Florian Kling, hier mit seiner Ehefrau Klara Scheuren, ist der neue OB in Calw. Foto: Klormann

32-Jähriger setzt sich in zweitem Wahlgang klar durch. Über 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt.

Calw - Der neue Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Calw heißt Florian Kling. Mit 51,7 Prozent der Stimmen entschied er die Wahl im zweiten Anlauf für sich.

Es ist beinahe wie bei einem Déja-vu. Der Sitzungssaal des Rathauses füllt sich ab dem Moment, in dem die Wahllokale schließen. Die Plätze, auf denen im Regelfall die Stadträte Platz nehmen, sind schnell von Bürgern besetzt. Die Blicke richten sich gespannt gen Leinwand, auf die in Echtzeit die Auszählungsergebnisse projiziert werden.

Ein Wahlbezirk in Hirsau ist als erstes an der Reihe. Hier bekommt Florian Kling mit 46,3 Prozent die meisten Stimmen. Gerd Kunzmann erhält 34,6 Prozent, Anabel Hirsch 18,6 Prozent, Samuel Speitelsbach 0,4 Prozent. Wird es so weitergehen? Noch ist alles offen. Keiner der vier Bewerber muss heute eine absolute Mehrheit, also mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen. Der- oder diejenige gewinnt, der die meisten Stimmen auf sich vereinen kann.

Nach drei Wahlbezirken hat Kling beinahe die Hälfte aller Stimmen. 49,6 Prozent. Die anderen Kandidaten sind weit abgeschlagen, Kunzmann bei 34,6 Prozent, Hirsch bei 21,1 Prozent.

Nun sind es schon acht Wahlbezirke. Kling hat inzwischen die 50-Prozent-Marke geknackt. Er ist der einzige, bei dem die Zahlen regelrecht in die Höhe zu schnellen scheinen. Alle anderen Kandidaten müssen Verluste hinnehmen. Von Wahlbezirk zu Wahlbezirk nehmen deren prozentuale Anteile ab. Derweil wird die Favoritenstellung von Kling immer deutlicher.

Nach 13 Wahlbezirken liegen Kunzmann und Kling mehr als 20 Prozentpunkte auseinander, zu Hirsch sind es noch zehn mehr. Der Vorsprung scheint uneinholbar. Und er scheint es nicht nur. Er ist es. Wenige Minuten später "ischs g’schwätzt". Alle Bezirke sind ausgezählt. Florian Kling ist der neue Oberbürgermeister von Calw. Mit 51,7 Prozent. Kunzmann holt 30,6 Prozent, Hirsch 17,5 Prozent, Speitelsbach 0,2 Prozent der stimmen.

Die Interessierten, die sich bislang im Sitzungssaal aufgehalten haben, packen ihre Sachen zusammen und laufen hinunter auf den Marktplatz, wo in wenigen Minuten das Ergebnis vom stellvertretenden OB Dieter Kömpf verkündet wird. Wie schon vor zwei Wochen hat sich die Stadtkapelle vor dem Eingang positioniert, um – dieses Mal wirklich – unter dem Dirigat des neuen OBs zu spielen.

Gerötete Wangen

Doch zunächst übernimmt Kömpf das Wort. "Herr Kling hat die Wahl gewonnen...", setzt er an, wird von lautem Applaus unterbrochen und kann erst im zweiten Anlauf die genauen Ergebnisse verkünden. "Der Souverän hat eine Entscheidung getroffen", sagt Kömpf. Nun gelte es, die "kleinen Unstimmigkeiten, die es im Wahlkampf gegeben haben mag, zu vergessen". Die Hände des Gemeinderates seien jedenfalls in Richtung Kling ausgestreckt, einer konstruktiven Zusammenarbeit stehe nichts im Weg. "Letztendlich muss Calw im Vordergrund stehen", betont das stellvertretende Stadtoberhaupt.

Er gratuliert Kling, der mit geröteten Wangen auf den Treppen vor dem Rathaus steht und strahlt, seine Ehefrau Klara Scheuren im Arm. Im nächsten Moment ist er umringt von Gratulanten. Der Landrat Helmut Riegger ist unter ihnen, einige Stadträte, künftige Bürgermeisterkollegen.

Kling tritt ans Mikrofon, einen Zettel mit Notizen in der Hand. Er dankt den Bürgern, die ihn gewählt haben, für das Vertrauen, seiner Frau und seiner Familie für die Unterstützung. Und nicht zuletzt explizit seinen Eltern, "die mich in meinem alten Kinderzimmer ertragen habe", scherzt der 32-Jährige.

Kling kommt auf den "harten, kräftezehrenden, emotionalen" Wahlkampf zu sprechen. Darauf, dass er "Gräben, die uns trennen", zuschütten möchte "und alle an einem Strang ziehen". Der Fokus liege auf dem Wohlergehen der Stadt – "daher ist es nur logisch, dass alle um die Stadt gekämpft haben", meint er. "Das haben wir alle gemein."

Auch der unterlegene Kandidat Kunzmann spendet diesen Worten Beifall. "Ich danke allen Bürgern, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben", sagt er, merklich geknickt. Der 46-Jährige habe während des Wahlkampfs tolle Gespräche gehabt und nette Menschen kennengelernt. "Ich gratuliere Herrn Kling."

Hirsch zeigt sich stolz auf das Ergebnis, "dass wir aus eigener Kraft und mit einem fairen Wahlkampf" erreicht haben. Die 44-Jährige dankt allen Wählern.

Überhaupt ihre Stimme abgegeben haben bei der Neuwahl noch weniger Menschen, als beim ersten Wahlgang. Und damals waren es schon wenige – 41,5 Prozent. Am entscheidenden Termin sind lediglich 39,7 Prozent zur Urne gegangen. Nicht überraschend, meinte Marion Buck, Fachbereichsleiterin Steuerung und Service, im Vorfeld der Neuwahl. Die Beteiligung bei einer Neuwahl sei erfahrungsgemäß geringer. Dennoch geht ein Raunen durch die Zuschauermenge, als Kömpf die Zahl ausspricht.

Inzwischen hat Kling den Dirigentenstab von Thomas Daub, dem eigentlichen Dirigent der Stadtkapelle, übernommen. Er gibt fröhlich den Takt an, mal der Kapelle zugewandt, mal der Besucherschar.

Mit feuchten Augen legt er den Stab nach Ende des Liedes schließlich wieder ab. Es arbeitet in ihm, das ist deutlich zu erkennen. Auf Nachfrage, wie er sich jetzt fühle, scheinen ihm kurz die Worte zu fehlen. Eine ungewohnte Situation, machte Kling doch im Wahlkampf nicht zuletzt wegen seiner oft geschliffenen Redekunst von sich reden – im positiven wie im negativen Sinne. Und so bringt er im ersten Moment nur wenige Sätze hervor: Erleichtert, unglaublich glücklich, dankbar für das Vertrauen und für das Angebot der Zusammenarbeit vonseiten des Gemeinderat fühle er sich. Und betont, von nun an voll und ganz ein Diener der Stadt zu sein.

Die Menge wogt auf den Sieger zu, die nächste Flut an Gratulanten strömt herbei. An diesem Abend darf er sich feiern lassen. Der Ernst seines Amtes lässt nicht lange auf sich warten. Am 1. Dezember übernimmt Kling offiziell die Nachfolge von noch-Amtsinhaber Ralf Eggert.