Nach Stuttgart 21 kämpfen Einwohner des Calwer Stadtteils nun um ihr ländliches Bahnprojekt.
Calw-Ernstmühl - Nein hieß bei Stuttgart 21 Ja und Ja hieß Nein. In der Stadt drückt man sich viel zu kompliziert aus. Auf dem Land hingegen werden deutliche Aussagen formuliert: Im Calwer Stadtteil Ernstmühl wollen die Einwohner nur eine Haltestelle für die Bahn.
Die Entscheidung über das Bahnprojekt Stuttgart 21 ist gefällt – der Bahnhof wird gebaut. Ein neues, jedoch wesentlich kleineres Bahnprojekt wird in Ernstmühl gefordert: Keinen Bahnhof, sondern schlichtweg eine kleine Bedarfshaltestelle wollen die Anwohner an der Nagold.
Die Kulturbahn fährt ohnehin durch Ernstmühl, hält allerdings nicht an, sodass Schulkinder bei Wind und Wetter auf die andere Seite der Nagold laufen müssen, um in die Schule nach Calw oder Hirsau zu kommen. Erst vor Kurzem brachte der Sohn von Regina Kost aus Ernstmühl eine Umfrage aus der Schule mit nach Hause. Die Eltern der Kinder sollten sich zu den Anbindungen von Bus und Bahn äußern. "Mein Sohn muss nach Schulschluss 50 Minuten auf den Bus warten. Calw ist ein schönes Städtchen, aber so schön, als dass man den halben Mittag dort verbringen muss auch wieder nicht", zeigt sich Kost verärgert über die unpassenden Fahrpläne.
Doch nicht nur die rund 25 Schüler aus Ernstmühl würden von einer Bahnhaltestelle profitieren. "Vor allem im Winter wären viele froh, wenn sie ihre Autos stehen lassen könnten", spricht Kost für die Anwohner. Im vergangenen Winter konnten die Ernstmühler wegen der Schneemassen oft nicht bis zu ihren Häusern fahren, da alle am Berg wohnen.
In erster Linie würde eine solche Bedarfshaltestelle eine große Zeitersparnis bringen. Doch bei mehrfachen Anfrage beim Landratsamt Calw wurde Regina Kost immer wieder vertröstet. Es seien noch andere Projekte offen, wie beispielsweise die Sanierung der Haltestelle Bad Liebenzell. Diese müssten zuerst bearbeitet werden. Ein anderes Mal hieß es laut Kost, das Zeitfenster der Fahrpläne würde es nicht erlauben, auch noch in Ernstmühl anzuhalten.
Wie sie erfahren haben will, soll aber die alte Brücke in Ernstmühl marode sein und müsse in den kommenden beiden Jahren ersetzt werden. Ihr Vorschlag ist, die neue Brücke so zu bauen, dass sie als Haltestelle genutzt werden kann und "so tief angelegt wird, dass der Einstieg behindertengerecht wäre".
Von Seiten der Bahn sind allerdings mehrere Faktoren für den Bau einer Haltestelle zu berücksichtigen. Ein Thema werden auf jeden Fall die Kosten sein. Dabei spielt die Umgebung, wo ein Haltestelle liegt, eine Rolle. Es müssen nämlich barrierefreie Bahnsteige geschaffen werden können. Auch wird natürlich berücksichtigt, wie groß das Reiseaufkommen ist. "Denn schließlich muss so eine Investition refinanziert werden", gibt Roland Kortz,Bahnsprecher in Stuttgart, zu bedenken.
Die Problematik mit dem Zeitfenster der Fahrpläne, die bereits das Calwer Landratsamt nannte, kann Kortz bestätigen: "Eine neue Haltestelle kann die Taktung der Fahrpläne vollkommen durcheinander bringen."