Zur Gemeinderatssitzung kamen etliche Eltern, um Flagge gegen eine Erhöhung der Betreuungsgebühren zu zeigen. Foto: Klormann Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Zukunft der Gebühren bleibt weiter offen / Etliche Besucher der Sitzung stellen sich gegen eine Erhöhung

Calw - Erneut ist keine Entscheidung über die Zukunft der Betreuungsgebühren gefallen: Der Calwer Gemeinderat hat das Thema vertagt, nachdem in den vergangenen Tagen gleich drei Anträge auf Anpassungen des (erst im Dezember erarbeiteten) Systems eingegangen waren. Diskutiert wurde dennoch – immerhin waren etliche Eltern gekommen, um ihrem Ärger Luft zu machen.

Viele Zuhörer bei Gemeinderats- oder Ausschusssitzungen sind eher die Ausnahme als die Regel – auch in Calw. Der Donnerstagabend war eine dieser Ausnahme: Dicht an dicht drängten sich im Hirsauer Kursaal die Gäste; Mitarbeiter der Stadtverwaltung mussten zusätzliche Stühle herbeischaffen, um dem Andrang gerecht zu werden. Letzterer kam nicht von ungefähr: Ein weiteres Mal stand die Erhöhung der Kinderbetreuungsgebühren auf der Tagesordnung – ein Thema, das seit Juli vergangenen Jahres immer und immer wieder in den Calwer Gremien diskutiert und dann aufgeschoben wird. Und für eine geladene Stimmung im Kursaal sorgte. Eins gleich vorweg: Auch diesmal gab es keine Entscheidung.

Obwohl das Thema eigentlich erst als Nummer sieben der Tagesordnung gelistet war, stellte Dieter Kömpf (Freie Wähler) gleich zu Beginn – um die vielen anwesenden Eltern nicht unnötig warten zu lassen – den Antrag, das Thema zu vertagen.

Hintergrund seines Antrags waren wiederum andere Anträge, insgesamt drei an der Zahl, die in den vergangenen Tagen von den Freien Wählern, der CDU und der Fraktion Gemeinsam für Calw eingereicht worden waren – und die jeweils andere Gebühren forderten, wie jene, die der Kultur-, Schul- und Sportausschuss nach einer Klausurtagung im Dezember empfohlen hatte.

Da nun dermaßen viele Vorschläge vorliegen würden, dürfe die Entscheidung nicht übers Knie gebrochen, sondern sollte nochmals in Ruhe diskutiert werden. Eines gab Kömpf aber grundsätzlich zu bedenken: "Egal was wir machen, irgendjemand muss es am Ende des Tages bezahlen." Prompt schallte der Ruf "Das ist Polemik!" aus dem Publikum. Kömpf ließ sich davon nicht beirren. Es gebe für die Stadt eben nur begrenzte Einnahmemöglichkeiten; beispielsweise über die Grund- oder Gewerbesteuer. Auch hier müsse die Stadt mehr verlangen als in den meisten anderen Kommunen der Umgebung, um Ausgaben decken und Pflichtaufgaben erledigen zu können. Würde man die Betreuungsgebühren senken, treffe es möglicherweise die Grundbesitzer oder Gewerbetreibenden. "Viel mehr Einnahmemöglichkeiten haben wir eigentlich nicht", so Kömpf.

Eltern miteinbeziehen

Auch er wünsche sich natürlich dennoch eine komplette Befreiung von Betreuungsgebühren. Dies müsse dann aber von Land oder Bund und nicht von den Kommunen finanziert werden. Insgesamt sei es unheimlich schwierig für eine Stadt, alle Aufgaben und Pflichten zu erfüllen und zwischen den unterschiedlichen Interessen abzuwägen.

Hermann Seyfried (Neue Liste Calw) erklärte, seine Fraktion werde eine Vertagung mittragen – sofern bei einer weiteren Diskussion um die Gebühren auch betroffene Eltern und Erzieher miteinbezogen würden, wie es bereits vor einem halben Jahr angedacht gewesen sei. Und "erst, wenn die Bürger gehört werden, die heute da sind", ergänzte er.

Sebastian Nothacker (CDU) plädierte dafür, zumindest in Grundzügen eine Debatte zu führen. Sich "ohne Diskussion wegzudecken" halte er für falsch, nun, da so viele Eltern gekommen seien. Darüber hinaus kritisierte er Oberbürgermeister Ralf Eggert scharf für die Aussage, den Fraktionen seien die wirtschaftlichen, personellen und strukturellen Konsequenzen völlig egal, die mit einer Absenkung der Gebühren einhergehen könnten. Eggert hatte dies im Gespräch mit unserer Zeitung geäußert. Nothacker bezeichnete die Äußerung als "Unverschämtheit", die suggeriere, dass das Gremium sich keine Gedanken mache.

Vernünftiger Kompromiss

Der OB konterte, das er es durchaus als Aufgabe der Verwaltungsspitze betrachte, das Gremium darauf aufmerksam zu machen, dass es eben mehr als nur eine Aufgabe gebe – wenn der Gemeinderat sich nach Monaten auf eine Gebührenordnung einige und es sich fünf Wochen später anders überlege. Wenn man eine Stadt führe, müsse man sich bei Entscheidung bewusst sein, "welche Konsequenzen daraus erwachsen", so Eggert. Für eben solche Konsequenzen mögliche Lösungen zu finden, sah Nothacker wiederum als Aufgabe der Verwaltung an.

Evelin Menges (SPD) zeigte sich unterdessen optimistisch, dass sich ein vernünftiger Kompromiss finden lasse. Die verschiedenen Vorschläge seien auch gar nicht so weit auseinander. "Jede Fraktion hat etwas, wo man sagt: ja, passt", meinte sie. Zudem warb sie aber auch für das derzeit laufende und von ihrer Partei initiierte Volksbegehren für kostenfreie Kitas. Dies sei ein "tolles Ziel".

Bei fünf Gegenstimmen wurde die Entscheidung über die Betreuungsgebühren schließlich vertagt.

Im Gespräch mit den Eltern

Mal eher sachlich, mal mehr emotional aufgeladen meldeten sich bei der Gemeinderatssitzung in Hirsau auch etliche Eltern zum Thema Betreuungsgebühren zu Wort. Der Tenor war klar: Man wolle eine weitere Erhöhung verhindern, da die Gebühren bereits jetzt weit über den Kosten in anderen Kommunen liegen – und "nicht mehr hinnehmbar" seien, so eine Zuhörerin.

Darüber hinaus wurde der Ausfall von Betreuungsstunden kritisiert. In dieser Hinsicht, so OB Ralf Eggert, habe man rund 210 000 Euro zusätzlich für Krankheitsvertretungen im Haushalt eingeplant und zusätzliche Stellen geschaffen. Dies solle zumindest jenem Problem entgegenwirken.

Eggert räumte auch ein, dass gerade im Ganztagesbereich die Gebühren für Eltern mit hohem Einkommen zu hoch geplant worden seien, hier gelte es nachzubessern.

Eine andere Zuhörerin fragte, warum es überhaupt eine Sozialstaffelung geben müsse; eigentlich könnten doch auch alle, egal, wie hoch das Einkommen ausfalle, gleich viel Gebühren bezahlen.

Wieder ein anderer der Anwesenden forderte flexiblere Betreuungszeiten, die laut Eggert in einer so kleinen Stadt wie Calw kaum möglich anzubieten seien.

Für besonderen Ärger sorgte jedoch die früher getätigte Aussage des OBs, die Gebühren sollten einen "steuernden Effekt" haben. Mit anderen Worten: Zum Teil solle die Betreuung so teuer sein, dass viele sich eine Ganztagesbetreuung gar nicht leisten können. "Sie nutzen schamlos eine Gesetzeslücke aus", warf ihm ein Zuhörer vor. Eggert umgehe damit die Verpflichtung der Kommunen, entsprechend der Nachfrage Betreuungsplätze bereit stellen zu müssen. Der OB räumte ein, dass es bei der Ganztagesprobleme Schwierigkeiten gebe. "Wir kommen mit dem Bau solcher Kindergärten nicht hinterher", erklärte Eggert. Calw könne es aber auch nicht leisten, jedem einen Ganztages-Betreuungsplatz zu günstigen Konditionen anzubieten. "Das schaffen wir nicht", gab er zu.

Versöhnlicher bat dagegen eine Mutter um bezahlbare Gebühren. Die Sozialstaffelung sei in Ordnung und auch, dass es keine flexiblen Zeiten gebe. Man sei zudem bereit, Geld in die Hand zu nehmen. "Aber bitte in Maßen und bitte mit Weitblick", plädierte sie.

Eine Brücke zu den Eltern schlug schließlich Oliver Höfle (Gemeinsam für Calw), der die Probleme als Vater selbst kennt. Als Gemeinderat habe er etwas gegen die hohen Gebühren unternehmen wollen, habe aber festgestellt, dass dies eben nicht so einfach sei. "Sie können sich aber sicher sein, dass wir uns der Sache intensiv annehmen", versprach er. Auch, wenn es wohl nicht in allen Fällen Senkungen geben werde.

Leitartikel: Das Wohl aller nicht vergessen

Nur selten ist die Stimmung so aufgeheizt, wie sie es bei der Gemeinderatssitzung im Hirsauer Kursaal war. Kein Wunder – immerhin stand die Erhöhung der Kinderbetreuungsgebühren auf der Agenda. Und etliche Eltern waren vor Ort, um ihre Sicht der Dinge vorzutragen. Eine explosive Mischung. Auch, wenn von Beginn an nahe lag, dass die endgültige Diskussion erneut verschoben wird.

Vorab: Es ist natürlich begrüßenswert, wenn Bürger ihre Rechte wahrnehmen und für ihre Belange eintreten. Vor allem, wenn es sich um berechtigte Interessen handelt, die viele Menschen betreffen. Und in Sachen Kinderbetreuung steht dies ohne Frage fest.

Was bei allem Verständnis für die Eltern aber nicht vergessen werden darf: Viele andere Menschen und Interessengruppen haben ebenfalls berechtigte Interessen. Es gibt Senioren, Kinder, Angestellte, Selbstständige, Alleinstehende, Paare, Eltern, Kinderlose, Arme, Reiche, Singles und Familien, um nur einige Gruppen zu nennen. Allen stets gerecht zu werden, ist ein schwieriges, wenn nicht viel eher unmögliches Unterfangen.

Insofern sei an dieser Stelle zunächst Gemeinderat und Stadtverwaltung Respekt gezollt. Sie sind permanent mit der Herausforderung konfrontiert, einen Spagat zwischen allen Interessen zu schaffen. Und das (im Fall der Räte), im Gegensatz zu den hoch bezahlten Politiker-Kollegen in Stuttgart, Berlin oder Brüssel, ehrenamtlich – abgesehen von geringen Aufwandsentschädigungen.

Es ist leicht, finanzielle Erleichterungen für einzelne Belange zu fordern. Kompliziert wird es, wenn das große Ganze ins Spiel kommt. Um das Bestmögliche für die größte Anzahl an Menschen zu erreichen. Denn auch beispielsweise Grund- oder Gewerbesteuer – die alle Grundbesitzer und/oder Gewerbetreibenden in der Stadt betrifft – sind so hoch angesetzt wie in kaum einer anderen Gemeinde. Weil Calw einerseits einen riesigen Schuldenberg und geringe Einnahmen berücksichtigen muss, andererseits aber vielfältige Pflichtaufgaben zu erfüllen hat. Darunter fällt selbstverständlich auch die Kinderbetreuung, für die die Stadt im Übrigen bereits jetzt rund 80 Prozent der Kosten schultert.

Einer der Zuhörer und Sprecher aus den Reihen der Eltern verlangte an diesem Abend, alle Zahlen zu bekommen, um Transparenz zu gewährleisten – was die Verwaltung auch zusagte. Schließlich, so der Sprecher, gebe es unter den Eltern Mathematiker und Physiker. Mehr oder weniger direkt schwang der Vorwurf mit, die Verwaltung könne nicht rechnen. Sollte sich nun jemand finden, der tatsächlich besser rechnet – ohne andere Gruppen gravierend zu benachteiligen – wären wohl alle zufrieden. Ob das gelingen kann, bleibt vorerst offen.

Klar ist auf jeden Fall: Die Kommunalwahlen, unter anderem für den Gemeinderat, stehen vor der Tür. Sollte jemand eine Patentlösung liefern können, wäre es erfreulich, wenn dieser Jemand sich für den Gemeinderat bewerben würde. Doch auch jeder andere, der dazu beitragen will, das Leben aller in Calw zu bereichern oder erleichtern, dürfte im Rat willkommen sein. Ob es wirklich dazu kommt, ist fraglich. Geht es nicht um eigene Belange, flacht das Interesse an Kommunalpolitik meist schnell ab. Was bei den meisten Sitzungen der Gremien nicht zuletzt die gähnende Leere im Zuschauerraum beweist.