Gabriel Stängle sprach über das Schicksal der Juden im Kreis Calw. Foto: Kraushaar Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Stängle über Juden in der Nazizeit

Das Schicksal der Juden im Kreis Calw zwischen 1933 und 1945 – ein sensibles Thema, das Gabriel Stängle in seinem Vortrag im Rahmen der Ausstellung zum KZ Natzweiler im Landratsamt aufgegriffen hat. Und das zugleich betont sachlich und eindrücklich.

Calw. Knapp 70 Gäste hatten sich im Haus A im Calwer Landratsamt eingefunden, um im Rahmen der Ausstellung "Freiheit – so nah, so fern" über die Außenkommandos des Konzentrationslagers Natzweiler den Ausführungen von Gabriel Stängle über das Schicksal der Juden im Landkreis Calw in der Zeit von 1933 bis 1945 zu lauschen. Zugegebenermaßen ein äußerst schwieriges Thema, das Stängle zwar sehr eindrücklich, aber immer betont sachlich und faktisch mit zahlreichen Zitaten aus dem damaligen Zeitfenster unterlegt, anging.

"Seit dem 13. Jahrhundert wissen wir vom jüdischen Leben in der Region", griff Stängle weit in die Geschichte zurück.

Juden weichen auf ländliche Umgebung aus

In der Neuzeit, als in Tübingen um das Jahr 1470 alle Juden – wegen allzu hoher Zinsnahme – vertrieben wurden, seien die auf die ländliche Umgebung ausgewichen und "Judendörfer" wie Baisingen oder Rexingen entstanden. Erst im 18. Jahrhundert tauchen Juden wieder vermehrt in Aufzeichnungen auf. Vor allem als Viehhändler, Hoteliers, Ärzte und Apotheker und in den kaufmännischen Bereichen.

"Um 1930 kamen fünf bis zehn jüdische Personen auf einen Ort, viele davon seien aber auch durch Heirat zu einer anderen Religion gewechselt", ergaben die Recherchen von Gabriel Stängle die er in seinem 2017 erschienen Buch zusammengestellt hat. "Mit dem Machtwechsel 1933 veränderte sich die Situation, die 1935 erlassenen Nürnberger Gesetze gelten heute als Grundlage für die Zerstörung zahlreicher Existenzen", erklärte Stängle.

Erste Übergriffe gab es ab 1934, vier Jahre später mussten alle jüdischen Viehhändler ihren Handel einstellen. Nach der Pogromnacht hätten die meisten Juden den Raum Calw verlassen, stellte der Realschullehrer und Buchautor fest.

"Generationen-Maulkorb" an die Wand projiziert

Wiedergutmachungszahlungen, Arisierung von jüdischen Betrieben, Stellungsbefehle zur Zwangsarbeit und ab 1941 die Deportation in den Osten waren weitere Schwerpunkte seiner Ausführungen, bei denen er immer wieder auf sein mitgebrachtes Buch verwies.

Anhand der Schilderungen von Einzelschicksalen wie das der Calwer Wirtin Rosa Creuzberger oder dem Neuweiler Arzt Dr. Eugen Marx spannte er mehrfach den Bogen vom persönliche Leid bis zum Massenunrecht, das sich vom Berufsverbot über Enteignung, Zwangsarbeit und Verfolgung bis zur Vernichtung zusammenstellte.

In seinem Buch bringt Stängle die recherchierten Namen der Opfer in die Öffentlichkeit. Der Realschullehrer aus Nagold forderte die Zuhörer mit einem bildlich an die Wand projizierten "Generationen-Maulkorb" dazu auf, sich mit der Biografie in der eigenen Familie auseinanderzusetzen, und warnte vor einem zunehmenden Antisemitismus.

"Wie gehen wir alle damit um" – mit dieser Frage stieg Stängle in eine offene Diskussion ein, in der sehr schnell die unterschiedlichen Blickfelder und Ideologien aufeinander trafen.