Beim Auftritt von Lennart Schilgen war die Musikschule voll besetzt. Foto: Weiser Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Die "Kleine Bühne Calw" präsentiert Kabarettist Lennart Schilgen vor ausverkauftem Haus

Calw. Es ist schon bemerkenswert. Ein ums andere Mal beweist die "Kleine Bühne Calw" ein glückliches Händchen, wenn es darum geht, Schätze des Kabaretts zu finden und sie dem Publikum zu präsentieren. Dies hat sich ganz offensichtlich herumgesprochen, war doch bereits zum Apéro im Foyer der Jugendmusikschule Calw bald kaum mehr ein Stehplatz zu ergattern. Florian Fuchs vom Organisationsteam blickte bei der Auftaktrede denn auch äußerst zufrieden auf restlos gefüllte Stuhlreihen.

Mit Lennart Schilgen präsentierte die "Kleine Bühne Calw" diesmal einen Vertreter des Musikkabaretts – ein Genre, welches bei vergangenen Veranstaltungen nicht immer den erhofften Zuspruch gefunden hatte. Sehr zu Unrecht, wie sich erneut erweisen sollte.

Schilgen war mit seinem Programm "Engelszungenbrecher" zu Gast. Der Titel sollte sich wie ein roter Faden durch den Abend ziehen. Ein offenbar prächtig gelaunter, unbekümmerter Springinsfeld enterte hier die Bühne, stellte jedoch bereits nach den ersten Tönen alle Erwartungen auf den Kopf und förderte Stück für Stück zutage, was die Menschen gerne verdrängen: Sei es die ernüchternde Erkenntnis in so mancher Situation, gar nicht der Jäger, sondern das Reh zu sein. Die Unentschlossenheit, die beim angeblichen Protestlied in der gemeinsam gesungenen Zeile "Wir entscheiden uns nicht!" mündet. Oder das Unbehagen des Gutmenschen in dem Song "Ich hab ja nichts getan, ich lass’ es nur geschehen".

Selbstverständlich hat der Wortkünstler Schilgen auch das eine oder andere Gedicht im Gepäck. Dabei offenbart er sich mit einer stilsicheren und pointierten Fortschreibung des Gedichts über Ottos Mops als Bewunderer Ernst Jandls.

Ein Glanzpunkt des Programms ist zweifellos seine Parodie auf Reinhard Mey. Schilgen hatte in der Vergangenheit wegen eines umgedichteten Mey-Songs tatsächlich Post vom Anwalt des Liedermachers bekommen und daraufhin erneut zur Feder gegriffen. Er präsentiert sich hier als doppelbödiger Verehrer und genialer Imitator Meys. Sein Song, vorgetragen mit perfektem Timbre wird zur ironischen Betrachtung über vermeintliche Freigeistigkeit und gleichzeitige Humorlosigkeit. Er begeistert das Publikum von der ersten Note an.

Im Keim erstickt

Lennart Schilgen führt sein Publikum inhaltlich und erst recht sprachlich gehörig aufs Glatteis. Seine Texte sind kleine Kunstwerke der Verschachtelung. Unversehens ändern die Sätze Richtung und Bedeutung, in der Rhythmik wie bei den Zeilensprüngen zeigt sich der Könner des Reimes.

Listig nimmt der Künstler sein Publikum mit auf eine musikalische Reise mit zweifelhafter Wiederkehr. Er ist ein Meister der leisen und leisesten Töne und singt mit Engelszunge und süßer Harmonie. Versiert am Klavier wie an der Gitarre, lässt er Harmonien anklingen, die die Gäste zusammenrücken lassen; beinah möchte man schon wie früher sein Feuerzeug zücken, doch die Regung wird im Keim erstickt. Wird in der ersten Strophe noch ein Liebeslied vorgegaukelt, so wandelt sich die Szene unvermittelt: Aus dem sehnsüchtigen Jüngling, der unter dem Fenster seiner Angebeteten schmachtet wird der Stalker, der ebendies gerichtlich verboten bekommen hat.

Schilgen präsentiert seine Engelszungenbrecher mit entwaffnender Nonchalance, unbändiger Spielfreude, perfektem Timing und einer Spontaneität in der Darbietung, die ihresgleichen sucht. Er ist ein Meister seines Fachs. Das Publikum dankt es ihm mit lang anhaltendem Applaus.