In Zeiten der Corona-Pandemie steigt auch die Gefahr häuslicher Gewalt. (Symbolfoto) Foto: Tiko – stock.adobe.com

Familiäre Konflikte spitzen sich in der aktuellen Notlage weiter zu. Fragen über Hilfsmöglichkeiten.

Calw - Die Corona-Pandemie stellt viele Familien, Paare und Kinder vor große Herausforderungen: Man verbringt deutlich mehr Zeit miteinander und kann sich nur schwer aus dem Weg gehen. "Dazu kommt ein veränderter Familienalltag, finanzielle Nöte und Existenzsorgen", so Tina Maisenbacher von der Katholischen Schwangerschaftsberatung Caritas Calw und Mitglied des Runden Tisches "Häusliche Gewalt Calw". "Wenn in den Familien bereits Konflikte vorhanden waren, könnten diese sich in der momentanen Situation zuspitzen." Experten erwarten eine Zunahme von Fällen häuslicher Gewalt in der Corona-Krise. Eine Mitarbeiterin des Frauenhauses im Landkreis Calw klärt auf, wo Betroffene Hilfe finden.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

Warum ist häusliche Gewalt in Zeiten der Corona-Krise besonders in den Blick zu nehmen?

Durch Ausgangsbeschränkungen und Arbeit im Homeoffice sind sehr viele Menschen plötzlich auf beengtem Raum zu Hause; viele davon sind in großer, existenzieller Sorge. Nöte und Isolation steigern den Stress zu Hause und führen häufig zu Aggressionen. Solche Entwicklungen wurden bereits aus China, Frankreich, Spanien und Italien berichtet, wo es während der Corona-Isolation dreimal so viele Fälle von häuslicher Gewalt gab. Auch in Deutschland gibt es erste Hinweise auf vermehrte häusliche Gewalt.

Was raten Sie betroffenen Frauen?

Auch wenn es in den Medien derzeit oft heißt, es gebe nicht genug Frauenhausplätze und auch wenn der Zugang zum Hilfesystem momentan erschwert sein kann, möchte ich betroffene Frauen ermutigen, sich an Beratungsstellen und Frauenhäuser zu wenden. Diese sind telefonisch oder per E-Mail erreichbar, können beraten und bei Bedarf auch einen Frauenhausplatz vermitteln. Viele Frauen- und Kinderschutzhäuser können mittlerweile Wohnmöglichkeiten außerhalb des Frauenhauses anbieten und nehmen Frauen und deren Kinder dort zu Quarantänebedingungen für zwei Wochen auf. Diese Unterbringungsmöglichkeiten sind ebenfalls anonym und sicher. Frauen und Kinder werden in dieser Zeit durch die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses betreut. Ist die Familie nach dieser Zeit symptomfrei, können Frau und Kinder ins Frauenhaus umziehen. So ist der Schutz vor Ansteckung sowohl für die neu aufgenommene Familie, als auch für die Frauen und Kinder, die bereits im Frauenhaus leben, gewährleistet.

Wie können Dritte unterstützen? Wie kann ich das einschätzen? Es kann ja auch einfach ein Streit sein.

In diesen Wochen ist die Zivilcourage von Personen aus dem direkten Wohnumfeld sehr wichtig, denn der Zugang zu Hilfsangeboten ist durch die geltenden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen für viele Betroffene schwieriger als sonst. Die wesentlichen Empfehlungen lauten: Aufmerksam sein; Nachfragen ob alles in Ordnung ist; Hilfe anbieten; die Konfliktsituation wenn möglich unterbrechen und die Polizei rufen.

An wen können sich "tatgeneigte" betroffene Männer und Frauen wenden, denen die Impulskontrolle schwer fällt?

Überregional gibt es beispielsweise die Geschäftsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt, die telefonisch und momentan auch über Videokonferenzen beraten. Auch die "euline – Hotline gegen Gewalt" berät Täter, aber auch Menschen, die befürchten Täter zu werden, telefonisch. Regional können sich Betroffene an den Bezirksverein für soziale Rechtspflege in Pforzheim wenden.