Noch-OB Ralf Eggert (von links) mit den Kandidaten Gerd Kunzmann, Anabel Hirsch, Florian Kling und Samuel Speitelsbach. Foto: Klormann

Vier Bewerber für Amt des Calwer Oberbürgermeisters präsentieren sich in der Aula den Bürgern. Mit Video

Calw - Kandidatenvorstellung Runde drei: Nach den Großveranstaltungen in Heumaden und Stammheim, bei denen sich die Bürger bereits ein Bild von den Oberbürgermeister-Bewerbern machen durften, waren am Freitag nun knapp 600 Zuhörer in die Calwer Aula geströmt. Die Bilanz: ein besonders kurioser Auftritt sowie drei solide Vorstellungen.

Freitagabend, 18.45 Uhr vor der Calwer Aula. Zu Dutzenden wandern Calwer Bürger den Schießberg hinauf, wollen sich informieren, wer wohl am ehesten als neuer Oberbürgermeister für Calw in Frage kommt.

Einige scheinen unter anderem gekommen zu sein, um den Auftritt von Samuel Speitelsbach zu sehen; die Darbietung jenes Dauer-Bürgermeisterkandidaten, der sich derzeit landauf, landab für Posten dieser Art bewirbt – und dabei in der Regel vor allem durch abstruse Aussagen von sich reden macht. Doch viele sind nicht unbedingt begeistert, dass dieser tatsächlich vor Ort ist. "Der Speitelsbach, ist der heute da?", richtet einer der Besucher am Eingang der Aula eine Frage an noch-OB Ralf Eggert, der dort die Gäste begrüßt. Eggert bejaht, der Mann wirkt unzufrieden. "Schade", sagt er. "Wenn ich Comedy sehen will, gehe ich woanders hin."

Samuel Speitelsbach

Der Abend beginnt schließlich, kurz nach 19 Uhr, mit dem ersten Bewerber, der seine Unterlagen eingereicht hat: Speitelsbach. Wer eine absurde Show erwartet hat, wird nicht enttäuscht. Mit den Worten "Heil Christi" und erhobenen Armen (er selbst bezeichnet sich als "König von Christi Gnaden") eröffnet er seine Rede – nur um wenige, verwirrende Sätze später mit der Bitte um Almosen "für seinen Vater, Kaiser Wilhelm der III.", die Bühne zu verlassen. Eine unerwartete Wendung.

"Sind Sie dann fertig, oder laufen Sie nur einmal durch den Saal?", fragt Eggert, der die Vorstellungsrunden moderiert. "Sonst würden wir mit dem nächsten Kandidaten weitermachen." Applaus aus dem Publikum.

Doch Speitelbach lässt sich nicht beirren. Mit einem Hut geht er durch die Reihen, bittet tatsächlich um Spenden. Derweil taucht ein älterer Mann mit Vollbart und einer Vase voller Blumen vor der Bühne auf und will diese sogar betreten – Eggert stoppt ihn jedoch und fordert Speitelsbach auf, wieder auf die Bühne zu kommen, wenn er noch etwas sagen wolle. Geraune der Besucher erfüllt die Aula, immer wieder wird der Kandidat ausgepfiffen. Und doch will Speitelsbach noch einen drauflegen; fordert AfD-Mitglieder im Saal auf, sich zu erkennen zu geben und will die gebrachten Blumen für 100 Euro pro Stück verkaufen. Die Geduld der Zuhörer ist erschöpft.

"Das ist doch eine Wahlveranstaltung, keine Comedy", ruft eine Frau empört. "Aufhören!", schallt es aus dem Publikum. Und Speitelsbach folgt der Aufforderung. Ob er das so geplant, oder seinen "Schwung" verloren hat, bleibt unklar. Mit den Worten "Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Heil Christi!" stellt er sich in den Mittelgang; kurz darauf verschwindet er aus der Halle.

"Man lernt ja viel an der Hochschule. Aber mit so etwas umzugehen, lernt man nicht", meint Eggert mit Galgenhumor. Man könnte den Auftritt als Eklat bezeichnen. Dennoch, so erklärt der noch-OB, gelte es natürlich, bei jedem Kandidaten die Regularien einzuhalten – denn eine Anfechtung der Wahl könne es immer geben.

Anabel Hirsch

Als Anabel Hirsch nach dieser chaotischen Darbietung die Bühne betritt, ist die Erleichterung bei vielen Zuhörern spürbar. Schließlich beginnt damit nun der Teil des Abends, für den die überwiegende Mehrheit des Publikums gekommen ist: die Präsentation jener Kandidaten, deren Ernsthaftigkeit zweifelsfrei feststeht.

Wie zuletzt bei der Vorstellungsrunde in Stammheim zeichnet Hirsch ein Bild von Calws Zukunft, gibt einen Ausblick darauf, was sie bis 2030 erreichen möchte: eine belebte Innenstadt voller Läden, Gastronomie und kultureller Angebote. Eine florierende Wirtschaft mit neu geschaffenen Arbeitsplätzen und neu angesiedelten Unternehmen. Einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr – und, nicht zuletzt, ein unter anderem dank energieeffizienter Sanierungen ab dem Jahr 2025 klimaneutrales Calw.

Für sie sei der Posten als OB kein Karrieresprung; stattdessen wolle sie dem Gemeinwohl dienen, gemeinsam mit Bürgern, Gemeinderat und Verwaltung. "Mir liegt Calw am Herzen", bekräftigt sie. "Ich möchte hier gestalten. Und glauben Sie mir: Ich bin eine Macherin." Die abschließenden Worte ihrer Rede sind im Übrigen ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl: "Sie entscheiden, wer die nächste Oberbürgermeisterin wird."

In der folgenden Fragerunde wird sie bei einigen Punkten dann auch konkreter. Für ältere Menschen, die aufgrund des demografischen Wandels künftig einen größeren Anteil an der Bevölkerung als heute ausmachen dürften, möchte sie Barrierefreiheit in der Stadt schaffen. Und zwar nicht nur hinsichtlich der Möglichkeiten, sich zu bewegen, sondern auch hinsichtlich der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Wohnkonzepte, bei denen Jung und Alt zusammenleben, oder den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel nennt sie hier als Stichworte. Klimaneutralität will sie beispielsweise auch durch einen Ausbau erneuerbarer Energien erreichen. Und die Kernstadt könne durch neue Angebote – wie ein Kulturcafé im ehemaligen Gefängnis unterhalb der Schillerstraße – belebt werden.

In Stammheim haben wir mit drei OB-Kandidaten gesprochen:

Gerd Kunzmann

Als Dritter ist Gerd Kunzmann an der Reihe. Ein Mann, der derzeit noch für die Gemeinde Remchingen tätig ist, unter anderem als Kämmerer und Wirtschaftsförderer. Entsprechend bringe er viel Erfahrung in der Verwaltung mit, führt der Kandidat aus. In Remchingen habe er nicht zuletzt dazu beigetragen, Gewerbe anzusiedeln, Hunderte Arbeitsplätze in der Gemeinde zu schaffen und das Steueraufkommen zu erhöhen. Nur einer von mehreren Punkten, die er auch in Calw umzusetzen plane. Auch Kunzmann möchte darüber hinaus die Innenstadt weiterentwickeln. Die Hesse-Bahn und der geplante Auto-Tunnel zur Entlastung der Bischofstraße, Konzepte für Stadtgarten, Deckenfabrik und Bauknecht-Areal, Calw als Hochschulstandort erhalten oder ein Ausbau des Kulturprogramms sind dabei nur einige seiner Ansätze. Es solle zudem starke Stadtteile geben, die "miteinander statt gegeneinander" arbeiten. Und eine verlässliche Gesundheitsversorgung, die unter anderem durch das neue Krankenhaus samt Gesundheitscampus gewährleistet werden müsse.

Ob beabsichtigt oder nicht: Auch eine Spitze gegen seinen 32-jährigen Gegenkandidaten Florian Kling ist Teil seiner Ansprache. Und zwar, als der 46-Jährige erwähnt, er sei froh, bei einer Bewerbung als Bürgermeister vor 15 Jahren keinen Erfolg gehabt zu haben – damals sei er rückblickend seiner Ansicht nach noch zu unerfahren gewesen.

Anschließend stellt Kunzmann sich den Bürger. Viele der von ihm angedachten Projekte, so erläutert er auf Nachfrage, stünden nicht in Konkurrenz zueinander. Durch Fördermittel könnte vieles zugleich möglich gemacht werden. Auch bei der Ansiedlung von Gewerbe traut er sich ähnliche Erfolge wie in Remchingen zu – obgleich diese Gemeinde im Unterschied zu Calw einen direkten Autobahnanschluss hat. Wichtig sei hierbei schließlich auch, eine attraktive Stadt zu bieten, die Fachkräfte anlocke. Und als die Frage aufkommt, ob er als langjähriger Verwaltungsfachmann nicht auch eine gewisse "Betriebsblindheit" mitbringe, kontert Kunzmann, dass schon jetzt jeder Arbeitstag anders sei – und er sich stets auf Neues einlassen könne und müsse.

Florian Kling

Zuletzt tritt Florian Kling ans Rednerpult; erzählt launig von sich und seiner beruflichen Laufbahn, von seinem Studium der Staats- und Sozialwissenschaften in München, bei dem er sich wichtige Qualifikationen angeeignet habe, um dem Posten des Oberbürgermeisters gewachsen zu sein. Er kenne sich mit Wirtschaft und Verwaltung aus, wodurch er nicht zuletzt in der Lage sei, selbst "den Kämmerer zu überprüfen". Ob absichtlich oder nicht: Wie Kunzmann für Kling, so hat auch Kling eine Spitze für Kunzmann parat.

Der 32-jährige Hauptmann der Reserve, der zwölf Jahre lang für die Bundeswehr gearbeitet hat, möchte dann auch gleich mit einem Klischee aufräumen. Denn "Bundeswehr heißt nicht mehr nur Disziplin und Gehorsam", so Kling. Auch bei der Truppe stehe kooperative Führung und Arbeit im Fokus.

Viele seiner Ziele decken sich mit denen der anderen beiden Kandidaten, die vor ihm an der Reihe waren; beispielsweise in Sachen Calwer Tunnel, Hesse-Bahn oder Belebung der Kernstadt. Nicht nur – aber auch – für diese "gute Stube" Calws müssten die Stadtteile zusammenstehen; es gelte, das Freizeit- und Kulturleben auszubauen. Zusammen mit den Bürgern wolle er ein Leitbild für die Stadt der Zukunft entwerfen. Er möchte einen Bezirksbeirat für die Kernstadt schaffen und zunächst zumindest sofort den bereits vom Gemeinderat beschlossenen Arbeitskreis Innenstadt einberufen.

Doch acht Jahre seien eine lange Zeit, meint ein Bürger in der Fragerunde – was, wenn es in dieser Zeit schwierig werde? Sei er dafür geeignet? "Ich verspreche Ihnen keine blühenden Landschaften", räumt Kling ein. Weder habe er einen Zauberstab, noch könne er Geld regnen lassen. Mit einem starken Leitbild zeigt er sich aber überzeugt, Lebensqualität zu schaffen – und damit auch die Grundlage, um unter anderem Gewerbe anzusiedeln. Ein Schüler will wissen, ob denn auch die Verbesserung der derzeit noch suboptimalen technischen Ausstattung der Schulen auf seiner Agenda stehe – in Sachen Ausrüstung, so fügt er hinzu, habe ja gerade die Bundeswehr nicht den besten Ruf. Lächelnd stimmt Kling zu; er selbst habe dort auch lange gegen Windmühlen gekämpft. In Calw werde er sich "den Hintern aufreißen, damit ihr gute Technik bekommt".

Info: Regeln

Gemäß den Regeln der Kandidatenvorstellungen bekam auch bei der Veranstaltung in der Calwer Aula jeder Kandidat, in der Reihenfolge der Bewerbung, 15 Minuten Zeit, um sich vorzustellen, anschließend durften die Bürger 15 Minuten lang Fragen stellen. Gegenseitiges Zuhören war dabei tabu – die jeweils anderen Bewerber mussten unterdessen außerhalb des Saales warten.