Vier Männern war vergangenes Jahr die Flucht aus dem Zentrum für Psychiatrie gelungen. Foto: Klormann

Gerichtsverhandlung zu Flucht aus Zentrum für Psychiatrie geht weiter. Langjährige Drogengeschichte.

Tübingen/Calw-Hirsau - Der 37-jährige Rastatter hängt seit zwölf Jahren in seiner Drogensucht fest und ist seither schon dreimal ausgebrochen. Vor dem Krieg in Tschetschenien war seinerzeit der andere Ausbrecher geflohen, gegen den vor dem Landgericht Tübingen verhandelt wird.

Bei den Zeugenaussagen der ermitt elnden Kriminalpolizisten spielte am Mittwoch erneut auch die Sicherheit im Klinikum Nordschwarzwald eine Rolle. Denn von der spektakulären Flucht eines Quartetts vor gut einem Jahr gibt es keine Videoaufnahmen. Zwar waren Überwachungskameras im Entzugs-Trakt des Calwer Zentrums für Psychiatrie installiert, sie lieferten aber nur Livebilder, die in jener Nacht niemand verfolgte – weder in einer Stationskanzel der geschlossenen Forensik noch am Haupteingang des ZfP.

Pfleger schildern Ausbruch aus Psychiatrie

Das hat sich, so sagte die 30-jährige Ermittlungsbeamtin im Zeugenstand, inzwischen geändert. Telefone und Schlüsselchips, die den beiden bewachenden Pflegern von dem Quartett beim Ausbruch entwendet wurden, waren eigentlich mit Signalkette, Alarmstift und einem Bewegungsmelder gesichert.

Das reichte aber nicht aus, um eine Flucht zu verhindern, die für die beiden Angeklagten trotz des schnellen Einsatzes von Suchhubschrauber mit Wärmebildkamera und Hundestaffeln erst im Morgengrauen am Hirsauer Bahnhof endete. Das andere flüchtige Duo wurde am späteren Vormittag an der Bahnstrecke nach Pforzheim aufgegriffen. Die vier hatten sich der ortungsfähigen Geräte noch auf dem Gelände der Klinik entledigt, waren durch den Wald hinunter ins Nagoldtal entkommen und hatten sich stundenlang unter einer Brücke in Hirsau verstecken können.

Wahllos alles an Substanzen genommen

Der 33-jährige Tschetschene, wegen Drogendelikten verurteilt, hatte nach eigenen Angaben die Therapie abbrechen wollen, weil sie länger gedauert hätte als seine Reststrafe, und sich deshalb auch zur Flucht entschlossen. Im kriegszerstörten Grosny der russischen Teilrepublik aufgewachsen, hatte der Lastwagenfahrer seit seiner Heirat im Jahr 2009 immer wieder versucht, im Ausland Arbeit oder Asyl zu bekommen: nacheinander in Polen, Weißrussland, in Georgien, Frankreich und Italien und schließlich in Deutschland, wo er mit Crack-Geschichten straffällig wurde. Sein Asyl-Status ist noch ungeklärt. Die Frau wohnt mit den beiden Kindern im elsässischen Straßburg und arbeitet dort als Putzfrau in einem Hotel.

Sein Mitausbrecher aus Baden, 37 Jahre alt, war ursprünglich in geordneten Verhältnissen aufgewachsen, dann aber 2009 durch einen Nachbarn mit Kokain in Kontakt gekommen. Seither war er seinen Angaben zufolge entweder "in der Szene" oder wegen Beschaffungskriminalität im Knast, hatte wahllos alles an Substanzen genommen, was irgendwie berauscht, drei Therapien abgebrochen und ist inzwischen dreimal getürmt. Der letzte Ausbruch gelang ihm – erst nach der jetzt verhandelten Flucht aus dem ZfP – erneut: aus der Partnerklinik in Emmendingen, für drei Wochen Freiheit auf der Frankfurter Szene.

Quartett hatte "nichts mehr zu verlieren"

Neben dem Freiheitsdrang sei auch der "Suchtdruck" für ihn der Grund gewesen, sich ein paar Stunden vor der Aktion den Fluchtplänen anzuschließen, die vor allem jene zwei Ausbrecher ausgeheckt hatten, gegen die inzwischen in einem anderen Prozess verhandelt wird. Einer von diesen beiden war zu langjähriger Strafhaft verurteilt, der andere in unbefristeter Sicherungsverwahrung. Sie hatten, so hieß es im (wegen Corona geplatzten) ersten Verfahren gegen das komplette Quartett, "nichts mehr zu verlieren".