Glanz der Ritterzeit in diesem Jahr vom Wetter verwöhnt. Zauberhafte Atmosphäre in der Klosterruine Hirsau.
Calw-Hirsau - Ab und an muss man auch mal Glück haben – zum Beispiel mit dem Wetter: Am Freitag und Samstag war der "Glanz der Ritterzeit" in der Hirsauer Klosterruine von Sonne und Wärme verwöhnt. Vor zwei Jahren hatte es noch "Katzen gehagelt".
Dabei hat’s auch diesmal rund herum gewittert und geregnet, und auch die Anreise am Donnerstag war für die Mittelaltergruppen aus dem gesamten Südwesten eine eher nasse Angelegenheit. Aber zur Markteröffnung am Freitagabend und den ganzen Samstag über – bestes Sommerwetter. Und noch bessere, eine geradezu zauberhafte Stimmung im weiten Areal der historischen Gemäuer.
Sehr mysteriös
Die perfekte Zeitreise in die dunklen Jahrhunderte – das Mittelalter. Noch nie war der "Glanz der Ritterzeit" – zum zehnten Mal veranstaltet von der Arge Hirsauer Vereine, in diesem Jahr wieder in Zusammenarbeit mit der Eventagentur "Fabula Corvinus" aus Haiterbach – so groß, so prächtig, so vielfältig, so mysteriös und geheimnisvoll. Aber auch so lecker – angesichts der vielen tollen kulinarischen Angebote von "Schandflecken" bis "Lustrollen" und "Ritterspießen". Und so spannend – wie bei den eigentlichen Ritterspielen der Gruppe Brachmanoth auf dem Turnierplatz.
Und unfassbar romantisch – zum Beispiel, wenn die (italienische) Sängerin Ida Elena DeRazza vom Duo "Fairy Dreams" auf der Hauptbühne oder im Klosterkeller (dem einzig kühlen Ort an diesem Wochenende im Kloster Hirsau) ihre herrlichen irischen Volksweisen erklingen ließ. Engelsgleich ihr Gesang. Wie auch der von Kollegin Lilian Dingler, die zur Musik des Barden Gotthard ihren Gesang wie Feenstaub über ihr Publikum ausgoss. "Einfach unglaublich, was hier passiert", raunt die Dame neben einem ihrer Begleitung voll Anerkennung zu. Und das stimmt. Hier ist eine ganz eigenartige, unfassbare Magie am Wirken.
Total verwandelt
Das merkt auch Carmen, die mit Freundin mittelalterliche Gewände am Stand gegenüber dem alten Pfarrhaus probiert. Feuerrot Carmens herrlich kupferne Locken; lindgrün das weite Leinenkleid, das sie gerade probiert – und das wie ein Zauber sie total verwandelt. Die Freundin und Passanten staunen mit Carmen. Bewundern das wunderbare Bild.
Ein paar Meter weiter noch so ein schrecklich romantisches Kleid – Deborahs Hochzeitskleid. Deborah heiratet heute ihren Tobias, beide kommen aus Simmozheim hierher – "eigentlich nur für ein besonders romantisches Fotomotiv". Aber das tolle Wetter, die tolle Stimmung. "Es ist der perfekte Tag". Oh ja. Nicht nur, wenn hier geheiratet wird.
Zwei Ecken weiter spielt "Der Mountain Dulcimer". Martin Oesterle mit seiner amerikanischen Variante einer Bordunzither. Das klingt so unfassbar nach Mittelalter; zumindest wie man sich das vorstellt. Dazu riecht man die Holzfeuer der vielen Heerlager, aber auch jenes des (orientalischen) Kaffeerösters. Apropos Gerüche: "Pill & Pankratz", die Possenreißer an diesen Markttagen, sehen in ihren Herolds-Outfit aus, als würden sie schon seit Jahrhunderten hier durchs Kloster ziehen. "Und wir riechen bestimmt auch so", pflichten sie halb ernsthaft, halb schelmisch bei. Wobei sie gerade überhaupt gar keine Zeit haben: Der große Umzug beginnt gleich, die eigentliche, offizielle Markteröffnung mit allen Beschickern und Musikgruppen vor der großen Hauptbühne.
Der große Auftritt vom echten Herold Brandolf Treuherz – "der gestern noch aussah, als würde er sich am liebsten aus dem Staub machen wollen", wie "Marktvogt" Markus Katz von "Fabula Corvinus" lachend erzählt. Denn es ist der allererste Auftritt dieser Art vom Zeremonienmeister Brandolf. Der zwar bekannt dafür ist, dass er immer viel und schnell redet – aber auch feierlich, offiziell und getragen? Brandolf Treuherz wird seine Sache supertoll machen. Voll Witz und Schlagfertigkeit präsentiert er den Besuchern im weiten Rund die einzelnen Gruppen und ihr besonderes Können und Vermögen. Macht Appetit auf das Werk von Bäcker und Köchen und neugierig auf das Geschick der vielen, unglaublich vielen Handwerker der "vergessenen, und manchmal zurecht verkommenen Künste".
Herrlich erfrischend
Und als besondere Pointe lässt Brandolf schließlich den nichts ahnenden Gerhard Weber von der Arge der Hirsauer Vereine antreten, das prächtig-kühle Fass der Hochdorfer Brauerei anzuschlagen – als formales Zeichen der Markteröffnung. Drei, vier Schläge – und einen Schwall schäumenden Bieres für den sich unter das Fass verwerfenden Bettler ("Papa Schlumpf" mit Namen, aber das ist eine andere, aber auch wunderschöne Geschichte – und das Werk ist vollbracht. Zeit für Vogt und Herold, kurz innezuhalten. Den Gerstensaft zu genießen. Übers wilde und fröhliche Treiben zu schauen. "Das ist einfach ein Traum", sagt Katz ganz in Gedanken. Und auch er hat recht.