Die Hoteliers der Region hoffen, bald wieder freie Zimmer anbieten zu dürfen. Foto: Pleul

Dienstleistungsbewusstsein, Service-Orientierung – das ist man in der Gastronomie und der Hotellerie gerade in einer Fremdenverkehrsregion wie dem Nordschwarzwald gewohnt. Man leistet beides gerne. Genau deshalb sind die jüngsten Öffnungs-Szenarien für die Branche "eine ganz besondere Herausforderung".

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Kreis Calw - Was Branchen-gemäß "höflich" umschrieben ist von Ricarda Becker, Vize-Direktorin im Hotel Therme Bad Teinach. In aller Eile hat sie eine gemeinsame Pressekonferenz per Video-Schalte zusammengerufen vom Dehoga-Kreisverband und der Tourismus GmbH Nördlicher Schwarzwald, um die aktuellen Beschlüsse der Landesregierung von Baden-Württemberg auf die Situation hier vor Ort herunterzubrechen. Denn die Telefone in den Rezeptionen der Region stehen seit den zugehörigen Ankündigungen von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) nicht mehr still.

"Die Anfragen kommen bei uns im Haus aus der Heimatregion, aber auch aus Baden-Württemberg und ganz Deutschland", berichtet Becker. Man nehme – speziell für Pfingsten – die Reservierungen auch auf, wobei man aber immer auch die "besonderen Umstände" aktuell erkläre. Denn ob die gebuchten Reisen nachher auch tatsächlich stattfinden können, steht derzeit noch in den Sternen. "Jede Reise ist in der Tat eine Wette darauf, ob der Inzidenzwert der Corona-Infektionen bis dahin unter 100 fallen wird" (siehe Infokasten). Denn erst ab dieser "magischen Schwelle" dürfen die Betriebe tatsächlich wieder Gäste empfangen. Im Moment liegt der Inzidenzwert beispielsweise für den Kreis Calw laut RKI bei 171,5 (Stand 9. Mai).

"Viele, viele Anfragen"

Es seien wirklich "viele, viele Anfragen", die da im Moment die Mitarbeiter in allen Häusern annehmen. Aber wenn man dann jedes Mal die aktuelle Situation mit all ihren Unwägbarkeiten erläutere, gebe es "auch viele, viele Enttäuschungen". Genau deshalb der Gang an die Öffentlichkeit, um das nationale "Chaos" bei den anstehenden Öffnungen der Gastronomie und Hotellerie zumindest für die Heimatregion ein bisschen zu sortieren. Denn: Jede Reservierung, die man in Hoffnung auf eine sinkende Inzidenz prophylaktisch annehme, bedeute dann, wenn der Inzidenzwert nicht wie erhofft unter die magische Schwelle fällt – und dort für mindestens fünf Tage verharrt – "jedes Mal einen riesen Aufwand für die Mitarbeiter" in den betroffenen Betrieben, um die notwendigen Stornos abzuarbeiten, erklärt Rolf Berlin, mit seinem Hotel KroneLamm in Bad Teinach-Zavelstein ebenfalls Hotelier und zudem Vorsitzender der Dehoga im Kreis Calw.

Dabei sei man aber wirklich froh, so Becker, Berlin und auch René Skiba, Geschäftsführer der Tourismus GmbH Nördlicher Schwarzwald, dass es endlich nach Monaten der Komplettschließung wieder diese Öffnungsperspektive für die Betriebe gebe. Denn, erläutert Dehoga-Chef Berlin, für ihn und seine Kollegen sei es "längst fünf Minuten nach Zwölf", die Schäden durch den Dauerlockdown kaum mehr zu beheben. "Wir haben ein ganzes Jahr bei der Ausbildung unseres Nachwuchses verloren." Was das im September zum Start des neuen Ausbildungs-Jahrgangs bedeuten wird – wie groß noch der Wunsch sein werde, in der Gastronomie oder Hotellerie zu arbeiten – werde sich zeigen. "Früher galt unsere Branche immer als sichere Bank für die Berufswahl." Die Pandemie habe diesen Nimbus zerstört.

Druck auf Betriebe sehr groß

Auch Ricarda Becker bestätigt, dass "seit circa zwei Monaten" sich die Meldungen aus den Betrieben auch aus der Region häuften, dass Stammpersonal in andere Branchen – speziell den Einzelhandel – oder auch andere Regionen – wie der durchgehend "geöffneten" Schweiz oder dem bei den Öffnungen schnelleren Österreich – wechselten; "und nicht wiederkommen". Das schmerze umso mehr, als der Fachkräftemangel auch schon vor und ohne Corona "ein echtes Problem" für die Branche gewesen sei. Was die Sorgenfalten der Branchen-Spitze umso tiefer werden lässt, wenn der jetzt einsetzende "Run" auf die Beherbungs- und Bewirtungsbetriebe durch "zu wenig Personal" nicht bewältigt werden könnte. Was Tourismus-Chef Skibba noch ergänzt mit dem Hinweis, dass die gleiche "Unsicherheit", ob die Kollegen in ihre alten Jobs nach Ende des Lockdowns wiederkehrten, auch etwa für Gästeführer, die Betreuer von Sehenswürdigkeiten oder Servicekräfte in Freizeitanlagen gelten würde. "Da gibt es viele große Fragezeichen."

Aber an allen Fronten werde nun auch unendlich hart dafür gearbeitet, die nun begonnenen Öffnungsperspektiven auch bestmöglich zu nutzen und umzusetzen. Wobei Dehoga-Chef Berlin davon ausgeht, dass diese Entwicklung andererseits für die Politik auch nicht mehr aufzuhalten ist: "Das ist wie ein Dammbruch", so seine Beobachtung, "das Thema nimmt gerade unglaublich an Fahrt auf!" Der Druck aus den Betrieben – aber vor allem von dem Bürgern, die endlich wieder raus ins Leben wollten – sei über die Maßen groß. Und mit den drei "Gs" – geimpft, getestet, genesen – die für Nutzer und Besucher von Gastronomie und Hotellerie künftig gelten würden, gebe es ja auch eine "kalkulierbare und solide" Basis, diese Öffnungen "absolut sicher" für alle Beteiligten hinzubekommen.

Info: Auf die Inzidenz kommt es an

(ahk). Auch im Kreis Calw bereiten sich Hotellerie und Gastronomie auf die bevorstehende Öffnung der Betriebe vor. Die wird ab einem Inzidenzwert von 100 (Infektionen pro 100 000 Einwohner im Landkreis) in "drei Stufen" erfolgen, so die Ankündigung der Landesregierung. Wie diese Stufen aussehen und definiert sein werden, ist aber noch in der Detailabstimmung. Für den Kreis Calw gilt: mit einem Inzidenzwert von vor einigen Tagen knapp 180, der zuletzt mit einem Wert von acht pro Tag fiel, wird es noch voraussichtlich zehn bis zwölf Tage dauern, bis dieser Schwellenwert hier unterschritten sein wird. Anschließend muss die Inzidenz auch stabil mindesten fünf Tage unter 100 liegen – erst dann dürfen die ersten Öffnungen stattfinden. Aktuell rechnet man im Kreis Calw damit, dieses Ziel realistisch nur bis zum 28. Mai – also erst deutlich nach Pfingsten – erreichen zu können. Im Augenblick ringen die Branchenvertreter auch noch darum, dass in dieser ersten Stufe dann aber nicht nur Außenbereiche, sondern – mit den existierenden, sich bewährten und sicheren Hygiene-Konzepten der Branche – auch Innenbereiche und Wellness-Angebote geöffnet werden dürften.