Die eine Hälfe der Kirche ist bereits fertig für die Vesperkirche, auf der anderen wird noch gearbeitet. Fotos: Rousek Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Dritte Calwer Vesperkirche vom 12. bis 21. März / Täglich 60 Ehrenamtliche im Einsatz

Das dritte Mal findet in der Calwer Stadtkirche von 12. bis 21. März die Vesperkirche statt. An zehn Tagen sollen Bürger aller Milieus zusammenkommen, um gemeinsam zu essen, zu sprechen und satt zu werden – "an Leib und Seele", sagt Pfarrer Dieter Raschko.

Calw. Als würde gleich ein Gottesdienst im Freien beginnen, sind vor der Stadtkirche Kirchenbänke aufgereiht. Zum Einsatz kommen diese nun aber eine Weile nicht. In der Kirche wird stattdessen Platz geschaffen für Tische und Stühle. Denn in wenigen Tagen startet die dritte Calwer Vesperkirche. Und bis dahin gibt es noch viel zu tun.

Unter einigem Ächzen stemmen die Helfer eine Kirchenbank hoch und laden sie in einen Lastwagen. Die meterlangen Bänke einzuladen, ohne dass etwas kaputt geht, ist nicht leicht. "Es nimmt die Bänke schon mit", sagt Pfarrer Dieter Raschko. Insgesamt 48 Stück gilt es in der Kirche abzumontieren, hinauszutragen und schließlich in den Lastwagen zu heben. "Unsere Leute wissen schon, wie das läuft", meint der Pfarrer. Einen ganzen Tag braucht es dennoch, bis alle Bänke verstaut und die Vesperkirchen-Tische aufgebaut sind.

In der Kirche bietet sich ein interessantes Bild: Während die rechte Seite noch annähernd so aussieht, wie man es von einer Kirche gewöhnt ist, wirkt der linke Teil schon mehr wie der Innenraum eines Restaurants. Am Ende des Tages soll so die gesamte Stadtkirche aussehen.

Ab Dienstag, 12. März, wird dann für zehn Tage das gemeinsame Essen im Mittelpunkt stehen. Jeder kann in die Vesperkirche kommen – egal ob arm oder reich. Und jeder zahlt für das Essen das, was er kann. An allen Tagen gibt es Suppe sowie ein vegetarisches Essen und eine Speise mit Fleisch zur Auswahl. An einem Tag gibt es sogar Wild aus dem Zwerenberger Wald. "Alles ist schon bestellt", meint Raschko. Man rechne mit rund 450 Portionen am ersten Tag. Erfahrungsgemäß steigere sich die Anzahl im Verlauf der Vesperkirche. Dennoch ist Raschko nicht ganz so optimistisch wie im Vorjahr, wo es mit 6000 Besuchern einen regelrechten "Hype" gab. "Ich habe das Gefühl, dass das Interesse nachlässt", bedauert er.

Was man von den Helfern allerdings nicht behaupten könne, fügt er hinzu. "Da sind wir sehr gut dran." Und überhaupt könne man Erfolg und Misserfolg nicht an Zahlen festmachen. "Es geht darum, dass die richtigen Leute kommen."

Pro Vesperkirchen-Tag sind 60 Ehrenamtliche im Einsatz die bedienen, das Essen ausgeben oder den Begrüßungsdienst übernehmen. Es sei bewusst so gewählt, dass es keine Selbstbedienung gibt, sondern die Speisen zu Tisch gebracht werden, dass es stilechte Gläser statt Becher gibt und dass nachgeschenkt wird, anstatt eine Flasche auf den Tisch zu stellen. "Die Leute sollen miteinander ins Gespräch kommen", erklärt Raschko. "Manche haben an einem Vesperkirchentag mehr soziale Kontakte als sonst in einer ganzen Woche." Jene seien nicht bedürftig an Geld, sondern an menschlicher Nähe.

Mehrere Institutionen beteiligt

Aus diesem Grund ist das Credo der Vesperkirche auch "Satt werden an Leib und Seele". Für ersteres sorgen laut Raschko neben dem Essen auch Ärzte, die Diakonie und Friseure. Für das Seelenwohl stehen den Besuchern Seelsorger, Psychologen und Pfarrer zur Seite. "Damit es eine schöne Atmosphäre gibt, wird das Essen immer wieder von Musik umrahmt", sagt Raschko.

Die Calwer Vesperkirche ist ein ökumenisches Projekt. Neben der evangelischen helfen auch die katholische sowie die neuapostolische Kirchengemeinde mit. Und auch über die Kirche hinaus sind etliche Institutionen beteiligt. "Das ist auch das Tolle daran", freut sich der evangelische Pfarrer. So sei zum Beispiel der Schwarzwaldverein sehr aktiv, ebenso wie manche Schulen und die Erlacher Höhe. 250 Ehrenamtliche insgesamt. "Da entstehen viele Kontakte." Jemand habe vergangenes Jahr sogar ins Gästebuch geschrieben, die Vesperkirche sei "ein Stück Stadtentwicklung", erinnert sich Raschko.

Während er erzählt wird der Pfarrer immer wieder angesprochen, mehrmals klingelt sein Handy. "Auch wenn die größten Sachen erledigt sind, gibt es noch 1000 Sachen zu tun", meint er. Noch steht zum Beispiel die Schulung für die Helfer an, die im Service mitarbeiten werden. Zudem werden noch Kuchenspender gesucht. Für viele Besucher sei Kuchen etwas ganz Besonderes. "Wir brauchen jeden Tag 50 Stück, da führt kein Weg dran vorbei", betont Raschko.

Inzwischen stehen auf beiden Seiten der Kirche Tische und Stühle bereit, die Bänke sind allesamt draußen. Ein Restaurant. Offen auch für jene, die sich das sonst nie leisten könnten.