Die Lehrerin Bärbel Blaeser ist Gründerin und Dozentin der Werkstatt Inklusion. Foto: Elsäßer Foto: Schwarzwälder Bote

Pädagogik: Vortragsreihe "2019 Waldorf weltweit": Lehrerin Bärbel Blaeser spricht über Inklusion in Familie, Schule und Beruf

Calw. Im Rahmen der Vortragsreihe "2019 Waldorf weltweit" in Kooperation mit der VHS referierte Bärbel Blaeser, Lehrerin an einer inklusiv arbeitenden Waldorfschule, in Calw zum Thema Inklusion in Familie, Schule und Beruf.

In ihrem Vortrag sprach sie zunächst über die Feierlichkeiten in Stuttgart und Berlin zum 100-jährigen Bestehen der Waldorfpädagogik und ihre Anfänge. Das Jahr 1919 war eine Zeit der Revolution, der Krieg nicht lange vorbei und die Weimarer Verfassung noch nicht fest verankert. Zudem kostete damals in Europa die Spanische Grippe Millionen Menschen das Leben. Emil Molt und Rudolf Steiner hatten die Waldorfschule laut Blaeser "unter dem Eindruck dieser Nöte und Aufgaben" dieser Zeit gegründet. Demzufolge, so die Referentin, sei es 100 Jahre später wichtig, sich auch diese Fragen zu stellen – nämlich: "Was sind die Nöte und Aufgaben unserer Zeit und welche Antworten hat die Waldorfpädagogik darauf?" Blaeser nannte nun die Digitalisierung, die Inklusion und den Klimawandel als zentrale Herausforderungen.

Auf diese Weise schwenkte sie gekonnt in einen Vortrag über Toleranz und Menschlichkeit ein, ohne die oft bemühte Integration von Behinderten so direkt zu besprechen. Blaeser: "Terror ist eine Inklusionsfage, denn diejenigen, die andere terrorisieren, fühlen sich selbst ausgegrenzt." Es sei unmöglich, in diesen Tagen über Inklusion zu reden, ohne die jüngsten Ereignisse von Halle zu thematisieren.

Schule auf die Füße stellen

Waldorfpädagogik und Inklusion – diese Begriffe sind für Blaeser gleichbedeutend. So schrieb sie bereits in ihrer Vortragsankündigung: "Inklusion macht Lust darauf, die Schule vom Kopf auf die Füße zu stellen. Und das ist für eine menschenwürdige Zukunft dringend notwendig."Was also sind die Antworten, die sie als Waldorfpädagogin auf die genannten Herausforderungen gibt? Mit Geld und Know How alleine sei es nicht getan. Kinder, die im digitalen Zeitalter aufwachsen, würden sinnliche Erfahrungen brauchen. Dazu gehören Erlebnisse in der Natur, der Aufbau von echten Beziehungen. Außerdem gehe es darum, echte Kulturtechniken zu lernen, wie zum Beispiel Holz hacken, Feuer machen, mit Tieren umgehen oder Marmelade kochen.

Die Referentin lobte die Methodik der Waldorfschule bei Projektarbeit im Geschichtsunterricht. Schüler erarbeiten sich zum Beispiel Geschichtsthemen im Team integrativ selbst und präsentieren die Ergebnisse danach ihren Eltern. So hätten Schüler einer fünften Klasse Gegenstände aus der Zeit der Frühgeschichte der Menschheit hergestellt und danach eine Ausstellung daraus gemacht. Entscheidend sei dabei, dass sie eine Beziehung zum Erlernten hergestellt hätten.

Zugehörigkeit vermitteln

Auch die Klimaentwicklung sei nicht alleine durch wissenschaftliche Methoden lösbar, sagte Blaeser, denn diese seien selbst Teil des Problems. Vielmehr sei es wichtig – und das sei durchaus streitbar –, Mensch zu sein. "Ich glaube, es ist wichtig, Schülern ein Gefühl dafür zu geben, wer sie sind", betonte die Referentin. Als Lehrerin müsse sie deshalb ihren Schülern mit Erwartungshaltung begegnen, was nicht immer einfach sei, denn Schule ist Alltag. Als Lehrerin sei sie vorbereitet und darauf programmiert, Schüler zu unterrichten. "Waldorfpädagogik zielt darauf ab, Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln, ihnen einen Raum zum Miteinander zu geben, Beziehungen zu schaffen", verdeutlichte Blaeser.

In Deutschland gibt es derzeit 264 Waldorfschulen, weltweit sind es mehr als 1000. Die Freie Waldorfschule Calw besteht seit elf Jahren. Blaeser ist Gründerin und Dozentin der Werkstatt Inklusion, in der nebenberuflichen Weiterbildung zur Erweiterung der waldorfpädagogischen Methode sowie Mitarbeiterin im Projekt Entwicklungsimpulse durch inklusive Pädagogik beim Bund der Freien Waldorfschulen.