Keine leichte Kost zu verdauen gab es bei der Feier zum 40-jährigen Bestehen der evangelischen Erwachsenenbildung mit Eugen Drewermann. Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: EB feiert runden Geburtstag in der Stadtkirche / Eugen Drewermann malt düsteres Bild von Gegenwart und Zukunft

Die evangelische Erwachsenenbildung nördlicher Schwarzwald (EB), die die Dekanate Calw, Nagold und Neuenbürg umfasst, ist ins Schwabenalter (40 Jahre) gekommen. Grund genug, um das besondere Ereignis mit einer würdigen Auftaktfeier in der Calwer Stadtkirche zu begehen.

Calw. Der Geschäftsführer des evangelischen Bildungswerks, Reinhard Kafka, nahm Bezug auf das gesellschaftskritische Thema des Abends, zu dem er den bekannten Theologen, Psychotherapeuten, Schriftsteller, Kirchenrebell und suspendierten Priester Eugen Drewermann eingeladen hatte. Kafka erinnerte zunächst an den früheren Calwer Dekan Johann Valentin Andreae, der vor fast 400 Jahren in Calw gewirkt hat. "In seiner Christenstadt Christianopolis gibt es weder Privatbesitz noch Standesrechte. Der Krieg als politisches Mittel wird verdammt. Er hat eine bleibende Vision einer gottgefälligen und menschenfreundlichen Stadt", schlug Kafka den Bogen zu Drewermanns Thema "Geld, Gesellschaft und Gewalt".

Nach neuen Impulsen für künftige Arbeit suchen

Ein wichtiges Anliegen der Veranstaltung sei, in die Zukunft zu schauen und getreu dem Motto "Wir denken weiter" nach neuen Impulsen für die künftige Arbeit des kirchlichen Bildungswerks zu suchen.

In einem Podiumsgespräch stellten Oberkirchenrat Werner Baur aus Stuttgart, Christine Höppner, die Leiterin der katholischen Erwachsenenbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Norbert Weiser, Dezernent für Jugend, Soziales und Integration, sich den Fragen von Schuldekan Thorsten Trautwein. Die Befragten äußerten aus ihrer Sicht wertvolle Anregungen zur Weiterentwicklung des Geburtstagskinds.

"Wir müssen bei der Erwachsenenbildung am Puls der Zeit sein, am Herzschlag der Menschen", unterstrich Baur. Auch Erwachsene müssten mit ihrem Potenzial gestärkt werden. Erwachsenenbildung sei immer auch die "Befähigung zum guten Mit- einander", unterstrich Höppner und verwies auf die gelungene ökumenische Zusammenarbeit bei der Calwer Nachmittagsakademie. Erwachsenenbildung solle vor allem stets auch "das Gepräge vor Ort aufnehmen". Weiser beantwortete die Frage, ob das evangelische Bildungswerk in Calw einen politischen Auftrag habe, mit einem eindeutigen "Ja". Außerdem betonte er, dass die Bedeutung der Bildung in Zukunft noch deutlich zunehmen werde. "Vielen Dank, Herr Kafka, sie haben Themen, die die Menschen berühren, ohne Mainstream zu sein", lobte der Vertreter des Landkreises.

Dekan Erich Hartmann würdigte die Arbeit der Mitarbeiter der vergangenen 40 Jahre. Während der vier Jahrzehnte des Bestehens der Bildungseinrichtung haben als Geschäftsführer Heinz Dauner 15 Jahre lang und Reinhard Kafka jetzt schon 25 Jahre lang gewirkt. Die Schuldekane Eberhard Sehmsdorf, Reinhard Zimmerling und Thorsten Trautwein engagierten sich jeweils viele Jahre lang als Vorsitzende der Einrichtung. Die evangelische Erwachsenenbildung hat sich durch das große Engagement ihrer Mitarbeiter in den vergangenen vier Jahrzehnten aus kleinsten, mühsamen Anfängen zu einer leistungsfähigen Bildungseinrichtung entwickelt. Kafka erhielt für seine 25-jährige Tätigkeit eine Urkunde und lobende Worte von Wolfgang Schnabel, dem Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft evangelischer Bildungswerke in Württemberg. "Mit ihren persönlichen Gaben und Fähigkeiten, ihren Kräften und ihrer Zeit haben sie mitgeholfen, dass sich die Bildungsarbeit mit Erwachsenen in unserer Landeskirche weiterentwickelt hat", hob Schnabel hervor.

"Es regieren Geld, Gesellschaft und Gewalt. Es ist Zeit zum Weiterdenken. Eugen Drewermann wird uns, so bin ich sicher, aus unseren Träumen reißen, was uns wach- rütteln wird", kündigte Kafka an.

Und so kam es dann auch. Und wie! Aus christlicher Sicht nahm der Querdenker Drewermann den Kapitalismus unserer Tage ins Visier und sprach von der "Knechtschaft des Kapitals". Dieses System erzeuge auf Dauer immer mehr Arme und Reiche. Auf Schulden würden Zinsen und Zinseszinsen geschlagen, die die Schuldner dann immer mehr ins Elend bringen. "Der Hintergrund des schnellen Geldes ist der Schulden- dienst", prangert er an.

Kapitalismus: Jeder macht sich schuldig

Menschen würden durch andere Menschen finanziell ausgepresst. In der Bibel stehe jedoch: "Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon". "Die Banken scheffeln aus Schulden Geld", schimpft der unbequeme Querdenker weiter. Im Grunde seien alle an diesem kranken System negativ beteiligt, und jeder würde sich dabei gelegentlich schuldig machen.

Am Beispiel einer Blumenverkäuferin auf dem Markt erläuterte er seine These. Die Marktfrau müsse oft kurz vor Marktschluss ihre Preise senken, um überhaupt noch etwas verkaufen zu können. Dann würden die Menschen nicht den notwendigen, gerechten Preis bezahlen, sondern die Blumen verbilligt kaufen. Die Frau könne sich dadurch dann mit ihrer Tätigkeit kaum über Wasser halten und müsse womöglich noch mehr belastende Schulden aufnehmen.

"Unser ganzes Geldsystem ist darauf aufgebaut, dass die einen Schulden machen müssen und die anderen dadurch noch reicher werden", resümierte der Referent. Während die einen immer mehr Geld scheffelten, verhungerten andere.

Nackte Haut zu Markte tragen

"Jeder der Verhungerten, ist ein Ermordeter", zitierte er den bekannten Schweizer Soziologen, Politiker und Globalisierungskritiker Jean Ziegler. Der Kapitalismus sei inzwischen selbst zur Religion geworden. Drewermann sprach sich auch gegen die "Ausbeutung der Arbeiter" aus, die oft viel zu schlecht bezahlt würden. "Die Leute haben nichts, sie müssen ihre nackte Haut zu Markte tragen", kritisierte er. Außerdem prangerte er die schlechte Bezahlung der Pflege - und Sozialberufe an.

Auch die Wirtschaft blieb nicht ungeschoren. Firmen gingen ins Ausland, um dort noch niedrigere Löhne zahlen zu können. Das ganze System werde so "an die Wand gefahren".

Zum Thema Umweltzerstörung hatte Drewermann geradezu apokalyptische Aussagen parat. "Es wird am Ende kein Baum mehr wachsen und keine Blume mehr blühen", prophezeite er. Seine aufrüttelnde Ansprache ging vielen sichtlich unter die Haut und hinterließ einen starken Eindruck bei den Zuhörern. "Drewermann hat den Finger in die Wunde gelegt", meinte der Althengstetter Pfarrer Martin Schoch. "Die Apokalypse ist total richtig, kein Widerspruch. Aber mir hat die Inspiration gefehlt, wie man mit dieser schwierigen Situation umgehen soll", bedauerte Bernd Schlanderer vom evangelischen Diakonieverband im Landkreis Calw die Tatsache, dass anschließend keine Möglichkeit zur Diskussion gegeben war.

Prälat Christian Rose aus Reutlingen freute sich bei seinem Schlusswort darüber, dass mit dem Beginn der Calwer Vesperkirche in der nächsten Woche "ein Stück diakonische Bildung" geschehe. Das Bläserensemble "PromusiC" aus Althengstett bot exzellente, schmissige Blasmusik und lockerte so den Ablauf mit vielen Reden äußerst wohltuend auf.