Baubeginn ist noch in diesem Jahr realistisch. Landrat Riegger: "Lasse mir Projekt nicht mit scheinheiligen Angeboten kaputt machen."
Calw-Stammheim - Die Calwer sollen sich noch stärker hinter das Projekt Hermann-Hesse-Bahn (HHB) stellen. Das wünscht sich Helmut Riegger. Der Landrat und der Projektverantwortliche Michael Stierle wurden am Freitagabend in der Stammheimer Gemeindehalle nicht müde, die Bedeutung des Infrastrukturvorhabens für den gesamten Kreis und die weiteren Verfahrensschritte zu erläutern, ebenso Calws Oberbürgermeister Ralf Eggert. Genauso unermüdlich wurden von Zuhörern Bedenken zum Projekt, aber auch zu erwartende Vorteile vorgetragen.
Laut Riegger ist der Spatenstich für die HHB noch dieses Jahr realistisch, eine Inbetriebnahme eher 2018 als 2019. Zum jüngsten Vorstoß des Regionalverbands Stuttgart für eine Durchbindung der S6 bis nach Calw (wir berichteten) sagte der Landrat: "Ich lasse mir das Projekt nicht mit scheinheiligen Angeboten kaputt machen". Vor rund vier Jahren hatte Riegger genau diesen Vorschlag für eine regionale S-Bahn gemacht, was damals vehement abgelehnt worden sei. Gegen das Vorhaben sprechen der Zeit- und Kostenrahmen. Fraglich ist zum Beispiel, ob der Landeszuschuss von 25 Millionen Euro für die Hesse-Bahn auch für die S 6-Verlängerung verwendet werden darf. Außerdem muss das Schienenprojekt bis 2019 abgerechnet sein.
Dass die HHB nicht nur ein Politikum für den Kreistag ist, zeigte sich auch in Stammheim, wo nach der Präsentation von zahlreichen Daten und Fakten unter anderem zum Stresstest sowie der Standardisierten Bewertung durch Stierle fleißig mitdiskutiert wurde. Während bei den vorangegangenen Infoabenden des Landkreises in Althengstett und Ostelsheim eher Fragen zur Finanzierung des Schienenprojekts im Mittelpunkt standen, ging es am Freitag vor allem um Bedenken der direkten Anwohner und den Artenschutz.
Ulrich Wicke, Sprecher der Interessengemeinschaft Hessebahn-pro-Lärmschutz, forderte eine Zusage für Schallschutzmaßnahmen für die Anwohner auch in Calw und nicht nur in Ostelsheim: "Wir haben dieselben Bedürfnisse, bezahlen für Ostelsheim mit, stehen aber mit leeren Händen da. Das kann nicht sein". Für den gesamten Verlauf der geplanten Hermann-Hesse- Bahn wurde eine schalltechnische Untersuchung angefertigt. Weil die Strecke nie offiziell stillgelegt worden ist, gibt es kein Planfeststellungsverfahren und damit keine Anhörung der Anwohner. Anders ist es in Ostelsheim, wo ein zweites Gleis und ein Tunnel gebaut werden und damit Neubaumaßnahmen durchgeführt werden – eine mehr als unbefriedigende Ausgangslage für Wicke und weitere Anwohner, die zum Infoabend gekommen waren.
Stierle betonte ausdrücklich, dass in Ostelsheim noch keine Schutzmaßnahmen zugesagt seien, sondern nur die Nichtanwendung des Schienenbonus. Dieser wiederum spielt, wie mehrfach berichtet, im Calwer Stadtgebiet keine Rolle, denn die Messungen, ob mit oder ohne Bonus, sind nicht von Bedeutung. Das wäre nur der Fall, wenn es ein Planfeststellungs- oder genehmigungsverfahren gäbe.
Barbara Fischer äußerte ihre Sorgen in Bezug auf die Fledermauspopulationen in den Bahntunneln. Ebenso wie in Althengstett wurde in Stammheim darauf hingewiesen, dass derzeit intensiv nach Ausweichquartieren gesucht werde und die Verhandlungen mit Grundstückseigentümern sehr vielversprechend seien.
Warum die Ergebnisse der Standardisierten Bewertung bislang nicht offengelegt worden seien, wollte Hans Necker wissen. Stierle erwiderte, dies könne erst nach abgeschlossener Prüfung durch das Verkehrsministerium erfolgen. Diese werde wohl noch bis März dauern.
Heinrich Hartwig erkundigte sich unter anderem nach den Kosten für den Neubau der rund 40 Meter langen und sieben Meter breiten Eisenbahnüberführung in Heumaden. Durch die Verlegung der B 295 im Jahr 2004 war der Damm der Württembergischen Schwarzwaldbahn abgebrochen worden. Für das Bauwerk werde bei einer 30- bis 50-prozentigen Förderung ein Betrag von rund 300 000 Euro auf die Stadt Calw zukommen, sagte Eggert.
Sowohl Riegger als auch Eggert hielten erneut ein flammendes Plädoyer für die Hesse-Bahn, die Calw und den gesamten Kreis wirtschaftlich, touristisch und im Hinblick auf die demografische Entwicklung voranbringen werde. Zukunftsweisende Entscheidungen würden Geld kosten. "Die einstigen Erbauer der Schwarzwaldbahn hatten mehr Mut als wir und das unter wesentlich schwierigeren Bedingungen", äußerte sich Eggert.
Ein Zuhörer aus der Calwer Innenstadt, der in Weil der Stadt wohnte, als der dortige S-Bahn-Anschluss in Betrieb ging, sprach Eggert und Riegger aus der Seele: "Ich verstehe das ganze Theater um den Lärm nicht. Weil der Stadt hat damals einen wahnsinnigen Aufschwung genommen". Davon abgesehen werde auch nicht nach dem Lärmschutz für die Anwohner der Calwer Durchgangsstraßen gefragt.
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