Ernst Emanuel Krauss rückt im Laufe seines Lebens völkischer Bewegung immer näher / Briefwechsel mit Hesse

Von Alfred Verstl

Calw. Sie haben ihn ein gutes Stück wieder entdeckt und stellen am Ende ihrer Arbeit fest, dass er letztlich nicht zu unrecht der Vergessenheit anheim gefallen ist. Albrecht Wacker und Horst Roller haben sich mit dem in Stammheim geboren Ernst Emanuel Krauss beschäftigt.

Sie setzen sich mit dem Reformer, Dichter und Volkserzieher in einem Aufsatz in "Schwäbische Heimat", Heft 3/2013, auseinander. Wie der gebürtige Holzbronner und promovierte Erziehungswissenschaftler Wacker, der an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg lehrt, und der Stammheimer Heimatforscher Roller betonen, zeigt sich deutlich, dass Krauss im Laufe seines Lebens der völkischen Bewegung immer näher rückte. Sie ist mit der Nazi-Ideologie nicht gleich zu setzen, Parallelen gibt es gleichwohl. Denn dieses Gedankengut ist gekennzeichnet von Rassismus, Nationalismus, in Verbindung mit religiösen Reformideen.

Die Bewegung entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Krauss galt, wie Wacker erläutert, während der Weimarer Republik (1919-1933) als Sprecher der Jugend innerhalb dieser Bewegung.

Publiziert hat Krauss unter dem Pseudonym Georg Stammler. Roller vermutet darin einen Hinweis auf seinen Heimatort. Prosa und Lyrik sind von einer pathetischen und überhöhten Sprache gekennzeichnet. In seiner 1913 publizierten Schrift "Worte an eine Schar" ruft Stammler "zur Erneuerung des Menschen auf, die er nicht vom Individuum, sondern von der Gemeinschaft her dachte", schreiben Wacker und Roller in "Schwäbische Heimat", die bundesweit als eine der bedeutendsten Zeitschriften für Regionalgeschichte gilt.

Da steht Krauss (1872- 1948) in krassem Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Hermann Hesse. Mit dem Literaturnobelpreisträger verbindet ihn ein bislang unbekannter Briefwechsel. Krauss bat 1904 den damals noch recht unbekannten Hesse um Beiträge für eine Publikation. Nachdem darauf hin nichts erschien, reagierte Hesse recht unwirsch und bat um sofortige Rücksendung. Nachdem Krauss dem Wunsch unverzüglich nachkam, hat sich der spätere Nobelpreisträger entschuldigt. Mit dieser Entdeckung haben Roller und Wacker auch ein kleines Stück die Hesse-Biografie erweitert.

Roller, der 1995 "Das Kriegsende in Stammheim" veröffentlich hat und sich in einem Band von "Calw – Geschichte einer Stadt" zusammen mit Hellmut J. Gebauer mit Stammheim beschäftigt hat, sieht Krauss/Stammler als Teil der Ortsgeschichte. Da bislang einiges um den Dichter im Dunkeln lag, hat er sich mit Wacker kritisch mit ihm auseinander gesetzt. Dieser Hinweis ist den beiden Autoren wichtig, denn keineswegs wollen sie selbst in die rechte Ecke gestellt werden.

Was von Stammlers Werk, das 1940 mit dem mit 3000 Reichsmark dotierten Schwäbischen Dichterpreis ausgezeichnet wurde, blieb, sind ein paar schmale Bändchen mit Aphorsimen, die er weitgehend im Selbstverlag veröffentlich hatte.

Krauss, der sich als Hilfslehrer eine Zeitlang einem reformpädagogischen Projekt an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf in Thüringen verschrieben hatte, starb 1948 verarmt auf Burg Hohensolms in Hessen. Zeit seines Lebens, so stellen Wacker und Roller fest, hat er darunter gelitten, dass er kein Studium absolvieren konnte.