Zahlreiche Vertreter der Fachgruppe Handwerk des Calwer Gewerbevereins haben jetzt die Hochzeit beim Gutbrod-Auto gefeiert. Als Hochzeit bezeichnet man bei einem Auto die Verbindung von Karosserie und Motor beziehungsweise Fahrwerk. Foto: Biermayer Foto: Schwarzwälder Bote

Wirtschaft: Gewerbeverein restauriert Gutbrod-Auto / Projekt soll Erinnerung wachhalten

Hand aufs Herz: Wer wusste schon, dass in Calw einmal Autos gebaut wurden? Genau aus diesem Grund entschied sich der Calwer Gewerbeverein vor Jahren, ein solches Gutbrod-Auto zu kaufen und wieder herzustellen. Ein entscheidender Schritt der Restaurierung wurde jetzt abgeschlossen.

Calw. Vor rund sieben Jahren sei man auf die Idee gekommen ein solches Auto zu kaufen, erzählt der Gewerbevereinsvorsitzende Jürgen Ott. "Ausgangspunkt war, dass man an die Calwer Automobiltradition erinnern wollte", so Ott. Die Firma Gutbrod sei ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaftsgeschichte in der Stadt. Und viele Menschen wüssten heute nichts mehr von diesem Kapitel.

Der Automobilhersteller Gutbrod wurde 1926 in Ludwigsburg gegründet und zog über Feuerbach schließlich nach Plochingen. Anfangs produzierte das Unternehmen vor allem Nutzfahrzeuge wie Liefer- und Pritschenwagen sowie Motorräder. Beliebt waren die Autos vor allem wegen ihrer Robustheit.

Nach dem Krieg wurde 1950 das Werk in Calw eröffnet. Dort wurde das Modell "Cabriolimousine Superior 600" in Serie gefertigt. Und das durchaus erfolgreich. So konnte ein Auto dieses Modells beim ersten ADAC-1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring überzeugen.

Wirtschaftlich lief es jedoch weniger gut. Vor allem die Nachfolgemodelle waren Ladenhüter. Und so wurde 1954 die Fertigung schließlich eingestellt und das Calwer Werk an die Firma Bauknecht verkauft. Das war das Ende des Gutbrod Superior und des Automobilbaus in Calw.

Dem Gewerbeverein gelang nun vor rund sieben Jahren der Erwerb einer solchen "Cabriolimousine Superior 600".

Das Modell hat Seltenheitswert. Von den rund 7500 ursprünglich produzierten Wagen gibt es heute noch zehn Fahrtüchtige. "Knapp 3000 Euro", antwortet Ott auf die Frage nach dem Anschaffungspreis. Das Auto sei jedoch eigentlich ein Schrotthaufen gewesen. Das Restaurierungsprojekt lag dann auch noch wegen Umstrukturierungen im Verein mehrere Jahre brach.

"Vor vier Jahren haben wir uns dann entschieden, es endlich mal in Angriff zu nehmen", erinnert sich Ott. "So ungefähr 500 Stunden Arbeitszeit stecken da bisher drin", erzählt Michael Morhard von der Fahrzeuglackierung Weng.

Morhard ist hauptverantwortlich für die praktische Umsetzung des Projekts. Dessen Schwiegereltern haben einst selbst im Gutbrod-Werk gearbeitet. "Die Karosserie war eigentlich in einem ganz guten Zustand", erinnert er sich. Aber der technische Part habe sehr schlecht ausgesehen. Es hätten viele Teile gefehlt. Der Motor sei von innen verrostet gewesen. Viele Ersatzteile habe er über den Gutbrod-Club aus Plochingen bezogen.

Wassergekühlter Zweitaktmotor

In dem Superior aus dem Baujahr 1951 sorgt ein wassergekühlter Zweitaktmotor mit zwei Zylindern für den Antrieb. Bei einem Hubraum von 593 Kubikzentimeter bringt dieser eine Leistung von rund 20 PS.

"Zweitaktmotor-Experten gibt es nicht mehr so viele", erklärt Morhard. Glücklicherweise gebe es mit dem Trabant ein ähnliches Fabrikat wie den Superior. "Manche würden sogar sagen abgekupfert", scherzt Morhard. Aber so habe er jemanden gefunden, der sich mit diesen Motoren noch auskennt, Teile hat und den Antrieb gerichtet hat. Die Karosserie hat er selbst restauriert. Man habe das Blech etwas ausbeulen und den Schweller verstärken müssen.

Schließlich wurde alles lackiert. "In der Originalfarbe", betont Morhard. Diese hat den klangvollen Namen Resedagrün. Das Fahrgestell habe das Autohaus Weeber gerichtet, so Ott. "So ein altes Auto ist auch gut, wenn man seinen Azubis mal was zeigen möchte", meint Morhard. So könnten diese ein Auto von Grund auf kennenlernen.

Jetzt wurde Hochzeit gefeiert. Als Hochzeit bezeichnet man beim Auto die Verbindung von Karosserie und Motor beziehungsweise Fahrwerk. Zu diesem freudigen Anlass waren zahlreiche Vertreter der Fachgruppe Handwerk des Gewerbevereins in Morhards Werkstatt gekommen, die nur einen Steinwurf vom früheren Produktionsstandort des Superiors steht. Gemeinsam wurde der Motor festgeschraubt, das Fahrgestell schließlich unter die Karosserie geschoben und befestigt. Auf den Erfolg wurde mit Sekt angestoßen und Ott bedankte sich bei Michael Morhard, seiner Frau Linda und deren acht Mitarbeitern für ihren Einsatz.

Das Auto ist aber noch längst nicht fertig. "Wir müssen noch die ganze Elektrik und die Innenausstattung machen", erklärt Morhard. Und dann komme wohl noch der schwierigste Schritt: das Verdeck. Das Gestell habe er zwar. Doch für den Stoff einen Sattler zu finden sei kompliziert, da es keine Schnittmuster mehr gebe. Deshalb könne er auch noch kein Datum nennen, zu welchem das Auto fertiggestellt sei. Die Suche nach Teilen und Händlern brauche oft mehr Zeit als die eigentlichen Arbeiten.

"Im Oktober ist das fertig", scherzt Ott. Wenn der Superior komplett restauriert ist, schwebt ihm vor, das Auto immer wieder zu präsentieren. Man könne es bei Gewerbevereinsmitgliedern wie dem E-Center oder dem Bauzentrum Kömpf ausstellen. So könne man zeigen, was Calw alles zu bieten habe. Zu sehen ist das auch bald auf Leinwand. Gert Tetzner von der avmediafactory begleitet das ganze Projekt nämlich mit der Kamera. Aus dem Material will er eine 75-minütige Dokumentation schneiden, die nach Fertigstellung des Autos zu sehen ist.

Das vom Calwer Gewerbeverein erworbene Gutbrod-Auto hat einen Hubraum von 593 Kubikzentimetern.

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