Unterzeichneten das Papier (von links): Wolfgang Faißt (Bürgermeister Renningen), Helmut Riegger (Landrat Calw), Verkehrsminister Winfried Hermann, Roland Bernhard (Landrat Böblingen) und Stuttgarts Regionaldirektorin Nicola Schelling. Foto: Härtel

Unterzeichnung von Eckpunktepapier besiegelt den Durchbruch. Für Hermann-Hesse-Bahn noch mehr herausgeholt.

Kreis Calw/Stuttgart - Der Bahnverkehr zwischen Calw und Weil der Stadt kann künftig wieder fließen. Der Weg für Hesse-Bahn und die S-Bahn-Verlängerung über die Grenze der Region Stuttgart hinaus bis Calw ist nun frei.

Das verkündete am Montag in Stuttgart Verkehrsminister Winfried Hermann gemeinsam mit Nicola Schelling, Regionaldirektorin des Verbands Region Stuttgart, Helmut Riegger, Landrat für den Landkreis Calw, Roland Bernhard, Landrat für den Landkreis Böblingen und dem Bürgermeister der Stadt Renningen, Wolfgang Faißt. Die Beteiligten unterschrieben feierlich das vom Verkehrsministerium initiierte Eckpunktepapier zur Reaktivierung des Schienenverkehrs.

Bedenken und Grenzen überwunden

Verkehrsminister Winfried Hermann erklärte: "Mit der Unterschrift zeigen wir, dass es mit gutem Willen möglich ist, Bedenken und Grenzen zu überwinden. Es wäre den Bürgern auch schwer zu vermitteln, dass eine administrative Grenze den verkehrlichen Fortschritt aufhält und die Verbandsgrenze für Züge schwerer zu überwinden ist als eine Landesgrenze. Die gefundene Lösung ist gut für Calw und die gesamte Metropolregion."

Im Eckpunktepapier legen die Unterzeichner fest, dass die beteiligten Partner am Stufenkonzept vom 19. Juni 2015 festhalten und die Reaktivierung der Württembergischen Schwarzwaldbahn ohne Elektrifizierung so schnell wie möglich umgesetzt werden soll. In der Frage emissionsfreier Antriebe werden zügig Gespräche zwischen dem Verkehrsministerium und dem Zweckverband aufgenommen, versicherte Minister Hermann. In Stufe zwei der Reaktivierung erfolgt die Einbindung der Strecke in das S-Bahn-Netz. Aktuell werden erfolgsversprechende Konzepte für eine Verlängerung der S 6 und die Einbindung in die Express-S-Bahn ausgearbeitet und eine Entscheidung vorangetrieben.

Die Regionaldirektorin des Verbands Region Stuttgart, Nicola Schelling, erklärte: "Wir freuen uns, das Erfolgsmodell S-Bahn Stuttgart über die Regionsgrenzen zu tragen." Die Regionalversammlung stehe voll und ganz hinter dem Projekt. "Mit der Verlängerung der S-Bahn gelingt uns für die Menschen im Landkreis Calw eine umweltfreundliche und umsteigefreie Verbindung in die Region Stuttgart, verbunden mit den Vorzügen der S-Bahn. Für die Menschen in der Region Stuttgart entsteht im Gegenzug eine komfortable Anbindung in den attraktiven Nordschwarzwald", so Schelling.

"Mit der heutigen Unterzeichnung des Eckpunktepapiers ist klar: Gemeinsam wollen wir die Hesse-Bahn umsetzen, die Express-S-Bahn einführen und perspektivisch Calw direkt und umsteigefrei ins S-Bahn-Netz der Region Stuttgart einbinden" freute sich der Landrat des Landkreises Calw, Helmut Riegger. "Damit wird der letzte Kreissitz in der Metropolregion direkt mit dem Schienennetz an die Landeshauptstadt angeschlossen sein."

Auch Roland Bernhard, Landrat des Landkreises Böblingen, freute sich: "Der Durchbruch ist geschafft. Die Einigung macht die Hermann-Hesse-Bahn möglich und erlaubt die Verlängerung der S-Bahn. Wir bekommen damit mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene. Das ist gut für die Pendler, für die Umwelt und für das Klima. Wichtig ist, dass jetzige und künftige S-Bahnen nicht gefährdet werden und die Situation in den Städten befriedet ist."

Der Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt, lange Zeit Kritiker der neuen Bahnverbindung, sagte: "Die Stadt Renningen begrüßt die nun gefundene Einigung aller Beteiligten." Damit werde sichergestellt, dass weder die S 6, noch die geplante Express-S-Bahn (S 62) in ihrem Takt durch die Hermann-Hesse-Bahn gestört wird. Außerdem werde damit ein wichtiger Schritt zur Realisierung der S-Bahn-Verlängerung bis Calw als bester Variante der Bahnverbindung vom Landkreis Calw in die Region Stuttgart getan.

Der Durchbruch gelang, weil sich alle Beteiligten zu Kompromissen bereit erklärt haben. Die Stadt Renningen zieht ihre Klage gegen die Reaktivierung zurück. Im Gegenzug wird in der ersten Betriebsstufe der in Betrieb gehenden Express-S-Bahn zwischen Stuttgart-Feuerbach und Weil der Stadt auf dem gemeinsamen Streckenabschnitt zwischen Renningen und Weil der Stadt Vorrang eingeräumt.

Des Weiteren wird Baden-Württemberg die Betriebskosten der Betriebsleistungen für die S-Bahn zwischen Weil der Stadt und Calw im Umfang des üblichen Landesstandards übernehmen. Zudem setzt sich das Land dafür ein, dass die Ausbaustufen mit Finanzmitteln aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (Bundes-GVFG) gefördert werden. Diese Möglichkeit ergibt sich aufgrund der neuen Gesetzgebung des Bundes. Für alle Projektpartner bedeutet dies eine geringere finanzielle Belastung bei der Infrastrukturfinanzierung, da die Fördertatbestände Reaktivierung und Elektrifizierung in das Förderprogramm aufgenommen und mit bis zu 90 Prozent förderfähig sind.

"Diese Möglichkeit lassen wir nicht ungenutzt", bekräftigte Minister Hermann "Wir werden die fachlichen Detailfragen zu Betrieb und Infrastrukturfinanzierung in den nächsten Wochen konstruktiv fortführen", kündigte der Minister an. "Jetzt ist die Zeit, die Gespräche mit dem Bundesverkehrsministerium zum neuen Bundes-GVFG aufzunehmen."

Langwieriger Prozess sogar ein Vorteil?

Mit Blick auf die vorangegangenen Diskussionen sagte Hermann abschließend: "Ich freue mich, dass uns der Durchbruch bei der Hermann-Hesse-Bahn schließlich gelungen ist. Wir haben lange zu wichtigen Fragen des Naturschutzes gerungen. Das novellierte Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gibt uns die Möglichkeit, für die Hermann-Hesse-Bahn noch mehr herauszuholen und mit der Verlängerung der Express-S-Bahn eine noch bessere verkehrliche Anbindung an die Region Stuttgart zu bekommen. So gesehen hat der langwierige Prozess dem Bahnprojekt unerwartet sogar noch einen Vorteil gebracht."