Künstlerin Ceci Pantin und ihr Mann Luis Albers verließen Venezuela vor 17 Monaten. Fotos: Fuchs Foto: Schwarzwälder Bote

Kunst: Schulklasse besucht Ceci Pantins Ausstellung über die gesellschaftlichen, politischen und sozialen Zustände in Venezuela

 
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Die aktuellen Werke von Künstlerin Ceci Pantin in der Lobby der Volkshochschule beschäftigen sich mit den verheerenden Missständen in Venezuela. Eine elfte Klasse besuchte die Ausstellung.

Calw. Karikaturen von Politikern mit Teufels-Hörnern oder langen Nasen, wie bei Pinocchio. Porträts von Jugendlichen, die erschossen wurden, nur weil sie friedlich gegen Unterdrückung und Armut demonstriert haben. Eine Bilderreihe, die in einfachen, untertitelten Grafiken die tragische Geschichte Venezuelas erzählt. Es gibt keine freie Wand mehr in der Lobby der Volkshochschule. Die Jahreszahlen auf den Grafiken nehmen von links nach rechts zu, ebenso die Intensität ihrer Farben. Hier und da sind ein paar grüne Bilder, sie zeigen Interventionen anderer Länder, die Venezuela helfen wollten. Die Darstellungen, die von 2012 oder 2013 erzählen, sind noch zart gelb gefärbt. Mit steigenden Jahreszahlen werden sie orange, bis hin zu grellem Rot, wo sie in der Gegenwart ankommen. Auf diesen Bildern sieht man rennende Strichmännchen mit Koffern, darunter die Aufschrift "Zwei Millionen Venezolaner haben das Land verlassen". Auf dem nächsten knien Strichmännchen vor einem Stacheldraht-Zaun. "Schließung der Grenzen", sagt der Untertitel. Auf einem anderen sind keine Strichmännchen zu sehen, dafür aber Grabsteine. Es gibt Bilder zu Kontrolle und Überwachung, zu Repression und der Missachtung von Menschenrechten, zum Ende der freien Marktwirtschaft, zu manipulierten Wahlen und vielen Protesten. Keine Frage, das Land steckt in einer Krise, die sich gerade auf ihrem Höhepunkt befindet.

"Das war unsere Wirklichkeit", sagt die Künstlerin, Ceci Pantin. Sie zeigt auf eine Grafik, auf der eine fünfköpfige Strichmännchen-Familie mit einem Brot zu sehen ist. "Das sind wir." Unter dem Bild steht: "Das monatliche Gehalt eines Hochschul-Professors beträgt fünf Dollar."

Die Künstlerin kam vor 17 Monaten mit ihrer Familie nach Deutschland, wo ihr Mann bereits Verwandte hatte. Es habe eine Weile gedauert, bis sie sich daran gewöhnt haben, keine Angst mehr um Leben und Zukunft haben zu müssen. Seit elf Monaten lernen sie Deutsch und machen dabei gute Fortschritte.

"Ich habe Sara Guillen hier in Deutschland kennen gelernt", sagt Pantin. "Sie ist Spanisch-Lehrerin an der Hermann-Gundert-Schule und unterrichtet auch hier an der Volkshochschule. Wir haben über Venezuela geredet. Dann hat sie mich gefragt, ob ich etwas Künstlerisches über mein Land machen will."

Jetzt, wo die Ausstellung fertig ist, nutze Guillen die Möglichkeit, ihren Schulklassen die Landesgeschichte von Venezuela näher zu bringen. An diesem Tag ist die 11. Klasse des Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums zu Besuch.

Neun Stunden Wartezeit für ein Päckchen Zucker

Die Schüler wirken interessiert, als sie die vielen, verschiedenen Bilder studieren. Sie stellen Fragen, teils auf Spanisch, teils auf Deutsch. Sie erkundigen sich nach den Politikern auf den Karikaturen, von denen Pantin sagt, sie bezeichneten sich selbst als Sozialisten, seien aber Nationalisten. Andere Schüler fragen nach den erschossenen Jugendlichen. 42 von ihnen hat Pantin in bunte Porträts verpackt. 150 Tote seien es jedoch allein in diesem Jahr gewesen. Es kommt eine weitere Frage zu einer Zeichnung. Darauf sind Arme zu sehen, auf die Nummern, wie 421 oder 340, geschrieben sind. "Wir mussten Schlange stehen, wenn wir Mehl oder Zucker kaufen wollten. Manchmal hat man acht oder neun Stunden gewartet."

Es ist still im Raum, wenn Pantin mit ihrem spanischen Akzent erzählt. Die Zustände, die ihre Familie am eigenen Leib erfahren hat, sind für die Elftklässler kaum vorstellbar.

"Ich habe acht Monate gebraucht, bis die Ausstellung fertig war", erklärt Pantin. "Und es war sehr schwer, sich damit noch einmal auseinanderzusetzen. Das war jedoch wichtig, weil die Welt mehr über das Land und alles, was dort passiert, erfahren muss", sagt sie. "Es gab Zeiten, da hatten wir morgens und abends jeweils ein zehn Zentimeter langes Stück Brot. Leute sterben in Venezuela an harmlosen Krankheiten, weil es keine Medikamente gibt. So ist es schon sehr lange. Meine Tochter ist 19 Jahre alt und wurde in der Diktatur geboren."

"Man hört in den Nachrichten von Problemen in anderen Ländern", sagt Guillen. "Aber wenn man jemanden von dort kennt, berührt das viel mehr."

Die Geschichte wiederhole sich überall auf der Welt, sagt die Künstlerin. Sie hoffe, dass die Menschen aus dem Venezuela-Fall lernen können und verstehen, dass Extreme nie gut sind. Ihr Land bezeichnet sie als wunderschön und kulturell vielfältig. Das alles werde jedoch von den Problemen überschattet. Wie es mit Venezuela weitergeht, steht in den Sternen. Im letzten Bilderrahmen in der Reihe fehlt die Grafik. Stattdessen füllt nur ein Satz das weiße Blatt: "Leider ist die Geschichte noch nicht zu Ende..."