Soldaten des Kommandoes Spezialkräfte (KSK) bei einer Übung. Foto: Archiv: Fritsch

Abschiedsfeier von Eliteeinheit läuft völlig aus dem Ruder. Verfassungsfeindliche Handlungen nicht bestätigt.

Calw - Ausgerechnet die Eliteeinheit der Truppe: Nach ARD-Recherchen ist eine Abschiedsparty von Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) für einen Kompaniechef völlig aus dem Ruder gelaufen. Neben bizarren Wettbewerben, wie Schweinskopf-Weitwurf, sollen die Soldaten rechtsradikale Lieder gegrölt und mehrfach den Hitlergruß gezeigt haben. Zugetragen haben soll sich das alles am 27. April auf der Standortschießanlage Bernet – gelegen im Wald bei Stuttgart-Vaihingen auf Sindelfinger Gemarkung.

Laut ARD musste ein Offizier etwa einen mehr als fragwürdigen Parcours unter dem Motto "römisch-mittelalterliche Spiele" absolvieren – mit Bogenschießen, dem Spalten von Melonen per Schwert sowie dem Werfen von Schweinsköpfen. Das bestätigt auch die Bundeswehr. "Bei der Feier wurden die Grenzen des guten Geschmacks eindeutig überschritten", sagte ein Sprecher der Heeres unserer Zeitung.

Danach soll dem Offizier als Hauptpreis eine Frau zum Sex im Zelt angeboten worden sein. Offenbar die Freundin eines Soldaten. Laut dieser soll bei der anschließenden Feier Rechtsrock gespielt und der Hitlergruß gezeigt worden sein. Der Refrain von rechtsradikalen Liedern sei "euphorisch mitgegrölt" worden, sagte die Augenzeugin gegenüber der ARD.

Das Zeigen des Hitlergrußes ist eine Straftat nach Strafgesetzbuch Paragraf 86a, weshalb nun die Staatsanwaltschaft wegen eines Anfangsverdachts ermittelt. Am Donnerstag musste sich die Tübinger Behörde, die für Calw zuständig ist, mit der Stuttgarter Staatsanwaltschaft aber noch abstimmen, wer den Fall übernimmt.

Verwaltet wird die Anlage vom Standortältesten der KSK-Kaserne in Calw. Die dort ansässige KSK-Presseoffizierin verweist auf Nachfrage an das Kommando des Heeres in Strausberg. Dort sagt ein Sprecher des Heeres, dass das Kommando am 13. Juli von den Vorwürfen Kenntnis erlangt hätte. Die Wehrdisziplinaranwälte hätten sofort Ermittlungen aufgenommen. "Die Bundeswehr ermittelt unter Hochdruck. Es wurden bislang Dutzende Vernehmungen geführt", bestätigte der Sprecher unserer Zeitung. Dabei ginge es vor allem um die Frage, ob bei der Feier dienstrechtliches und strafrechtliches Fehlverhalten nachgewiesen werden kann. "Bislang haben wir aber keinerlei Hinweise auf ein solches Fehlverhalten."

Bestätigen konnte der Heeressprecher dagegen, dass bei der KSK-Feier wohl eine "Escort-Dame" anwesend war. Zu sexuellen Handlungen sei es aber nicht gekommen. Die Ermittlungen dauerten aber noch weiter an.

In jedem Fall dürfte sich bald auch die Politik damit beschäftigen, wenngleich die Fachpolitiker bisher nicht vom Ministerium informiert wurden, wie SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold gegenüber unserer Zeitung moniert. "Die Ministerin gibt Informationen immer nur nach taktischen Erwägungen heraus –- wie es hier gerade passt." Den normalen Weg, "dass man uns ohne Aufregung und weichzuzeichnen Vorgänge schildert, gibt es offenbar nicht", ergänzt er. "So auch in diesem Fall nicht."

Die Rechtsradikalismus-Vorwürfe bezeichnet er als gravierend, wenn sie denn zuträfen. "Beim KSK muss man besonders sensibel und kritisch sein", sagt er. "In so einer verschworenen Gemeinschaft, die das KSK ja sein muss, ist eine Verselbstständigung und Strahlkraft von rechtem Denken latent". Deshalb habe der Verteidigungsausschuss dem KSK immer eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Seinen Beobachtungen zufolge sind sich die aktuellen Kommandeure der Problematik bewusst. "Die haben die Dinge stets aufmerksam bearbeitet."

Neuer Kommandeur weilt derzeit im Urlaub

Das KSK ist bisher erst einmal in Zusammenhang mit rechtem Gedankengut aufgefallen: Im November 2003 hatte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) den damaligen Kommandeur, Brigadegeneral Reinhard Günzel, deswegen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.

Die Parcours würden oft zur allgemeinen Erheiterung gestaltet, wenn ein beliebter Kommandeur verabschiedet werde, schildert Arnold – daran sei nichts Schlimmes, wenn es witzig gemacht sei. Das Schweinskopfwerfen sei "im Trend beim Heer". Dieses müsse man nicht gut finden, meint der Sozialdemokrat. Für eine Eliteeinheit gezieme es sich aber nicht – und erst recht nicht für einen Vorgesetzten, der bei seiner Verabschiedung noch in Führungsverantwortung sei.

Der neue KSK-Kommandeur Alexander Sollfrank war indes nicht zu sprechen: Der Brigadegeneral hatte am 1. Juni Dag Baehr an der Spitze des rund 1000 Mann starken Verbandes mit Standort in Calw abgelöst und weilt den Angaben zufolge im Urlaub. Sollfrank hatte zuvor seit Januar 2015 die Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall geführt. Insofern ist er sozusagen vom Regen in die Traufe gelangt: Mehrere Reichenhaller Gebirgsjäger waren im März in Verruf geraten. Die Bundeswehr ermittelt nach Vorwürfen sexueller Belästigung und Volksverhetzung Fälle zwischen November 2015 und September 2016.