Markus Feldenkirchen begleitete Martin Schulz rund ein Jahr lang. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Lesung: Spiegel-Journalist Markus Feldenkirchen spricht über seine Reportage zu Martin Schulz’ Kampagne

Calw. Es war schon der zweite Anlauf für den Besuch von Markus Feldenkirchen, Spiegel-Journalist und Schriftsteller, in der Hesse-Stadt. Beim ersten war er aus einem guten Grund verhindert: Er empfing an diesem Abend den Nannen-Preis für herausragende journalistische Leistungen. Für einen Ausschnitt jenes Werkes, das er den Calwer Bürgern nun in der Volkshochschule (VHS) vorstellte. "Die Schulz-Story" heißt sein Buch. Vorausgegangen war die preisgekrönte Reportage "Mannomannomann", die einen Teil des Buches abbildet.

So noch nie gegeben

Feldenkirchen bekam die Möglichkeit, knapp ein Jahr lang – von März 2017 bis Februar 2018 – den Kanzlerkandidaten Martin Schulz (SPD) zu begleiten. Bei Besprechungen, Drehs von Werbevideos, der Vorbereitung zum TV-Duell mit Angela Merkel (CDU) und schließlich der Niederlegung des Parteivorsitzes. "Es war ein Projekt, das es so noch nie gegeben hat", sagt Feldenkirchen. "Schulz hat sich in einer so brisanten Phase nah und ungeschützt beobachten lassen." Und wollte vor der Veröffentlichung nicht einmal die fertige Reportage oder wenigstens seine Zitate noch einmal überprüfen.

Als Schulz seine Zustimmung zu dem Buchprojekt gab, kannte er Feldenkirchen bereits aus der Zeit, als er noch Europa-Politiker war. Damals hatte der Spiegel-Journalist Schulz regelmäßig in Brüssel oder Straßburg getroffen, um eine Reportage über ihn zu schreiben. "Die hat damals schon polarisiert, genauso wie die aktuelle Reportage und das Buch", erzählt der Autor. Nichtsdestotrotz fühlte Schulz sich von dem Journalisten fair behandelt und ließ ihn das auch wissen. Im Januar 2017 kam Feldenkirchen dann also erneut auf den damals frisch ernannten Kanzlerkandidaten zu, um ihm seine Idee für die Reportage zu unterbreiten. "Er war nicht ganz abgeneigt, wollte es aber noch mit seinem Team besprechen", erinnert sich Feldenkirchen.

Sicherlich habe er mit dem Gedanken gespielt, vermutet der Autor, dass es doch schön wäre, seinen Weg ins Kanzleramt dokumentiert zu wissen. Dass es so endet, habe Schulz ja nicht wissen können. Gerade deshalb rechne Feldenkirchen es ihm hoch an, dass er das Projekt nicht abgebrochen habe. "In dieser Sache war er konsequenter als bei vielen Wahlkampfthemen", sagt der 42-Jährige.

Was Feldenkirchen in diesem einen Jahr mit Martin Schulz erlebte, war ein beispielloser Fall des Scheiterns. Zwar "das spannendste Projekt, das ich je machen konnte", unterstreicht er. Aber auch eine nicht zu unterschätzende menschlichen Tragödie. "Es hat mich natürlich berührt. Aber das muss man als Journalist trennen." Manchmal habe er innerlich den Kopf geschüttelt und hätte wohl am liebsten eingegriffen, wenn das Team um Schulz zweifelhafte Entscheidungen traf. "Aber ich habe darauf geachtet, meine Rolle nicht zu verlieren. Und Schulz hat mich das auch machen lassen." 

Einblick in Politik

Bei seinem Besuch in Calw kann der Journalist jedoch klipp und klar seine Meinung sagen. Und das tut er dann auch, in der Diskussion mit den rund 20 Gästen in der VHS. Immer wieder stellen Zuhörer Fragen, was den Autor sehr zu freuen scheint. "Ein tolles und interessiertes Publikum", lobt er. Dieses wiederum freut sich über die Einblicke ins politische Geschäft. "Es war sehr interessant", meint Manfred Stehle, ein Zuhörer aus Althengstett.

Immer wieder wird deutlich, dass viele – gerade Bürger, die der SPD zugeneigt sind – nach Antworten suchen. Wie die Partei so scheitern konnte, was Schulz falsch gemacht hat. "Im Rückblick war es ein Kardinalfehler diese ›Würselen-Soße‹ über den ganzen Wahlkampf zu gießen", sagt Feldenkirchen auf die Frage, warum sich Schulz oftmals so klein machte; anstatt seiner Karriere im EU-Parlament lieber auf sein Bürgermeisteramt in Würselen verwies. Auch die Rolle der Medien sieht Feldenkirchen durchaus kritisch. Zwar wolle kein Chefredakteur eine Kampagne gegen irgendjemanden starten, jedoch schleiche sich schnell eine "Mehrheitsberichterstattung" ein. Ein Stempel, den man so schnell nicht mehr losbekommt.

Dies und beinahe unzählbar viele andere Faktoren haben schließlich dazu geführt, dass aus der Lichtfigur Schulz ein gebrochener Mann wurde. "Jetzt leuchtet nichts mehr", so die bittere Bilanz.