängste genommen."

Für Karlheinz Kistner, Bürgermeister von Oberreichenbach, ist der gefundene Kompromiss ein Zeichen dafür, dass man im Kreis zusammenstehe. Selbst Kreisräte aus Kommunen, die nicht ganz so viel von den Kliniken profitieren und in der Hinsicht eher in andere Kreise tendieren, hätten für die Lösung gestimmt.

Am Klinikverbund Südwest gibt es aus den Reihen der Freien Wähler keine Kritik. "Wir bräuchten eher noch mehr Verbund", sagt Bernd Walz, der einen Ärzte- und Schwesternpool innerhalb des Verbundes anregt. "Das wäre eine Chance gerade für die kleineren Kliniken im Verbund."

Bei der Hesse-Bahn bekennt man sich klar zum beschlossenen Zwei-Stufen-Plan (erst Hesse-Bahn, dann möglicherweise S-Bahn). Die Bestrebungen in der Region Stuttgart, sofort eine S-Bahn-Lösung anzustreben, sieht Volker Schuler eher kritisch, spricht von einem möglichen "Verhinderungs-Zug der Stuttgarter". Eine S-Bahn für Calw sei frühestens in acht bis zehn Jahren realistisch. In Althengstett, einer der geplanten Haltestellen der Hessebahn, freue man sich jedenfalls auf die Züge, sagt Rüdiger Klahm aus Althengstett. "Bei uns warten alle auf die Bahn." Im Fall einer Anbindung an Stuttgart für die Stadt Nagold setze man auf ein Angebot auf dem bestehenden Bahnnetz, macht derweil der Nagolder Kreisrat Bruno Schmid klar.

Karlheinz Kistner, Schultes von Oberreichenbach, lenkt den Blick auf das, was man in Sachen ÖPNV schon erreicht habe: den Stundentakt im Busverkehr ab 2020. "So etwas ist für einen Flächenkreis wie Calw einfach zwingend."

Doch wie finanziert man all die großen Zukunftsprojekte? Da macht sich Volker Schuler keine Illusionen. Man werde nicht alles über Kredite finanzieren können. "Wir werden auch Gelder über die Kreisumlage bringen müssen", so der Fraktionschef im Kreistag, der für die Zukunft eine Mischfinanzierung aus Eigen- und Fremdkapital sieht.