Vor der 5. Schwurgerichtskammer am Landgericht Tübingen hat der Prozess um eine Messerstecherei im Asylbewohnerheim in der Hengstetter Steige begonnen. Foto: Stocker

Prozess um versuchten Totschlag im Asylbewohnerheim in Calw vor dem Landgericht Tübingen. Kontrahenten beschuldigen sich gegenseitig.

Calw/Tübingen - Anfang Mai kam es im Asylbewohnerheim in der Hengstetter Steige zu einer handfesten Auseinandersetzung, bei der mindestens ein Messer im Spiel war. Jetzt begann vor der 5. Schwurgerichtskammer am Landgericht Tübingen der Prozess gegen einen 34-jährigen Algerier.

"Sie haben den Tod des Geschädigten in Kauf genommen und ein zweites Mal zugestochen", hielt Staatsanwältin Edith Zug dem Angeklagten vor. Im Aufenthalts- und Küchenbereich der Unterkunft sei es am späten Abend zum Streit gekommen, in dessen Verlauf der Angeklagte ein Messer gezogen habe. Eine Notoperation habe dem in Lebensgefahr schwebenden Landsmann das Leben gerettet.

"Ein zweiter Stich ist mir nicht bewusst", erwiderte der beschuldigte Keramik-Gestalter. Die Eskalation sei der Höhepunkt verschiedener Konfrontationen gewesen. "Immer wieder fehlte Kleidung von mir, und ich habe ihn beobachtet, wie er versuchte, Geld aus meinem Geheimfach in der Hose zu entwenden", berichtete er.

An jenem Abend habe der Geschädigte wieder versucht, ihn zu provozieren. "Ich habe ihn festgehalten, und er schlug mir mit einem Aschenbecher ins Gesicht", erzählte er von einem Angriff, in dessen Zuge der Kontrahent sich ein Messer vom Tisch genommen haben soll. Er habe dann ebenfalls eines aus der Schublade genommen. "Mit zwei Hieben hat er versucht, mich im Gesicht zu verletzen, dann habe ich selber zugestochen", beschrieb der Angeklagte den Ablauf aus einer Sicht. Nach einigem Hin und Her seien beide zu Boden gegangen. Dort habe er den Angreifer festgehalten, bis Mitbewohner dazukamen. Noch bevor diese den anderen ins Krankenhaus brachten, habe dieser noch versucht, in sein Zimmer einzudringen, in das er sich zurückgezogen hatte. "Um die ganze Situation zu entschärfen, habe ich dann meine Schuhe angezogen und bin in die Wohnung meiner Freundin gefahren", sagte der Beschuldigte. Von einer Flucht vor der Polizei wollte er nichts wissen.

"Wir haben uns von Anfang an nicht verstanden", führte indes der Geschädigte in seiner Vernehmung aus. Dessen Verhalten sei besonders schlimm und aggressiv gewesen, wenn er getrunken habe. Bei den Befragungen durch Richter Christopher Sandberger wurde deutlich, dass beide Kontrahenten nicht wenig Alkohol konsumieren. "Er beschimpft alle und hat einen Hass auf jeden", untermauerte der Betroffene. Der Angeklagte habe bei jedem Disput ein Messer in der Hand und bedrohe sein Umfeld.

"Nachdem er wieder üble Worte in Bezug auf meine Mutter geäußert hat, bin ich auf ihn losgegangen, da hatte er schon ein Messer in der Hand", erzählte der Geschädigte. Von seinem Kontrahenten sei sogar noch ein zweites Messer gezückt worden. "Er hat mich am Rücken getroffen und ich bin gefallen, als ich mich umdrehte", beschrieb er seinerseits die Situation. Dann sei der Beschuldigte auf ihm gekniet. Außerdem habe er die Mitbewohner mit dem Messer verjagt.

In den weiteren Verhandlungstagen – insgesamt sind sieben angesetzt – werden nun Polizisten und Ärzte sowie Mitbewohner angehört.