Kommunales: Gemeinderat entscheidet sich mit knapper Mehrheit gegen Interessenvertretung für Kernstadt
Die Calwer Kernstadt wird erst mal keinen eigenen Beirat bekommen. Das beschloss der Gemeinderat mit äußerst knapper Mehrheit. Dabei sorgten neben diesem Ergebnis auch Probleme bei der Auszählung der Abstimmung bei einigen Räten für Ärger.
Calw. Jeder Stadtteil von Calw wird künftig eine eigene, legitime Interessenvertretung haben – außer der Kernstadt. Das steht seit der jüngsten Sitzung des Gemeinderates fest. Das Gremium hatte beschlossen, die Stadtteilbeiräte von Wimberg, Alzenberg und Heumaden zu sogenannten Bezirksbeiräten "umzuwandeln" – weil nur letztere in der baden-württembergischen Gemeindeordnung vorgesehen sind. Der Antrag der Neuen Liste Calw, eine solche Interessenvertretung auch für die Kernstadt zu schaffen – wo es bislang nichts dieser Art gibt – wurde dagegen abgelehnt. Stattdessen soll aber ein Arbeitskreis eingerichtet werden, der eine ähnliche Aufgabe erfüllen könnte.
Bevor diese Entscheidung getroffen wurde, hatte unter anderem Ralf Recklies (SPD) sich schockiert gezeigt, dass gerade Calw selbst kein eigenes beratendes Gremium haben solle. Würde eine solche Entscheidung beispielsweise in Stuttgart getroffen, würden die betroffenen Menschen dort auf die Barrikaden gehen, meinte er. "Und ich hoffe, dass die Calwer Bürger das auch machen", so Recklies.
In der Landeshauptstadt gibt es nicht nur in den Stadtteilen, sondern auch in den Bezirken Mitte, Süd, Nord, Ost und West der Kernstadt Bezirksbeiräte – wobei im kleinsten Bezirk Stuttgart Mitte mit mehr als 22 000 Einwohnern (Stand 2014, Datenkompass Stuttgart) beinahe so viele Menschen leben wie in Calws Kernstadt und den Stadtteilen zusammen (rund 24 000 Einwohner). Ein Vergleich also, der allein aufgrund dieser Tatsache als schwierig betrachtet werden dürfte.
Recklies führte ferner an, dass die Kernstadt ohne ein eigenes Gremium nicht angemessen gehört werden könne. Darüber hinaus stellte er in den Raum, wovor man eigentlich Angst habe. Denn auch wenn die Kernstadt eine eigene Vertretung bekomme, müsse der Gemeinderat den Empfehlungen eines solchen Gremiums schließlich nicht folgen.
Bernhard Stopper (Neue Liste Calw) monierte, dass die Kernstadt niemals gleichberechtigt mit den Stadtteilen werde, solange sie keinen eigenen Beirat bekomme.
Gerade zum Thema Gleichheit hatten Teile des Gemeinderats in der Vergangenheit jedoch immer wieder argumentiert, dass ein Gremium für die Kernstadt grundsätzlich anders aufgebaut werden müsse als die Vertretungen der Stadtteile – und somit auch immer anders bleiben würde. Der Grund: Da Calw im Unterschied zu Orten wie Heumaden, Stammheim oder Altburg eine Art Versorgungsauftrag in Sachen Handel, Schulen oder Gastronomie für die übrigen Stadtteile zu erfüllen habe, sollten, so das Argument, in einem Kernstadt-Beirat nicht nur, wie sonst üblich, nur Bürger vertreten sein, die auch tatsächlich in Calw leben, sondern beispielsweise auch Gewerbetreibende.
Das allein wollten aber weder Stopper noch Irmhild Mannsfeld (Neue Liste Calw) gelten lassen. Calw sei schließlich mehr als Lederstraße oder Marktplatz, es gebe auch Bereiche wie den Hirsauer Wiesenweg oder die Weidensteige, so Stopper. Mannsfeld fügte außerdem hinzu, dass Bezirksbeiräte zu einzelnen Fragen jederzeit Experten aus dem ganzen Stadtgebiet hinzuziehen könnten. "Es ist jetzt wirklich alles erfüllt, um einen Kernstadt-Beirat zu schaffen", unterstrich sie.
Werner Greule (Freie Wähler) hielt es dagegen zumindest vorerst für absolut ausreichend, einen Arbeitskreis zu schaffen, der diese Aufgaben übernehmen könne. Die Schaffung eines solchen Arbeitskreises hatte bereits der Verwaltungsausschuss vor knapp drei Wochen dem Gemeinderat einstimmig empfohlen.
Wie umstritten die Frage – Kernstadt-Beirat ja oder nein – tatsächlich ist, zeigte sich im Übrigen beim Endergebnis der Abstimmung: Während zwölf Räte sich für ein solches Gremium aussprachen, votierten 13 dagegen, einer enthielt sich.
Und auch die Abstimmung selbst geriet zum Kuriosum: Erst im vierten Anlauf gelang es Oberbürgermeister Ralf Eggert, das Ergebnis zu ermitteln; bei den ersten drei Versuchen fehlten jeweils zwei Stimmen. Hermann Seyfried (Neue Liste Calw) gibt in einer Stellungnahme seiner Fraktion auf Anfrage unserer Zeitung Eggert die Schuld an den missglückten Zählungen. Fakt ist aber auch: Nicht jeder Rat meldete sich bei jeder Abstimmung unmissverständlich mit deutlich erhobener Hand.
Seyfried kritisiert darüber hinaus, dass eines der Gremiumsmitglieder erst bei der letzten Runde gegen die Antragstellung votiert, sich zuvor aber enthalten habe. "Generell muss man sich hierzu fragen, warum ein Gemeinderat bei so einem wichtigem Tagesordnungspunkt keine Meinung hat und sich durch eine Enthaltung aus der Verantwortung zieht", erklärt Seyfried.
Grundsätzlich sei es jedoch erlaubt, sich auch bei mehrmaligen Abstimmungen über den selben Sachverhalt umzuentscheiden, erläutert Eggert auf Nachfrage. Zumindest so lange, bis das Verfahren der Abstimmung abgeschlossen sei – ähnlich wie es beispielsweise auch bei einer Bundestagswahl möglich sei, sein Votum auf dem Stimmzettel zu ändern, bis dieser abgegeben (und das Verfahren somit beendet) werde.
Am Rande bemerkt: Eine weitere Enthaltung hätte am Ergebnis nichts geändert. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag laut Gemeindeordnung als abgelehnt.
Doch auch das Ergebnis selbst lässt Seyfried unzufrieden zurück: Ein Unentschieden sei generell nicht gut, "da es keine klare Richtungsvorgabe gibt und die unterschiedlichen Ansichten nicht ausgeräumt werden konnten". Bei der Einrichtung des Arbeitskreises – den der Gemeinderat kurz darauf bei fünf Enthaltungen und sechs Gegenstimmen beschloss – würde dies vermutlich deutlich werden, meint er. Bei der Schaffung eines solchen Gremiums stünden nun die Befürworter in der Pflicht. Die Neue Liste Calw hatte den Antrag auf einen Arbeitskreis geschlossen abgelehnt.