Andre Baumann (Grüne), Umweltstaatssekretär: "Wir fördern und fordern 90-Zentimeter-Zäune." Foto: Mutschler

Umweltstaatssekretär Andre Baumann: Für Lerneffekt muss "Wolf eine gebrezelt bekommen".

Calw/Bad Wildbad - "Wenn wir die Kulturlandschaft erhalten wollen, brauchen wir die Schäfer", sagte Umweltstaatssekretär Andre Baumann (Grüne) beim Besuch unserer Redaktion in Calw. Der Wolf, Grund seines Besuches, stellt die Schäfer und Landwirte jetzt vor große Herausforderungen.

Nach der Wolfsattacke bei Bad Wildbad mit insgesamt 44 getöteten Schafen ist es ihm ein Anliegen, die Schäfer zu unterstützen. Er weist darauf hin, dass die Mittel für den Naturschutz deutlich angestiegen seien – von 30 Millionen im Jahr 2011 in der aktuellen Legislaturperiode auf 90 Millionen Euro. Dazu kämen noch einmal 36 Millionen Euro zur Stärkung der biologischen Vielfalt. "Und davon fließt ganz viel in Richtung Schäferei, um die Kulturlandschaft zu erhalten", sagt der Staatssekretär.

Vor acht Jahren habe der Stundenlohn von Schäfern bei 4,85 Euro betragen. Über 6,20 steige der Stundenlohn nun in den Mindestlohnbereich. "Das ist noch immer zu wenig, aber halleluja, im Mindestlohn", frohlockt Baumann.

Und dann kommt auch noch der Wolf dazu. In den kommenden Tagen soll die "Förderkulisse Wolfsprävention" ausgewiesen werden. Das Gebiet wird dabei festgelegt, indem zwischen den Rissstellen des Wolfes "GW852m" der Mittelpunkt gesucht wird. Im Radius von 30 Kilometern um diesen Mittelpunkt wird die Förderkulisse, sprich ein Wolfsgebiet, bestimmt. Wenn in diesem Gebiet Teile der Gemarkungsflächen einer Gemeinde liegen, werde aber die gesamte Fläche in die Kulisse mit aufgenommen, erklärt Frank Lorho, stellvertretender Pressesprecher des Umweltministeriums. Somit könne die wirkliche Fläche deutlich größer sein.

Das bedeutet, dass die Schaf- und Ziegenhalter bessere Schutzmaßnahmen ergreifen müssen, damit sie bei einer Attacke entschädigt werden können. Wenn die Förderkulisse in Kraft tritt, gilt eine Übergangsfrist von sechs Monaten, in denen die Weidetierhalter noch nach den alten Kriterien entschädigt werden. "Wir fördern und fordern 90-Zentimeter-Zäune", betont Baumann, der darauf hinweist, dass andere Bundesländer deutlich höhere Zäune verlangen würden.

Aber in Baden-Württemberg brauche man einen praktikablen Herdenschutz, um solche Situationen wie bei Bad Wildbad "so gut wie möglich zu vermeiden". Ganz wichtig sei dabei die Elektrifizierung der Zäune. "Der Wolf muss eine gebrezelt bekommen", damit ein Lerneffekt einsetze. "Der Wolf soll nicht lernen, die ›weißen Rehe‹ zu reißen", sagt der Staatssekretär.

Wichtig sei dabei, dass die Zäune eine gute Erdung hätten. Denn oft sei es durch in die Elektrozäune wachsendes Gras so, dass Strom in die Erde abgeleitet würde und deshalb zu wenig Strom auf den Litzen sei. Eine gute Erdung sorge dafür, dass der Strom wieder in die Zäune zurückfließe und so den Wolf wirkungsvoll abhalte.

Viele Schäfer hätten mit Herdenschutzhunden gute Erfahrungen gemacht. Deshalb soll nun auch "positiv geprüft" werden, nicht die Anschaffung, aber den Unterhalt der Hunde zu fördern. "Wir möchten das auch machen", kündigt Baumann an.

Eine weitere Möglichkeit sei es, gerade in schwierigem Gelände wie bei dem Wolfsangriff bei Bad Wildbad, dass ein Schäfer zumindest tagsüber permanent bei der Herde sei. Dies werde mit höheren Sätzen gefördert, sagt Baumann. Auch mit dem Bad Wildbader Schäfer Gernot Fröschle werde derzeit darüber gesprochen, ob dies eine Möglichkeit für ihn sein könne, auch die Flächen zu beweiden, auf denen es schwierig sei, die Zäune aufzustellen. Denn man brauche gerade in den steilen Lagen, die "naturschutzfachlich hochwertige Flächen" seien, die Schäferei.

Baumann stellt im Gespräch mit unserer Zeitung klar, dass die Region im Nordschwarzwald auch ohne die Attacke in Bad Wildbad als Förderkulisse Wolfsprävention ausgewiesen worden wäre. "Wir hätten auf jeden Fall gehandelt", sagt er. Und fügt an: "Wir fördern in einem Umfang wie kein anderes Bundesland."

Baden-Württemberg baut ein Jäger-Team auf

Und wenn der Wolf trotz aller Schutzmaßnahmen in eine eingezäunte Weide eindringt? "Wenn er das ein zweites Mal macht, wird er entnommen." Sprich geschossen. Zusammen mit Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen baue Baden-Württemberg ein gemeinsames Entnahme-Team aus professionellen Jägern auf, die die Tötungen vornehmen würden, wenn es notwendig sei.

Dennoch müssten die Menschen keine Angst vor dem Wolf haben. Seit etwa 20 Jahren gebe es Wölfe in Deutschland und es habe – auch europaweit – noch keine Zwischenfälle von Wolf und Mensch gegeben. Wichtig sei es, Wölfe nicht anzufüttern. Sollte sich mal ein neugieriger junger Wolf nähern, könne man laut rufen oder einen Ast hochheben, aber auf keinen Fall solle man weglaufen. Ansonsten gelte: "Wölfe sind an Menschen nicht interessiert."

Johannes Enssle, Vorsitzender des Nabu-Landesverbandes Baden-Württemberg, versichert in einem Statement: "Wölfe sind keine Bestien. Und sie sind keine Kuscheltiere. Ganz sicher sind die Tiere für uns im Südwesten gewöhnungsbedürftig. Es muss darum gehen, tragfähige Lösungen für ein konfliktarmes Nebeneinander von Weidetierhaltung und Wolf zu finden. Wir sind gefordert, unsere Weidetierhalter dabei zu unterstützen – mehr als bisher. Ich sage nicht, dass das ein Spaziergang wird, aber ich glaube, dass es möglich ist."