Angela Merkel und Martin Schulz sind sich einig geworden. Auch in der Region stößt der Koalitionsvertrag größtenteils auf Zustimmung. Foto: Nietfeld Foto: Schwarzwälder Bote

Koalitionsverhandlungen: Lokalpolitiker und Wirtschaft zeigen sich in vielen Hinsichten zufrieden mit Ergebnissen

Kreis Calw. Lange hat Deutschland gewartet und seit Mittwoch kann endlich ein Ergebnis vorgezeigt werden: Nach 24 Stunden harter Verhandlungen haben sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag einigen können.

Es sei allerhöchste Zeit gewesen, dass Berlin eine gute Regierung bekomme, freut sich Landtagsabgeordneter und CDU-Vorsitzender im Landkreis Calw Thomas Blenke über die aktuellen Erfolge in Berlin. Nun komme es noch auf das Votum der SPD an. Dabei setze er auf die Vernunft der Sozialdemokraten, dass auch sie die Notwendigkeit einer stabilen Regierung erkennen. "Der Schwebezustand war ungut. Deutschland braucht eine stabile und gewählte Regierung", spricht sich Blenke aus.

Auch Hans-Joachim Fuchtel (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, geht es damit außerordentlich gut. Ein erheblicher Anteil des Finanzvolumes gehe runter in die Kommunen, erklärt er seine Freude. Dieser werde vor Ort ankommen und biete dadurch viel Raum für Gestaltungen. "Das brauchen wir im ländlichen Raum", betont Fuchtel. Ob er das Amt als Parlamentarischer Staatssekretär beibehält, wisse er bislang noch nicht. Der Prozess sei allerdings noch nicht abgeschlossen.

Viele Fragen angestoßen

Auch in Bereiche wie den Straßenbau sollen erhebliche Mittel fließen, das zumindest sei durchgesickert, wie Blenke bestätigt. Die vergangenen Jahrzehnte sei nicht viel in diese Richtung gelaufen, deshalb sei nun die Erwartungshaltung innerhalb der Partei groß. Insgesamt seien viele Fragen angestoßen worden, erzählt Fuchtel. Insbesondere die Herausforderungen der digitalen Welt von Arbeitsplätzen bis hin zur Verwaltung seien, so vermutet Blenke, wichtige Schwerpunkte gewesen.

Gerade diesen Punkt würde Saskia Esken, SPD-Bundestagsabgeordnete, gerne kritisch in seiner Umsetzung in der Bildung und Verwaltung begleiten, schreibt sie in einer Stellungnahme auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten.

"Wenige Positionen sind echte Kröten", sagt sie und verweist auf einen Punkt in der Flüchtlings-Frage. Die Verweildauer von Flüchtlingen in großen Erstaufnahmestellen betrage maximal 18 Monate. "Das ist Integrationsverweigerung", äußert sich Esken. Den Koalitionsvertrag bewerte sie hingegen "überwiegend positiv".

Nicht begeistert äußert sich Blenke allerdings gegenüber der Ressortverteilung. Dass die SPD gleich drei Schlüsselressorts – Außenamt, Finanzministerium und Arbeit und Soziales – übernehme, sei "ein ordentlicher Schluck aus der Pulle". Den Anspruch auf Arbeit und Soziales verstehe Blenke, doch angesichts der vergangenen Wahlergebnisse für die SPD verstehe er den Zuspruch für den "kleinen Koalitionspartner" nicht. "Ich muss es aber zur Kenntnis nehmen", gibt er zu. Er hoffe, dass der SPD dadurch die Entscheidung für die Regierung bei ihrer Abstimmung erleichtert werde.

Die SPD-Abgeordnete hingegen verstehe nicht, dass alle Positionen der Digitalpolitik an die Union gehen sollen. "Grundsätzliche Bedenken gegen die große Koalition kann ich nachvollziehen und nachempfinden", fügt sie hinzu.

"Wir erwarten wieder eine stabile Regierung", greift Blenke die Erwartungshaltung in der Partei auf, sie sei in greifbarer Nähe. Es brauche eine gewählte Kanzlerin und eine gewählte Regierung, betont er. Doch bis dahin habe der Entwurf noch eine entscheidende Hürde zu überwinden. "Die Wählerschaft hat uns hier eine sehr schwierige Aufgabe gegeben", sagt Fuchtel der hoffe, dass die SPD in kommenden Abstimmung eine "kluge Entscheidung" treffe. Seit dem Sonderparteitag am 21. Januar habe die SPD fast 25 000 neue Mitglieder gewonnen. Auch aus dem Wahlkreis Calw und Freudenstadt seien 50 Personen dabei, die nun zusätzlich mit abstimmen dürften.

Martin Keppler, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald, erklärt zur Einigung auf eine große Koalition in Berlin: "Die Wirtschaft der Region Nordschwarzwald zeigt sich erfreut über die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD angekündigten Investitionen in eine bessere Bildung, insbesondere in die lange vernachlässigten Berufsschulen." Der Koalitionsvertrag schreibe Bildung groß und verspreche Investitionen in Ganztagsbetreuung, Schulen, Berufsschulen und Hochschulen. Es sei richtig, dass sich Union und SPD intensiv mit den Herausforderungen der digitalen Welt beschäftigen, insbesondere mit dem flächendeckenden Ausbau von Gigabit-Breitbandnetzen.

Die regionale Wirtschaft sei aber enttäuscht wegen des Verzichts von Steuerentlastungen für hier tätige Unternehmen. Zukunftsfähige Ansätze im Hinblick auf die anstehenden globalen Veränderungen würden zu wenig Berücksichtigung finden. Ein Signal, den Wirtschaftsstandort Nordschwarzwald durch Investitionen in vielen Bereichen zu stärken, sei nicht erkennbar.