Seit November können Autofahrer ihre Erdgasautos nicht mehr in Calw tanken. Foto: Biermayer

Mechanischer Schaden an Verdichterstation. Reparatur noch im Februar. Lange Umwege für Fahrer.

Calw - Elektroautos sind als Zukunftstechnologie in aller Munde. Mit ihnen soll der CO2-Ausstoß reduziert werden. Auch mit Erdgasautos ist das möglich, wenn auch in geringerem Maße. Allerdings sind Tankstellen für diesen Kraftstoff rar. Und seit gut zweieinhalb Monaten ist auch noch die Erdgastankstelle in den Kimmichwiesen kaputt.

Wer mit seinem Erdgasauto an die dafür vorgesehene Zapfsäule auf dem Gelände der Shell-Tankstelle in den Kimmichwiesen fährt, wird von einem Zettel begrüßt. "Erdgastankstelle defekt!", steht da. Das ist alles andere als angenehm, da man im Normalfall mit leerem Tank zur Tankstelle fährt. Aber die Erdgasfahrer haben sich mittlerweile daran gewöhnt, denn die Zapfsäule ist schon seit Ende November 2019 außer Betrieb.

169 Erdgasautos im Landkreis

Die nächste Alternative befindet sich in Grafenau, immerhin ein Umweg von 13 Kilometern, wenn man die einfache Strecke berechnet. Auch in Herrenberg, Nagold oder Sindelfingen gibt es Zapfsäulen. Kein Weg den man mit einem leeren Tank noch auf sich nehmen möchte. Und dann kommt noch hinzu, dass man mit Erdgasautos oft eine geringere Reichweite hat.

Im Kreis Calw gibt es 169 Erdgasautos. Laut Landratsamt sind momentan 87 reine Erdgasfahrzeuge und 82 kombinierte, also mit Benzinreservetank ausgestattete, angemeldet. Bundesweit liegt die Zahl der Erdgasfahrzeuge bei 96 531 (Stand 2019). Das sind mehr als die 2019 laut Kraftfahrtbundesamt 83 175 angemeldeten Elektrofahrzeuge.

Tankstelle kann nichts dafür

Geht man nun in die Shell-Tankstelle und fragt, wann es wieder Erdgas gibt oder warum die Zapfsäule defekt ist, können die Mitarbeiter einem nicht weiter helfen. Denn für das Erdgas und die dazugehörige Infrastruktur ist die Energie Calw GmbH (ENCW) verantwortlich, wie sie erklären. "Wir kriegen den Ärger der Kunden ab, können aber eigentlich gar nichts dafür", moniert eine Mitarbeiterin. Sie könne die Kunden immer nur an die ENCW verweisen.

Auf der Homepage des Unternehmens ist zu lesen, dass die Erdgastankstelle "aufgrund eines technischen Defekts an der Verdichterstation vorübergehend außer Betrieb" ist. Auch hier wird auf die Alternative in Grafenau hingewiesen. Ein geplantes Reparaturdatum ist nirgendwo vermerkt. Das hat unter Erdgasfahrern zu dem Gerücht geführt, dass die Erdgastankstelle geschlossen werden solle. Dies wäre insofern merkwürdig, da die ENCW noch vor ungefähr fünf Jahren zusammen mit ortsansässigen Autohändlern für den Kauf eines Erdgasautos geworben und diesen bezuschusst hatte. Und zumindest auf der ENCW-Homepage ist zum Thema Erdgasauto nichts mehr zu finden, außer der Meldung zur defekten Zapfsäule.

Wenige Fachfirmen

Auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten dementierte der Pressesprecher der ENCW, Andree Stimmer, diese Gerüchte. Man wolle weiterhin Erdgas für Autos anbieten. Laut Stimmer habe es auch nie Überlegungen gegeben, dieses Angebot einzustellen.

Die Reparatur brauche deshalb so lange, da die Verdichterstation "einen größeren mechanischen Schaden" erlitten habe. Genauere Angaben zum Schaden konnte Stimmer nicht machen. Dieser könne jedoch nur von speziellen Fachfirmen repariert werden, von welchen es in Deutschland wenige gebe. Die Reparatur sei aber schon beauftragt. Man sei natürlich daran interessiert, dass die Anlagen einwandfrei liefen und rechne mit einer Wiederinbetriebnahme noch im Februar.

In der Verdichterstation kommt der Kraftstoff aus dem normalen Erdgasnetz an. Dort wird es anschließend auf bis zu 300 Bar verdichtet und in einen Speicher befördert. Das Erdgas wird dann als "Compressed Natural Gas", kurz CNG, bezeichnet (Infobox). Durch den erhöhten Druck wird eine optimale Befüllung des Gastanks des Autos gewährleistet.

Dazu, wie viel Erdgas an der Tankstelle normalerweise abgesetzt werde, machte Stimmer keine Angaben. Eine Nachfrage des Schwarzwälder Boten bei der Tankstelle ergab jedoch, dass, einen einwandfreien Betrieb vorausgesetzt, täglich bis zu 25 Erdgasautos dort betankt würden. Seit rund zweienhalb Monaten logischerweise aber kein einziges mehr.

Die Erdgasfahrer müssen sich also noch gedulden, bis sie auch in Calw ihre Tanks wieder befüllen können. Laut Stimmer will die ENCW umgehend über "die üblichen Kanäle" informieren, sobald die Erdgastankstelle wieder funktioniert. Bis dahin müssen die Erdgasfahrer weiter Umwege in Kauf nehmen, um an ihren Kraftstoff zu kommen.

Info: Geringe Reichweite

"Compressed Natural Gas" (CNG) ist Erdgas, das Autos in Verbrennungsmotoren als Kraftstoff verwenden können. Der Hauptbestandteil des Gasgemisches ist Methan. Bei der Verbrennung entstehen rund 20 Prozent weniger CO2, als bei einem Benziner. Erdgas ist ein fossiler Brennstoff. Es kann aber auch durch Biogas ersetzt werden. CNG wird gasförmig im Tank des Autos gespeichert.

CNG ist wirtschaftlicher als Benzin. Ein Kilogramm CNG entspricht dem Brennwert von 1,5 Litern Benzin. Das Kilogramm Erdgas kostet aktuell circa 1,10 Euro, der Liter Benzin ungefähr 1,40 Euro. Ein kleines Erdgasauto verbraucht rund 3,5 Kilogramm auf 100 Kilometer. Ein Nachteil ist die geringere Reichweite im Vergleich zum Benziner. Ein kleines Erdgasauto hat eine Tankkapazität von ungefähr zwölf Kilogramm und kommt damit knapp 350 Kilometer weit. Manche Erdgasautos haben deshalb einen Benzinreservetank. Erdgasautos mit größeren Tanks kommen auf eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern.

CNG ist nicht mit Autogas (Liquefied Petroleum Gas, kurz LPG) zu verwechseln. Dieses kann flüssig getankt werden. Es fällt bei der Erdölförderung an und besteht hauptsächlich aus Propan und Butan.

Unter gibgas.de sind alle rund 900 Erdgastankstellen in Deutschland gelistet. Dort sind auch Infos über deren Betriebszustand zu finden.