Krach im Calwer Rathaus: Tut die Stadt zu wenig für die Umwelt? Foto: Fritsch

Hans Necker (Neue Liste Calw) sieht mangelhaftes Engagement. Oberbürgermeister und ENCW nehmen Stellung.

Calw - Tut die Stadt Calw zu wenig für die Umwelt? Diesen Vorwurf zumindest äußerte Gemeinderat Hans Necker (Neue Liste Calw) in der jüngsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses. Oberbürgermeister Ralf Eggert hält entschieden dagegen.

Etwa 200.000 Euro musste die Stadt Calw in diesem Jahr bereits für die Beseitigung der durch Starkregen verursachten Schäden ausgeben. Und auch die Dürre wird Folgen haben. Als Ursache hierfür wird häufig der Klimawandel genannt. Und gegen diesen engagiere sich die Stadt Calw zu wenig, kritisiert Necker in einem Schreiben, das dem Schwarzwälder Boten vorliegt.

Vorwurf: Baugebiete

"Wir erschließen Jahr für Jahr ein Baugebiet nach dem anderen, ohne zu überlegen wie wir den enormen Flächenverbrauch verringern können" , ärgert sich der Gemeindrat, der der Fraktion Neue Liste Calw (NLC) angehört. OB Eggert jedoch sieht dies als absolut notwendig an: "Der Bedarf ist da und der Wohnraum ist knapp", erklärt er. "Wenn man etwas dagegen tun möchte, muss man eben bauen." Und dies sei in der Regel nur auf Grünflächen möglich. Eggert ist der Meinung, dass Wohnen ein Grundrecht sei – ebenso wie Essen, Trinken und Bildung. "Wenn man das den Menschen verwehrt, würde man sie gesellschaftlich ausschließen", betont Eggert. "Und das kann nicht das Ziel sein."

Würde man auf Neubaugebiete verzichten wollen, müsste man zurück zu jenen Wohnformen, die es früher gegeben habe. Also: Mehrere Generationen leben jahrelang auf engem Raum zusammen und Kinder haben nicht mehr ihr eigenes Zimmer. "Man müsste dann innerhalb der Gebäude verdichten und das entspricht nicht unserem Lebensstil", erklärt der OB.

Zudem sei Calw durchaus moderat, was Neubauflächen anbelangt. Und: Die einzelnen Bauplätze sind viel kleiner als früher. So misst einer heutzutage im Durchschnitt rund 400 Quadratmeter, während früher ein Grundstück von 900 Quadratmetern keine Seltenheit war. Oft versuche man, vermehrt in die Höhe zu bauen. Aber das rufe wiederum Kritiker der Optik wegen auf den Plan, sagt Eggert. "Dann wird ein Stockwerk gestrichen und man hat den Platz nicht ausgenutzt." Ein Dilemma.

Vorwurf: Energie

"Wir haben einen Energieversorger, der nur mit Energie handelt, ohne in den vergangenen Jahren in die Erzeugung erneuerbarer Energien zu investieren, so wie es andere Unternehmen und Stadtwerke uns vormachen", steht in dem Schreiben von Necker. Der Energieversorger, die Energie Calw GmbH (ENCW) möchte diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Die ENCW nehme sich durchaus der Verantwortung an, einen aktiven Part bei der Energiewende zu übernehmen, betont Ricarda Becker, Referentin der Geschäftsleitung für Sonderprojekte sowie Managerin der Geschäftsentwicklung Elektromobilität. "Dabei konzentrieren wir uns nicht nur auf eine Sparte, sondern versuchen, den Mix aus regenerativen Energien zu forcieren."

Soll heißen: Die ENCW konzentriert sich nicht ausschließlich auf die Stromerzeugung, denn das sei in dem Ausmaß nicht wirtschaftlich,so Eggert, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender ENCW ist. Sie investiere vor allem in neue Mobilitätskonzepte und handle mit grünem Strom. Des Weiteren setze der Energieversorger darauf, auf öffentlichen Gebäuden Photovoltaik-Anlagen zu installieren, so zum Beispiel auf dem Maria von Linden-Gymnasium oder dem Freibad. Mehr als acht PV-Anlagen betreibe die ENCW in Calw, sagt Becker.

"Mit der Gründung der Tochtergesellschaft schwarzwald energy fördert die ENCW den Ausbau der Ökostromerzeugung, indem sie deutschlandweit rund 16.000 Kunden mit reinem Strom aus Wasserkraft versorgt." Bei der Energiegewinnung müsse man nicht nur an Calw denken, betont Eggert, sondern global. "Ein lokales Thema ist die Mobilität und da sind wir ganz vorne mit dabei." Zum Ende des Jahres betreibe der Calwer Energieversorger 50 Elektro-Fahrzeuge und mehr als 150 Ladepunkte. "Mit all diesen Projekten zeigt sich die ENCW als innovatives, zukunftsorientiertes Energiedienstleistungsunternehmen, das (...) insbesondere in Calw und für Calw Verantwortung übernimmt", resümiert Becker.

Vorwurf: Nahwärme

"Wir installieren im Rathausquartier eine neue Heizung ohne irgendeinen Anteil erneuerbarer Energien zu verwenden, den jeder private Bauherr leisten muss der ein Gebäude neu baut oder seine Heizungsanlage grundlegend saniert", echauffiert sich Necker. Auch halte es die ENCW seiner Meinung nach nicht für notwendig, sein vor 40 Jahren – damals mit Weitblick – gebautes Nahwärmenetz der Innenstadt auf Mängel zu untersuchen und ein Sanierungskonzept aufzustellen, kritisiert er weiter. Für Eggert völlig unverständlich. Denn das Thema Nahwärmenetz sei schon häufig im Gemeinderat diskutiert worden, immer mit demselben Ergebnis: Eine Sanierung des gesamtes Netzes ist nicht möglich, "außer man will Geld verbrennen", so Eggert. Wenn vier Experten das sagen, müsse man auch mal erkennen, dass es nicht geht, bekräftigt er. Stattdessen soll eine Heizzentrale im Salzkasten eingebaut werden, die die Verwaltungsgebäude in der Innenstadt versorgt.

Vorwurf: Erlebnistag

"Es ist an der Zeit, dass wir (...) unsere Entscheidungen mehr an den Folgen für unsere Umwelt ausrichten.Was in dieser Richtung in anderen Kommunen Vorbildliches geleistet wird, ist immer wieder in der Zeitschrift des Gemeindetags zu lesen – oder ganz aktuell – im Programm EnergieErlebnisTage der Region Nordschwarzwald, wo Projekte rund um die Energiewende vorgestellt werden", schreibt Necker. Dass Calw nicht vertreten war, sei eine Enttäuschung, findet er. "Wir sind bei so vielen anderen Sachen vorne dabei", entgegnet der OB. "Wir haben uns bewusst dafür entschieden, uns dieses Mal rauszuhalten." Nicht jede Kommune müsse bei den EnergieErlebnisTagen dabei sein.

Was nicht bedeutet, dass er die Thematik nicht ernst nimmt. Der Klimawandel sei ein großes Thema, auch für die Stadt, sagt Eggert, "Das belastet uns alle." Und es sei nicht der Fall, dass man nichts tut. "Man hört zu", bekräftigt der Rathauschef.