Viele Eltern müssen ihre Kinder betreuen, nebenbei Geld verdienen und weiterhin die Betreuungsgebühren bezahlen. (Symbolfoto) Foto: pixabay

Verein "Familienfreundliches Calw" verfasst Schreiben an Fraktionsvorsitzende und OB.

Calw - Seit die Kindergarten geschlossen sind, sehen sich viele Eltern einer Doppelbelastung gegenüber: Sie müssen ihre Kinder betreuen und "ganz nebenbei" noch Geld verdienen. Was sich derzeit in vielen Branchen ohnehin schwierig gestaltet. Deshalb fordert der Verein "Familienfreundliches Calw" nun die Aussetzung der Betreuungsgebühren.

"Ich wende mich im Namen der Familien Calws an Sie, um Ihnen die momentan herrschenden Sorgen und Nöte dieser vorzutragen", beginnt Markus Scherer, der Schriftführer des noch recht jungen Vereins "Familienfreundliches Calw" sein Schreiben. Es ist im Namen des Vorstands verfasst und richtet sich an Oberbürgermeister Florian Kling sowie die Fraktionsvorsitzenden des Calwer Gemeinderats. Das Anliegen des Vorstands: die Aussetzung der Kindergartengebühren, solange keine Betreuung gewährleistet ist. Vorerst wird das jedoch nicht passieren, macht Kling in einer Stellungnahme deutlich, die er in Absprache mit den Fraktionsvorsitzenden verfasst hat.

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Doch von vorne. Seit knapp eineinhalb Wochen sind Schulen und Kindertageseinrichtungen im Land dicht, "was zur Folge hat, dass die Familien ihre Kinder nun durchgängig selbst versorgen und betreuen müssen", führt Scherer in dem Schreiben aus. Im Gegensatz zu den Ferien müssten die Schulkinder nun lernen – wobei die Eltern unterstützen müssen. Eine Betreuung durch die Großeltern oder in größeren Gruppen "ist in der aktuellen Situation unmöglich, da es alle Maßnahmen (#flattenthecurve) der Bundes- und Landesregierung konterkarieren und die besonders gefährdeten Risikogruppen einer akuten Lebensgefahr aussetzen würde". Also müssen viele Eltern zunächst Urlaub und Überstunden abbauen, was aber nur für begrenzte Zeit möglich sei. "In der Folge werden deutliche Gehaltsreduzierungen auf die betroffenen Familien zukommen", ist Scherer überzeugt. "Sei es durch die Notwendigkeit auf unbezahlte Freistellung vom Arbeitgeber zurückzuführen, die Einführung von Kurzarbeit bei der Beschäftigungsstelle oder die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers infolge der wirtschaftlichen Ausfälle." Wie lange die Einschränkungen des alltäglichen Lebens gelten, sei darüber hinaus zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzusehen.

Echt familienfreundlich?

"Ich bitte Sie daher als Stadt Calw für die Zeit der Schließung der Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen die Betreuungsgebühren auszusetzen." Nicht, so heißt es in dem Schreiben, weil man damit auf die Nichterfüllung der Leistung pochen will, sondern weil die Familien die Betreuungsleistung der Stadt übernehmen und damit dafür sorgen, "dass die Neuinfektionsrate so gering wie möglich bleibt." Die Leistung der Familie werden hierbei nicht wirklich honoriert, ist dort weiter zu lesen. "Auch sie brauchen ein Hilfspaket um die nächsten Monate die Versorgung der Familie sicherstellen zu können." Andere Gemeinden, wie zum Beispiel Renningen, hätten dies bereits umgesetzt.

Weiter argumentiert Scherer im Namen des Vorstands, dass die Kinderbetreuungskosten keine freiwilligen seien, wie beispielsweise Vereinsmitgliedschaften. "Die Kinderbetreuung ermöglicht vielen Familien überhaupt erst, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften." Jetzt hätten eben diese Familien existenzielle Ängste und auch die reelle Gefahr, dass ihr Einkommen in der nahen Zukunft nicht mehr ausreiche, um den notwendigsten Bedarf zu decken. "Da es unrealistisch ist jetzt im Gießkannenprinzip Gelder an die Familien auszuzahlen, sollten doch zumindest die Betreuungskosten denen zugutekommen, welche gerade die Betreuung abdecken", finden die Autoren des Schreibens.

Es handle sich bei den Familien um viele Betroffene – ebenso, wie wenn viele Betriebe insolvent gehen würden – denen man nach Meinung des Vereins auch helfen würde. "Nur werden die Interessen der Familien nicht vom Gewerbeverein vertreten, noch sind sie in großer Anzahl im Gemeinderat vertreten. Wir als Verein sind daher die Stimme, die für sie mit Ihnen spricht", richten sie sich direkt an Kling und die Fraktionsvorsitzenden. "Es ist jetzt mehr denn je wichtig den Familien der Stadt zu zeigen, dass man wirklich familienfreundlich ist und es nicht nur behauptet."

Grund für die Absage

Drei Tage später folgt das Antwortschreiben aus dem Rathaus. Es ist eine gemeinsame Stellungnahme der Fraktionsvorsitzenden und Klings, deren Tenor in einer Notsitzung besprochen wurde, wie es heißt. "Die Stadtverwaltung und der Gemeinderat der Stadt Calw nehmen die Sorgen und Fragen der Eltern sehr ernst", steht in dem vom OB unterzeichneten Schreiben. "Wir möchten Sie um Verständnis bitten, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine sofortige Aussetzung der Kindergartengebühren umsetzen können", folgt wenige Absätze später das große "Aber".

Ein Grund für die Absage sei eine Regelung in der Gebührensatzung. Diese besagt, dass "die Betreuungsgebühren erhoben werden, gleichgültig, ob die angemeldeten Kinder im Erhebungszeitraum (Kalendermonat) die Einrichtung tatsächlich besuchen oder nicht. Da die Gebühr eine Beteiligung der Eltern an den gesamten Betriebskosten darstellt, ist die Gebühr auch für die Ferienzeit und bei behördlicher Schließung von weniger als einem Monat zu bezahlen", zitiert Kling. Im März, also dem Erhebungszeitraum lag die Schließzeit bei weniger als einem Monat. "Allerdings wird bei der Gemeinderatssitzung natürlich die Gesamtschließzeit berücksichtigt werden", kündigt der OB an. Zum anderen habe die Landesregierung bislang noch keine weiteren Regelungen in die Wege geleitet. Zu dem Beispiel der Kommunen, die schon jetzt von selbst die Gebühren erlassen haben, heißt es in dem Schreiben: Dort "besteht die Gefahr, dass ihr Handeln ohne Rechtsgrundlage am Ende nicht den Landesregelungen entspricht oder Kosten nicht erstattet werden.

In der Stellungnahme wird darauf verwiesen, dass eventuelle Lohnkürzungen erst Ende April Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit der meisten Familien haben würden. "Damit besteht jetzt kein sofortiger Handlungsdruck und der Gemeinderat kann im April zu diesem Thema beraten und auch demokratische Beschlüsse fassen. Das möchten und werden wir tun", bekräftigt der OB. "Bis dahin ist hoffentlich auch klarer, wie die Landesregierung mit den Schließungen umgehen wird."

Der gesamte Schriftwechsel ist auf der Homepage des Vereins "Familienfreundliches Calw" zu finden.