Zu den Stärken von Luisa Scherer zählt auch das Eins-gegen-Eins. Hier ließ sie eine Gegenspielerin stehen. Foto: Schwarzwälder Bote

Handball: Erst zur U19-EM und dann in den Norden Deutschlands: Für Luisa Scherer erfüllt sich der Traum vom Profivertrag

Sie soll die Lücke auf der Rechtsaußen-Position bei einem Traditionsverein in der Frauen-Bundesliga schließen: Die 17-jährige Luisa Scherer aus Calw-Stammheim. Sie wechselt von der Jugendabteilung des TV Nellingen zum Bundesligisten Buxtehude.

Von Buxtehude hat ja jeder schon einmal gehört. Es ist eine der Städte, die es Sprichwörtern nach gar nicht gibt. "Geh’ doch nach Buxtehude" zum Beispiel sagt man, wenn man möchte, dass jemand ganz weit weg geht. Und genau dahin führt jetzt der Weg von Luisa Scherer. Denn: Die Stadt, die südwestlich von Hamburg liegt, gibt es wirklich und dort wird sehr gut Handball gespielt. Beim Bundesligisten Buxthehuder SV hat die 17-Jährige einen Profi-Vertrag unterschrieben. Für sie ist es ein großer Schritt. Bisher spielte die Junioren-Nationalspielerin beim TV Nellingen vorzüglich in der Jugend des Bundesligisten und der zweiten Mannschaft in der Württembergliga. Nun geht es für sie vier Ligen nach oben. In Buxtehude sind sie zuversichtlich, mit ihr einen Glücksgriff gelandet zu haben. "Mit Luisa können wir die Lücke auf Rechtsaußen, mit der wir in dieser Saison spielen, mit einer zukunftsfähigen Spielerin besetzen. Sie ist sehr schnell und hat große Entwicklungsmöglichkeiten", sagt Dirk Leun, ihr künftiger Trainer.

Die frühen Anfänge

Beim TSV Calw erinnern sie sich noch gerne an das Ausnahmetalent. Hier hat für Luisa Scherer damals alles in der Kindersportschule (Kiss) angefangen. Dort begann für sie im Alter von fünf Jahren die Grundausbildung. "Alle Grundlagen wurden hier gelegt, vor allem die Freude und der Spaß an der sportlichen Betätigung", sagt sie rückblickend. Für den TSV Calw ist es eine Bestätigung dafür, dass die Kindersportschule der richtige Weg ist, um den Nachwuchs an den Sport heranzuführen. "Wir sind natürlich unheimlich stolz auf die Entwicklung, die Luisa genommen hat", betont Benjamin Knoll, Geschäftsführer des TSV. "Das sollte Motivation für alle Kinder in der Sportschule sein." Zu sehen, wie weit man es bringen kann.

Takeshis Castle

An ihre erste Stunde in der Kindersportschule kann sie sich zwar nicht mehr erinnern, jedoch an viele andere. "Vor allem an ganz viele lustige Spiele wie Takeshis Castle. Mit diesen Spielen verbinde ich die Kindersportschule." Damals kam sie mit vielen verschiedenen Sportarten in Berührung, blieb dann aber letztlich beim Handball hängen. Mit zehn Jahren fing sie beim TSV Neuhengstett an. Nach der D-Jugend wechselte sie weiter zur SG H2Ku Herrenberg und wurde parallel in die Fördergruppe des Handballverbands Württemberg (HVW) in Nellingen aufgenommen. Dort kam der Kontakt zum TV Nellingen zustande. Dort trainierte sie zuletzt auch regelmäßig im Bundesligateam mit und kam auch dreimal in der ersten Liga zum Einsatz.

In der Nationalmannschaft

Vor Kurzem war die gebürtige Lörracherin nun beim DHB-Lehrgang der deutschen U19-Nationalmannschaft in Lautenbach (Schwarzwald) mit dabei. Dass sie zum Kreis der deutschen Auswahl zählt, das kam für die 17-Jährige anfänglich etwas überraschend. Mit diesem Thema hatte sie sich zuvor irgendwie nie richtig auseinandergesetzt und plötzlich wurde es Realität. Genau wie ihr erster Profivertrag beim Buxtehuder SV. "Das war für mich noch so weit weg", sagt sie und lacht. Nun möchte sie natürlich auch zum Kader der U19-Europameisterschaft gehören, die vom 10. bis 21. Juli in Ungarn stattfindet. "Die Chancen stehen auf dem Papier bisher ganz gut", weiß sie. "Ich werde auf jeden Fall alles geben, um dabei zu sein."

Ein neuer Lebensabschnitt

Nach der möglichen Europameisterschaft beginnt für sie dann ein neuer Lebensabschnitt. Buxtehude heißt auch, die Heimat und die Familie hinter sich zu lassen. Mehr oder weniger auf eigenen Beinen zu stehen. Ein großer Schritt für eine 17-Jährige. Sie wohnt dann gemeinsam mit einer Mitspielerin in einer WG. "Es ist ein großer Schritt vom Jugend- in den Frauenbereich", weiß sie. Den Übergang hatte sie eigentlich ein wenig fließender gestalten wollen. "Bisher haben mich meine Eltern super unterstützt und das werden sie bestimmt auch weiterhin tun. Dafür bin ich sehr dankbar", sagt sie. Doch gleichzeitig ist es das Ziel, selbstständig zu werden. Dafür absolviert sie neben dem Handball beim Buxtehuder SV ein Freiwilliges Soziales Jahr innerhalb des Vereins. Vor allem freut sie sich jedoch riesig auf die neue sportliche Herausforderung, über "die Chance, mich in einem renommierten Verein mit toller Jugendarbeit weiterentwickeln zu können". Dabei steht für die Rechtsaußen erst einmal auf der Agenda, sich "in der Liga zu etablieren und Leistung zu zeigen". Sie möchte jede Chance nutzen, die sich ihr bietet, um möglichst viel Spielzeit zu bekommen. "Das geht natürlich nicht von heute auf morgen", weiß sie. "Aber mit Trainingsfleiß und einer sehr guten Einstellung kann man sehr gut in ein so starkes Team hineinwachsen."

Mannschaft im Umbruch

Mit ihrem Talent, ihrer Spielanlage und ihrem Fleiß passt sie gut in das Anforderungsprofil der Mannschaft, die gerade in einer Umbruchphase steckt. Sie spielt mutig, sucht gerne das Duell Eins-gegen-Eins und den Überraschungsmoment. In der Verteidigung arbeitet sie aggressiv und flink auf den Beinen. Eine Sache, an der die Calwerin noch arbeiten möchte, sind die verschiedenen Wurfvarianten im Abschluss. Dabei schaut sie sich gerne Sachen von Spielern und Spielerinnen ab, die "selbstbewusst und mutig spielen, aber trotzdem bodenständig und sympathisch bleiben".

Ein Verein mit Tradition

Frauen-Handball hat in Buxtehude große Tradition. Seit der Saison 1989/90 spielt das Team ununterbrochen in der Bundesliga. Viermal wurde der BSV deutscher Vizemeister. Das letzte Mal 2015. Ist also noch gar nicht so lange her. 2015 und 2017 holte es den DHB-Pokal. In der abgelaufenen Saison wurden die Buxtehuderinnen Vierter. Dass Luisa Scherer nun einen Platz in einem so erfolgreichen Team bekommt, darauf kann sie durchaus stolz sein. Möglich wurde es, weil die Rechtsaußen-Position im Kader mit nur einer Spielerin zu dünn besetzt war, dann wurde der Verein auf Luisa Scherer aufmerksam. Bei einem Probetraining in Buxtehude hat die 17-Jährige dann den Trainer überzeugt. "Da bin ich voller Vorfreude erst einmal komplett ausgerastet", sagt sie. Die drei Tage, die sie in Buxtehude verbracht hatte, überzeugten jedoch nicht nur den Verein von der Spielerin sondern auch die Spielerin vom Verein. "Das Training war wahnsinnig vielseitig und professionell. Das Athletiktraining war außergewöhnlich. Die Mannschaft war mir gegenüber sehr offen und besteht aus einer guten Mischung aus erfahrenen und jungen Spielerinnen", zählt sie gleich einige Gründe auf.

"Muss mich beweisen"

Das passt genau in das Profil von Luisa Scherer, die schon immer sehr fleißig und ehrgeizig war. Schon in der Kindersportschule. "Ich war immer ganz stolz, wenn meine Ankreuzliste zur Anwesenheit komplett voll war", sagt sie und lacht. Schon damals sei sie auch zum Training gegangen, wenn sie mal keine Lust gehabt hatte. Auch, wenn das nicht sonderlich oft vorgekommen sein soll. Da will sie nun auch in der Handball-Bundesliga genau so weitermachen. "Mir ist bewusst, dass eine Unterschrift unter einem Profivertrag alleine noch nichts bedeutet", betont sie. "Ich muss mich jetzt beweisen."