Regisseur und Autor Tristan Chytroschek Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Dokumentation des Regisseurs hat die Chance auf den bedeutendsten Fernsehpreis der USA

Von Alfred Verstl

Calw/Hamburg/New York. Es ist eine grausame Geschichte. Und das über Musik, die für viele Magie ist, von der sie sich verzaubern lassen, die Herz und Seele berührt. Musik als Waffe? Auch das gibt es! Man mag es kaum glauben: Mit Liedern aus der Kinderserie "Sesamstraße" wurden im US-Gefängnis in Guantámo Gefangene gefoltert.

"Musik als Waffe" heißt denn auch die ZDF/Arte-Dokumentation unter der Regie von Tristan Chytrochek. Der Film des gebürtigen Calwers ist für den "Emmy" nominiert, der bedeutendste Fernsehpreis der USA.

"Allein die Nominierung kommt einem Ritterschlag gleich", freut sich der Filmemacher. Als ihn die Redakteurin von ZDF/Arte anrief, glaubte er zunächst an einen Scherz. Glauben kann er es immer noch nicht, dass er am 19. November bei der Verleihung in New York über den roten Teppich schreiten wird. Und einen Frack muss er sich auch noch leihen.

Mit Calw fühlt sich der 44-Jährige, der in Heumaden und auf dem Wimberg aufgewachsen ist, noch immer verbunden: "Mir gefällt das idyllische Schwarzwaldstädtchen, in dem ich aufgewachsen bin. Hier finde ich Ruhe und Halt." Mindestens zwei Mal im Jahr kommt er nach Calw, besucht seine Mutter, die auf dem Wimberg wohnt und 40 Jahre Lehrerin an der Badstraßenschule war.

Chytroschek hat 1988 am Hermann Hesse-Gymnasium Abitur gemacht. Das Maschinenbau-Studium an der Fachhochschule (FH) Esslingen hat ihn nie interessiert, obwohl er den Abschluss geschafft hatte. Irgendwann schickte ihm die FH sein Diplom, das er nie abgeholt hat, nach Hause.

Durch das Studium wurde Chytroschek zum Globetrotter, absolvierte Auslandssemester in Großbritannien, Mexiko und Argentinien. Nach dem Abschluss war er monatelang mit dem Rucksack in den südamerikanischen Anden unterwegs.

Auf seinen Reisen reifte der Entschluss des gebürtigen Calwers, Journalist zu werden: "Ich wollte mehr über die Welt wissen und die Menschen, die sie bevölkern. Ich wollte gegen Intoleranz und Ignoranz kämpfen, Missstände aufzeigen und Menschen informieren."

Chytroschek begann 1995 an der University of Westminster in London Journalismus zu studieren. Nach dem Master-Abschluss landete er bei der BBC, "die erste Arbeit, die mich wirklich mit Haut und Haar packte". Dort blieb er vier Jahre, wechselte dann zu einer privaten Produktionsfirma, für die er in London und Los Angeles tätig war.

2004 kehrte Chytroschek nach Deutschland zurück, arbeitete als freier Autor und Regisseur für den WDR und stieg schließlich als Gesellschafter bei der Kölner Fernsehproduktionsfirma a&o ein. Er eröffnete ein Büro in Hamburg und stellt mit seinen beiden Kölner Mitgesellschaftern rund zehn Dokumentarfilme pro Jahr her. a&o arbeitet für ARD, ZDF und Arte sowie für viele Sender im Ausland wie ORF (Österreich), BBC, CBC (Kanada) oder PBS (USA). "Und wer weiß", so Chytroschek, "vielleicht machen wir ja mal einen Film über Calw."

Ob preußischer Marsch, afrikanischer Kriegstanz oder ohrenbetäubende Heavy-Metal-Musik – seit es Krieg gibt, wird er von Musik begleitet: Klänge und Rhythmen sollen Kämpfer in einen Blutrausch versetzen oder Gegner zermürben. Letzteres schafft sogar ein niedliches Kinderlied, wenn es in einer Endlosschleife und laut gespielt wird.

Als Christopher Cerf, Komponist von mehr als 200 Liedern für die Kindersendung "Sesamstraße", davon erfährt, ist er fassungslos. Gemeinsam mit Filmemacher Tristan Chytroschek will er erfahren, was Musik mit Gewalt, Folter und Tod zu tun hat. Daraus entsteht die Dokumentation "Musik als Waffe".

Cerf begegnet einem US-Soldaten, der in Guantánamo Gefangene bewacht und das Foltern durch Musik miterlebt hat. Er befragt einen Verhörspezialisten, der erklärt, wie der US-Geheimdienst CIA Musik als quälendes Werkzeug einsetzt. So soll durch tagelanges, ununterbrochenes Abspielen unerträglich lauter Musik der Willen von Gefangenen gebrochen werden. Cerf trifft einen traumatisierten ehemaligen Guantánamo-Häftling, der die psychologischen Qualen der Folter durch Musik eindringlich beschreibt.

Um zu verstehen, was Musik Schreckliches in einem Menschen auslösen kann, wagt der Komponist einen Selbstversuch.

Mit einem Sack über dem Kopf, allein in einer dunklen Zelle, setzt er sich den Klängen der Folterer aus.