Vor dem Herman-Hesse-Museum in Calw.Foto: Rousek Foto: Schwarzwälder Bote

Millionen-Zuschuss würdigt Nobelpreisträger und Museum. Auch Friedrichshafen freut sich.

Calw - Vereinzelt gehen Passanten über den Oberen Marktplatz in Calw, eingemummelt in dicke Winterjacken. Doch keiner von ihnen findet den Weg ins Hermann-Hesse-Museum. Seit Anfang des Monats ist es wegen des Lockdowns geschlossen. Doch hinter den dunklen Fenstern des Gebäudes tut sich etwas.

Der Bundestag hat am Donnerstag beschlossen den Kulturhaushalt auf die Rekordsumme von 2,1 Milliarden aufzustocken – davon profitieren auch das Hermann-Hesse-Museum mit rund 1,5 Millionen Euro sowie die "Landshut" mit 15 Millionen Euro, die nun endlich ihr Museum bekommt.

Schon seit Jahren sind die Verantwortlichen dabei, Hesses Dauerausstellung neu zu konzipieren. Im selben Zuge kam die Sanierung des historischen Gebäudes "Haus Schüz" aufs Tableau, in dem sich das Museum befindet. Rund 2,85 Millionen Euro sollen demzufolge in das denkmalgeschützte "Haus Schüz" investiert werden – für einen barrierefreien Zugang, die Sanierung der Fassade, des Dachs und der Innenräume. Zusätzliche 500 000 Euro sollen in die Neukonzeption der Ausstellung fließen.

Trotz dieser Summen votierte der Calwer Gemeinderat im Mai einstimmig dafür, dieses Mammut-Projekt anzugehen. Und wird dafür nun doppelt belohnt. Innerhalb einer Woche durfte Oberbürgermeister Florian Kling das Gremium über zwei Förderbescheide unterrichten. 250 000 Euro erhält die Stadt für die Neukonzeption der Ausstellung von der Wüstenrot Stiftung. Eine noch frohere Botschaft überbrachten allerdings die Bundestagsabgeordneten für den Wahlkreis Calw/Freudenstadt Hans-Joachim Fuchtel (CDU) und Saskia Esken (SPD) per Videokonferenz. Mit Hilfe des Bundes wird nun eine Kofinanzierung in Höhe von 50 Prozent angestrebt.

Junge Leser soll die Ausstellung in ihren Bann ziehen

Seit 30 Jahren beherbergt das Hermann-Hesse-Museum die umfassendste Darstellung von Leben und Wirken des in Calw geborenen Literaturnobelpreisträgers. Mit der Gebäudesanierung und Neuausrichtung der Ausstellung soll auch weiterhin die Kultur den Schwerpunkt der Stadt im Nordschwarzwald ausmachen – trotz Corona. Vor allem die Beliebtheit Hesses bei jungen Lesern soll dabei genutzt werden, um gezielt die Jugend anzusprechen und Interesse für Sprache zu wecken.

Das markante Aushängeschild Calws liegt in Sichtweite des Geburtshauses Hermann Hesses inmitten der Schwarzwaldstadt und zählt zu den prachtvollsten Gebäuden der Innenstadt. Es ist eines der bedeutsamsten kulturellen Standortfaktoren der Region Nordschwarzwald, der Touristen und Besucher aus aller Welt anzieht: Diese folgen den Spuren Hesses als dem meistgelesenen deutschsprachigen Autor des 20. Jahrhunderts. Jährlich besuchen circa 600 000 Gäste die Stadt.

SPD-Chefin Esken hat sich für die Bundesförderung nicht nur als Bewohnerin der Stadt Calw starkgemacht. Sie zeigt sich insbesondere überzeugt von der neuen Konzeption der Ausstellung, die nun viel stärker auch den Werdegang des Literaten und die Entwicklung grundlegender Haltungen aufgreift: "Im Zentrum des Werkes von Hesse standen bereits früher aktuelle Themen wie Umweltschutz, interreligiöser Dialog und politische Entwicklungen". Damit biete Hesse auch heute zentrale Anknüpfungspunkte für die Diskussion und Kommunikation über lokale und globale Herausforderungen – politisch wie gesellschaftlich.

Derweil geht eine quälende Hängepartie in Friedrichshafen zu Ende. 15 Millionen Euro bewilligt der Bundestag für den Gedenkort der "Landshut".

Brandbrief der Überlebenden stößt das Projekt an

Nach einer "emotionalen Debatte", so beschrieb es der Biberacher SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster, votierte eine Mehrheit im Haushaltsausschuss für ein Museum rund um die ehemalige Lufthansamaschine in Friedrichshafen. Den Ausschlag gab laut Gerster, der stellvertretender Ausschussvorsitzender ist, ein Brandbrief von Überlebenden der Entführung von 1977 an die Bundesregierung mit dem Aufruf, sich endlich für den Erinnerungsort Landshut einzusetzen.

Laut Beschluss soll die Hälfte des Zuschusses für die Restaurierung des Flugzeugs, zum Bau eines Hangars und für ein pädagogisches Konzept aufgewendet werden. Die weiteren 7,5 Millionen Euro dienen als Betriebskostenzuschuss für die Erinnerungsstätte. Für den Biberacher Abgeordneten ein großer Moment: "Die Befreiung der Landshut ist bis heute Symbol unserer wehrhaften Demokratie und einer freien Gesellschaft, die sich von Terror nicht unterkriegen lässt."

Mit dem Beschluss geht eine quälend lange Zeit der Unsicherheit zu Ende. Im September 2017, kurz vor der damaligen Bundestagswahl, ist die Maschine auf Betreiben des Friedrichshafener Flugzeugerben David Dornier und Sigmar Gabriels, der zu dieser Zeit SPD-Außenminister war, von einem Flugzeugfriedhof im brasilianischen Fortaleza nach Friedrichshafen geholt worden. Die Dornier-Familie stellt Privatgrund neben ihrem Technikmuseum zur Verfügung, Bund und Stadt finanzieren die neue Ausstellung, so die ursprüngliche Idee. Abgestimmt war sie nicht. Von Anfang an stellte sich der Gemeinderat der Stadt Friedrichshafen quer. Die Geschichte der RAF, so die Begründung, sei mit der Historie der Stadt nicht verbunden. Die Folge: Der rostige Flugzeugtorso blieb mit abgeschraubten Tragflächen in einer Halle geparkt.