Seit rund einem halben Jahr diskutiert der Calwer Gemeinderat über eine mögliche Erhöhung der Gebühren für Kinderbetreuung. (Symbolfoto) Foto: dpa-Zentralbild

Drei Fraktionen stellen Anträge auf Gebührensenkung. OB fürchtet Einbußen für Allgemeinheit. Mit Kommentar  

Calw - Der Kampf um die Kinderbetreuungsgebühren in Calw nimmt weiter Fahrt auf: Kurz vor der Gemeinderatssitzung häufen sich die Anträge der Fraktionen. Und jeder geht in eine etwas andere Richtung.

Seit rund einem halben Jahr diskutiert der Calwer Gemeinderat über eine mögliche Erhöhung der Gebühren für Kinderbetreuung. Eine Klausurtagung im Dezember sollte dabei den Durchbruch bringen, die bisherige Gebührenordnung reformieren und transparenter machen. Was zunächst nach einer Lösung aussah, scheint nun jedoch immer mehr Widerstand hervorzurufen.

Freie Wähler

Zuerst legten die Freien Wähler einen Antrag vor. Dessen Inhalt: die Gebühren, wie sie bei der Klausurtagung beschlossen wurden, nochmals anzupassen. Insgesamt sollen diese bei zwei und drei Kindern in der Familie deutlich weniger erhöht, bei den niedrigen Einkommensstufen zum Teil sogar erheblich gesenkt werden.

Gemeinsam für Calw

Auch die Fraktion Gemeinsam für Calw (GfC) hat zwischenzeitlich einen eigenen Vorschlag vorgelegt. Und der sieht völlig anders aus. Auffällig dabei: Entlastet werden zwar beinahe alle Einkommensklassen – am stärksten allerdings jene mit dem höchsten Einkommen (mehr als 80 000 Euro zu versteuerndes Einkommen). So sollen dem GfC-Antrag zufolge in dieser Stufe beispielsweise die Gebühren bei drei Kindern unter drei Jahren bei der Ganztagesbetreuung pro Kind von 600 (Vorschlag des Kultur-, Schul- und Sportausschusses) auf 475,79 Euro sinken. Dabei handelt es sich um die stärkste Kostenreduzierung der vorgeschlagenen Gebührenänderungen.

Weniger gut sieht es für jene aus, die in der niedrigsten Einkommensstufe verortet sind (bis zu 20 000 Euro zu versteuerndes Einkommen). Hier sollen die Gebühren bei beinahe allen Betreuungsformen ansteigen – am stärksten bei drei Kindern unter drei Jahren in der Ganztagesbetreuung. Hier würden statt 225 (Vorschlag des Kultur-, Schul- und Sportausschusses) künftig 243,71 Euro fällig werden.

CDU

Nochmals ein anderes Modell schwebt der CDU vor, das in Teilen dem der Freien Wähler ähnelt. So schlägt die Fraktion vor, die Gebühren für die Gruppen mit verlängerten Öffnungszeiten (30 Stunden Betreuung) im selben Maß zu senken, wie es auch die Freien Wähler fordern – und zwar bei Familien mit zwei oder drei Kindern; die Gebühren für Familien mit einem Kind sollen bei diesem Angebot wie bei der Klausurtagung ausgearbeitet bleiben.

Allerdings empfiehlt die CDU in ihrem Antrag, die Gebühren für die Ganztagesbetreuung (50 Stunden) nochmals deutlich für alle zu senken. Den Höchstsatz (Ganztagesbetreuung für ein Kind in der Familie, das jünger als drei Jahre ist) legt die Fraktion bei 525 Euro fest; die Freien Wähler folgen hier dem Ergebnis der Klausurtagung (656,25 Euro).

Die Fraktion möchte damit einer "übermäßigen Belastung der Eltern in der Ganztagesbetreuung" entgegen wirken, heißt es im Antrag (nach Angaben der Stadtverwaltung sind übrigens nur rund 15 Prozent der Kinder derzeit in der Ganztagesbetreuung untergebracht, Anm. d. Red.). Denn: Bei den städtischen Kindertageseinrichtungen handele es sich um eine Pflichtaufgabe der Stadt (den Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten). Dies setze nicht nur entsprechende Betreuungsangebote voraus, sondern auch, dass diese zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung gestellt würden. Der Haushalt der Stadt gebe eine solche Gebührensenkung her. Calw stehe derzeit wirtschaftlich wieder gut da, erklärt Fraktionsvorsitzender Sebastian Nothacker auf Anfrage unserer Zeitung. Zudem würden erhebliche Summen für freiwillige Aufgaben – zum Beispiel in Sachen Kulturförderung – ausgegeben. Da sei es nur konsequent, Geld in die Pflichtaufgaben zu stecken. Wie die zu erwartenden Mindereinnahmen durch eine Gebührensenkung im Haushalt abgedeckt werden könnten, dafür hat aber auch die CDU keinen konkreten Vorschlag.

Finanzierung

Genau diese möglichen Mindereinnahmen machen allerdings Oberbürgermeister Ralf Eggert Sorgen. Immerhin stehe die Stadt wirtschaftlich noch keineswegs auf sicheren Füßen. Erst seit drei Jahren könne Calw nach Jahren des Schuldenaufbaus diese auch wieder abbauen. Darüber hinaus gebe es noch viel zu tun in der Stadt – beispielsweise wenn man an den baulichen Zustand der städtischen Schulen und Kindergarten denke.

Verschiebung der Nachfrage

Die Finanzierung sei darüber hinaus nicht das einzige Problem, berichtet Eggert. Würde die Ganztagesbetreuung im Verhältnis zur "normalen" Betreuung zu günstig, könnte es, so fürchtet der OB, zu einer Verschiebung der Nachfrage kommen. Würden für 50 Stunden Betreuung nur unwesentlich mehr Gebühren fällig als für 30, sei nachvollziehbar, dass etliche Eltern dieses Angebot nutzen würden.

"Die Konsequenz wäre, unsere VÖ-Gruppen (verlängerte Öffnungszeiten, Anm. d. Red.) würden sich leeren, die Ganztages-Gruppen (GT) würden hingegen nicht reichen", führt Eggert aus. "GT-Angebote können wir jedoch aufgrund der vorgeschriebenen, baulichen Voraussetzungen in unseren alten Kindergärten nicht anbieten. Wir würden damit neue Kindergärten bauen und könnten alte Kindergärten mit ihren Gruppen schließen" – was somit zu unabsehbaren Baukosten führen würde.

Doch das sei nicht alles, erklärt Eggert. Denn: "Die meisten Erzieherinnen haben sich bewusst für eine Arbeit im VÖ-Bereich entschieden. Personal für den GT-Bereich mit Schichtdienst zu finden ist heute schon, bei unserem geringen Bedarf, extrem schwierig", warnt der OB. "Bei allem guten Willen, die Kindergartenlandschaft fortzuschreiben, haben wir jetzt einen Punkt erreicht, an dem den Fraktionen die wirtschaftliche, personelle und strukturelle Konsequenz völlig egal ist. Fast hat man den Eindruck, dass ausgerechnet in Calw Geld und die Gewinnung von Erzieherinnen keine Rolle spielt, da alles im Überfluss vorhanden ist." Die Auswirkungen auf die anderen Bürger, die dafür in Ewigkeit gerade stehen müssten, werde dabei nicht mehr abgewogen.

Kommentar: Kosten anderer?

Von Ralf Klormann

Alles wieder auf Anfang – so könnte man die Situation in Sachen Betreuungskosten in Calw beschreiben. Nach Monaten der Debatten über eine Änderung des Gebührensystems schießen kurz vor der Entscheidung die Anträge von drei Fraktionen aus dem Boden. Der Tenor: Es muss günstiger werden. Das sehen betroffene Eltern verständlicherweise ebenso. Und nur Monate vor der Kommunalwahl soll ja niemand verärgert werden. Klar ist aber auch: Calw zählt noch immer zu den am höchsten verschuldeten Kommunen des Landes. Und Geld, das an einer Stelle weniger eingenommen wird, muss woanders herkommen. Eine sinnvolle Gebührensenkung darf daher nicht mit eilig eingebrachten Anträgen durchgepeitscht, sondern muss in Ruhe berechnet und diskutiert werden. Ansonsten droht die Gefahr von Versprechen, die auf Kosten anderer gegeben, oder irgendwann gebrochen werden.