Zunder gab es zum Thema Krankenhaus auch vom Podium. Foto: Verstl

Eigenes Konzept für Krankenhaus gefordert. STEP kommt nicht voran. Eggert und Riegger in der Kritik. Mit Kommentar.

Calw - Es hätten ein paar Besucher mehr sein können. Schon deshalb, weil sich nahezu drei Stunden lang bei der Bürgerinitiative "Unser Calw" eine angeregte Diskussion mit Gemeinderatskandidaten im Vorfeld der Kommunalwahlen entspann.

Gottfried Müller schlug bei der Begrüßung durchaus optimistische Töne an. Der Trend, so stellten neueste Studien fest, gehe wieder weg von den Ballungszentren. Da sieht Müller für Calw durchaus Chancen. Aber auch Frust und Ärger machten sich breit. Zum Beispiel, dass es mit der Bürgerbeteiligung und dem Stadtentwicklungskonzept (STEP) nicht vorankommt. Da kam die Rede natürlich auf das umstrittene ENCW-Gebäude an der Nagold. Da sei gar, so Irene Lebzelter-Drocur von "Unser Calw", ein Gemeinderatsbeschluss vom Aufsichtsrat des Energieversorgers gekippt worden.

Und natürlich ging es um das Krankenhaus. Auch wenn es primär kein städtisches Thema, sondern eines des Landkreises ist. Dennoch mahnt Müller ein eigenes Konzept an. Schon um die Attraktivität der Stadt zu erhalten müsse das Krankenhaus in seiner derzeitigen Form bleiben. Da habe Calw in der Vergangenheit geschlafen.

Die Bürgerinitiative Krankenhaus, so ihr Mitglied Eberhard Bantel, der eigens zu der Veranstaltung gekommen war, habe im Gespräch mit den Bürgern den Eindruck, dass sich der Kreistag von dem entfernt, was die Bevölkerung will. Zunder gab es auch vom Podium. Landrat Helmut Riegger vertrete nicht die Interessen der Bürger, so Adrian Hettwer (Gemeinsam für Calw). Hans Necker (Neues Liste Calw) ärgert sich noch heute darüber, dass Riegger, der Vorsitzender des Aufsichtsrats des Kreisklinikums Calw-Nagold ist, in einer Veranstaltung Mitte Dezember 2012 gesagt habe, er wisse nicht, woher die Defizite der Kliniken kommen.

Dieter Kömpf (Freie Wähler) und Peter Ayasse (CDU) wiesen darauf hin, dass Nagold im Kreistag stärker vertreten sei als Calw. Dadurch gerate die Kreisstadt bei Diskussionen um das Krankenhaus ins Hintertreffen. Es bleibe nur, "laut zu werden und die Bürgerinitiative zu unterstützen", so Ayasse.

Der im Rahmen des 3plus-Konzepts geplante Neubau in Calw stößt auf wenig Gegenliebe. Für Hettwer ist eine solche Klinik nicht mehr als ein Feldlazarett. Und in das bestehende Haus seien seit 2004 rund 60 Millionen Euro gesteckt worden, sagte Michael Hoch (SPD). Letztlich stellt sich für Hettwer die Frage, ob Calw beim Klinikverbund Südwest richtig aufgehoben ist. 

Kommentar: Der beteiligte Bürger

Bürgerbeteiligung ist für die Politiker eine ganz tolle Sache – vor der Wahl. Das jedenfalls ist der Eindruck der Initiative "Unser Calw". Deren Mitglied Irene Lebzelter-Drocur zitierte aus dem Wahlkampf-Flyer von Oberbürgermeister Ralf Eggert aus dem Jahr 2011: "Ich will die Calwer Bürgerinnen und Bürger in die Meinungsbildungsprozesse einbinden." 

Davon ist, so der Eindruck bei der Diskussionsveranstaltung von "Unser Calw" am Mittwochabend im Haus der Kirche, nicht viel geblieben. Insbesondere der Stadtentwicklungsprozess (STEP) stolpert vor sich hin. Keiner wusste so recht, was eigentlich aus dem Ausschuss aus Verwaltung und Gemeinderat geworden ist, der das ganze koordinieren soll. Und was konkret durch STEP umgesetzt wurde, da fiel Dieter Kömpf (Freie Wähler) und den anderen Kandidaten auf dem Podium außer der neuen Ortsmitte in Heumaden nicht allzu viel ein. Auch die Bürgergenossenschaft, die gegründet wurde, um die alte Musikschule zu erwerben, hatte kaum Unterstützung durch die Stadt und ist nicht zuletzt daran gescheitert.

So kann Bürgerbeteiligung schnell eine Alibifunktion bekommen. Das hat sich bei der Debatte um die Zukunft der Krankenhäuser gezeigt. Das eigens installierte Bürgerforum ließ am Ende frustrierte Mitglieder zurück. Die Bürgerinitiative Krankenhaus sieht darin einen Marketing-Gag. Unbequeme Fragen seien beiseite geschoben worden, eine Schlussabstimmung habe es nicht geben.

Landrat Helmut Riegger ist es nach seinen jüngsten Äußerung nur schwer abzukaufen, dass er es mit dem Bürgerforum jemals ernst gemeint hat. Wer im Vorfeld der Kommunalwahl die Kreistagskandidaten warnt, die Kliniken zum Thema zu machen, zeigt ein merkwürdiges Demokratieverständnis. Zudem müssen sich Mitglieder der Bürgerinitiative Krankenhaus – in deren vorderster Reihe Ärzte und Wirtschaftsexperten stehen – als so genannte oder selbst ernannte Experten abwatschen lassen. Ob Brandschutzkonzept oder Verwaltungskosten – Riegger mauert und schürt so das Misstrauen der Bürger. Das ist das Gegenteil von Beteiligung.

Jetzt sind wieder Wahlen. Alle Kandidaten für den Calwer Gemeinderat, die zur Diskussionsrunde von "Unser Calw" gekommen waren, sind natürlich für mehr Bürgerbeteiligung. Doch allein mit einem flammenden Appell, wie er von Hermann Seyfried (Neue Liste Calw) gehalten wurde, ist es nicht getan. Bürgerbeteiligung braucht eine glaubhafte Institutionalisierung. Ausschüsse wie bei STEP dürfen nicht auf dem Papier stehen, sondern müssen gelebt werden. Und zwar nicht nur durch Verwaltung und Gemeinderat, sondern durch Einbeziehung der Bürger, wie Rainer Hofmann (SPD) vorschlägt. Es gibt Städte wie Herrenberg, wo man sich ansehen kann, wie so etwas funktioniert.

Kömpf mag Recht haben, wenn er darauf hinweist, dass Bürgerbeteiligung zuweilen an Grenzen stößt. Die sind finanzieller Natur. Allerdings lässt sich mit Kreativität viel bewegen. Gerade auch mit engagierten Bürgern. Und Grenzen sollten nicht dazu da sein, um sich dahinter zu verstecken, sondern sie zu überwinden.

Die Einbindung muss früh erfolgen, nicht erst vor einer Gemeinderatsentscheidung. Die Bürger selbst müssen wachsam sein. Die Initiative Krankenhaus, die jetzt im Vorfeld der Kommunalwahl kräftig trommelt, hätte das besser vor der Kreistagsentscheidung zu den Kliniken im Dezember tun sollen. Christine Kaschützke, Vorsitzende des Stadtseniorenrats, bringt es auf den Punkt: "Einfach den Mund noch weiter aufreißen." Dann wird es vielleicht doch noch was mit dem beteiligten Bürger.