Landtagspräsidentin Mutherem Aras besuchte die Johann-Georg-Doertenbach-Schule. Foto: JGDS Foto: Schwarzwälder Bote

Politik: Landtagspräsidentin Mutherem Aras steht Schülern Rede und Antwort / Aufruf zum Wählen

"Wie reagieren Sie auf politischen Gegenwind?" oder "Was sind Ihre zukünftigen Ziele?", lauten einige der Fragen, die die Berufsschüler der Johann-Georg-Doertenbach-Schule Landtagspräsidentin Mutherem Aras (Grüne) bei deren Besuch stellen.

Calw-Wimberg. Es ist ein besonderer Tag für die Berufsschüler der Johann-Georg-Doertenbach-Schule (JGDS). Die Schüler dürfen sich über hohen Besuch aus Stuttgart freuen. Landtagspräsidentin Mutherem Aras steht ihnen Rede und Antwort. Neben Schulleiter Michael Niedoba sind auch Landrat Helmut Riegger sowie die beiden Landtagsabgeordneten Thomas Blenke (CDU) und Klaus Dürr (AfD) anwesend.

"Schüler dürfen ab 16 Jahren wählen gehen", sagt Dürr, während die vier auf die Landtagspräsidentin warten. "Deswegen sollten sie auch erfahren, was sie damit bewirken können und was das Ergebnis ihrer Wahl oder Nicht-Wahl sein könnte." Um den Schülern diese und andere Fragen zu beantworten, kommt Aras zu Besuch

Der Umgangston wird rauer

"Baden-Württemberg hat 70 Wahlkreise", erklärt Aras am Rednerpult. Der Saal ist gut gefüllt. "Alle Abgeordneten sagen, ihr Wahlkreis sei der Schönste. Aber bei mir stimmt es sogar", scherzt sie. Dann erzählt sie von ihrem Alltag. "Meine Aufgabe ist es zum Beispiel, Landtagssitzungen zu leiten. Da bin ich so etwas wie der Schiedsrichter." So habe sie darauf zu achten, dass die Redner Zeit und Debattenumfang einhalten und sich nicht beleidigen. Der Ordnungsruf sei wie die gelbe Karte, erklärt sie den Berufsschülern. "Und im schlimmsten Fall droht der Ausschluss aus der Sitzung." In der vergangenen Legislaturperiode habe es keinen Ausschluss gegeben, in dieser bereits einige. "Der Umgangston ist rauer geworden", bedauert sie.

Davon abgesehen sei Aras viel im Land unterwegs, fordere die Menschen auf, zur Wahl zu gehen und mitzubestimmen. "Wir müssen uns immer wieder ins Bewusstsein rufen, in was für einem wunderbaren Land wir leben, mit all den Rechten, die wir haben. Deswegen sollten wir nicht nur denken: Der Staat wird sich schon um alles kümmern. Wir sollten uns fragen, was wir selber tun können, dass dieses Land so bleibt."

Doch nun sind die Schüler an der Reihe. Aras will hören, was diese interessiert. Die Hände schnellen in die Höhe. "Wie stressig ist Ihr Job?", "Wie gehen Sie mit politischem Gegenwind um?" oder "Wie schaffen Sie es, die eigene Meinung in den Hintergrund zu stellen?", lauten einige der Fragen.

"Mein Alltag ist unglaublich spannend und gut gefüllt", beginnt die Landtagspräsidentin. 70 bis 80 Stunden pro Woche seien die Norm. "Aber ich mache die Arbeit mit Leidenschaft, weil man etwas verändern und für Dinge werben kann, die wichtig sind." Damit meine sie Grundsatzfragen zu Themen wie den Grundrechten oder dem Funktionieren eines solidarischen Staats. Es seien Fragen, die jeden Bürger betreffen und die von der Parteizugehörigkeit unabhängig seien.

Was den Umgang mit politischem Gegenwind angehe, sehe sie sich als weltoffene Person, die sich auch die Ansichten anderer anhöre und bereit sei, ihre Meinung zu ändern. Wenn Argumente anderer sie jedoch nicht überzeugen, vertrete sie ihre Meinung. "Es gibt auch einige Personen, die ein Problem damit haben, dass mein Geburtsort nicht Stuttgart oder Calw, sondern die Türkei ist." Es sei nicht schön, in der Zeitung lesen zu müssen: Aras verhält sich, als sei sie eine von uns, doch sie wird nie dazu gehören, sagt die Landtagspräsidentin. Ein Blick ins Grundgesetz helfe fast immer. Es kenne nämlich keine Deutschen erster oder zweiter Klasse. "Es kommt nicht darauf an, wo man zufällig geboren wurde, sondern darauf, ob man sich mit den Werten einer Gesellschaft identifiziert", stellt sie klar. Diese Einstellung hat sie auch einst zur Politik geführt. "Wenn man die Unfreiheit und Diskriminierung kennen gelernt hat und dann hierher kommt und merkt, dass man jemand sein kann und Rechte hat, weiß man das ganz besonders zu schätzen", erklärt die Politikerin kurdischer Abstammung und alevitischen Glaubens, die mit elf Jahren mit ihrer Familie aus der Türkei nach Filderstadt zog. In der Türkei sei sie damals ohne Strom, Auto oder fließendes Wasser im Haus aufgewachsen. Es sind staunende Gesichter in den Schülerreihen zu sehen, als Aras das erzählt. Heute und in Deutschland könne man sich solche Zustände kaum vorstellen, sagt sie.

"Als ich dann hier war, dachte ich mir, wenn man in einem Land zu Hause ist, muss man sich dort auch engagieren." Zu den Grünen habe sie nicht in erster Linie wegen des Umwelt-Aspekts gefunden, sondern wegen deren Einstellung zur Gleichberechtigung. Dass sie als drittes von fünf Kindern aufgewachsen sei, habe sie in dieser Hinsicht sensibilisiert und stark gemacht.

Die Landtagspräsidentin beantwortet noch viele weitere Fragen zum Thema Schulsystem, zur Digitalisierung, zum Diesel. In letzterem Punkt wünsche sie sich als Abgeordnete, dass die Auto-Industrie mehr in die Verantwortung genommen werde. Nicht nur die Industrie profitiere von besseren Autos, sondern auch Baden-Württembergs Wohlstand.

Zum Thema Digitalisierung meldet sich Landrat Riegger zu Wort. "Als Schulträger des Landkreises Calw wollen wir in den nächsten Jahren 100 Millionen Euro in die digitale Infrastruktur investieren", kündigt Riegger an. "Wir verlegen Glasfaserkabel. Das dauert natürlich etwas, aber wir sind schon weiter als andere Landkreise." Dann werden auch acht kleine Gemeinden angeschlossen, die bisher nicht einmal Mobilfunknetz haben. "Das ist schlicht Marktversagen, deswegen nehmen wir das jetzt selber in die Hand." Zuletzt lässt Aras es sich nicht nehmen, zu erklären, warum es sich lohnt, wählen zu gehen. "Am 26. Mai sind Kommunal- und Europawahlen. Auf kommunaler Ebene wird zum Beispiel entschieden, wie die Schulen ausgestattet werden", appelliert sie an die Jugendlichen. "Und auch die Europa-Ebene ist viel näher, als man denkt. So hat zum Beispiel jeder die Möglichkeit, innerhalb von Europa problemlos zu reisen", nennt sie ein Beispiel. "Das sollte doch auch so bleiben."

Die Botschaft, die die Schüler mitnehmen sollen, lautet: "Es geht um Ihre Zukunft! Man kann über die EU schimpfen, aber sie ist dennoch in erster Linie ein Friedensprojekt und eine Solidaritätsgesellschaft. Ich hoffe auf eine hohe Wahlbeteiligung", sagt Aras. "Es kommt auf jede Stimme an."