Cornelia Ziegler (links), die Tochter von Richard Ziegler, und Kuratorin Ute Lilly Mohnberg betrachten ein Selbstportrait von Richard Ziegler. Foto: Helbig Foto: Schwarzwälder Bote

Kunst: Im Hermann-Hesse-Museum eröffnet Ausstellung der Künstler Rudolf Schlichter, Kurt Weinhold sowie Richard Ziegler

"Veronika, der Lenz ist da" tönten die Stuttgarter Harmonists ganz im Stile der "goldenen Zwanziger" bei der Eröffnung der Ausstellung "Durch den Filter der Seele" im Hermann-Hesse-Museum. Einer Ausstellung der Künstler Rudolf Schlichter, Kurt Weinhold und Richard Ziegler.

Calw. Vor vielen Gästen bezeichnete Oberbürgermeister Ralf Eggert die Ausstellung als einen kulturellen Höhepunkt. Die Schau zeige erstmals Leben und Werk aller drei Calwer Künstler an ihrem einstigen Wirkungsort und suche nach biografischen, künstlerischen und soziokulturellen Gemeinsamkeiten unter ihnen. Dabei biete sie spannende und authentische Einblicke in das Leben einer schwäbischen Kleinstadt, sagte Eggert. Alle drei Künstler haben auch im Berlin der Weimarer Republik als Vertreter der "Neuen Sachlichkeit" eine künstlerische Blütezeit erlebt. Dort seien sie Teil der avantgardistischen Kunstszene, zu der auch Künstlergrößen wie George Grosz und Otto Dix gehörten, geworden.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten hätten sich das politische Klima und die deutsche Kulturlandschaft aber maßgeblich verändert. Neben Werken jüdischer Künstler habe das Regime auch moderne und avantgardistische Kunst als "entartet" abgelehnt. Schlichter und Weinhold galten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur bolschewistischen "Novembergruppe" als "entartete Künstler". Beide zogen sich in die innere Emigration zurück.

Richard Ziegler ging 1933 mit seiner jüdischen Verlobten ins Exil nach London. Doch auch hier hatte er es als deutscher Staatsbürger schwer. Mit Kriegsausbruch 1939 wurde er in England als Kriegsgefangener interniert.

Obwohl die Calwer Künstler schon vor 1933 erfolgreich gewesen waren, in vielen bedeutenden Ausstellungen zu sehen waren und sie ein umfangreiches Spätwerk hinterlassen hatten, sei ihnen nach Kriegsende der weitere Erfolg verwehrt geblieben, war zu erfahren.

Lebensdokumente und Fotos ergänzen die Werke

Die Forschung habe für diese Künstler in den 1980er-Jahren den Begriff der "verschollenen Generation" eingeführt. Es habe sehr lange gedauert bis Schlichter, Weinhold und Ziegler wieder die öffentliche Reputation erhalten hatten, die ihnen zustehe.

Die themenorientierte Ausstellung lädt zur Vertiefung der Künstlerbiografien ein und zeigt einen Querschnitt der vielfältigen Schaffenskraft der drei Künstler. Zu sehen sind Portrait- und Landschaftsmalerei, sozialkritische und grafische Arbeiten sowie Werke, die unter dem Einfluss der jeweiligen religiösen Prägung der Künstler stehen.

Bei Ziegler fallen seine Werke des Opaldrucks ins Auge oder seine einprägsamen Kanststift-Zeichnungen sowie farbenfrohen Pastelle. Kaum ein Maler konnte auf dem Gebiet der Portraitmalerei in Deutschland solche Akzente setzen wie Weinhold. Und Schlichters Werke schweben häufig zwischen Eros und Apokalypse, zwischen Erlösung und Untergang. Darüber hinaus waren alle drei auch illustratorisch tätig und fanden neben der grafischen Gestaltung von literarischen Werken zudem in Zeitungen und Zeitschriften eine Plattform, ihre sozialpolitischen Ansichten zu verbreiten.

Die Schau ist mit aufschlussreichen Lebensdokumenten und Fotos angereichert. Eine Medienstation bietet Gelegenheit, sich noch näher mit den Künstlern und der Entstehungsgeschichte ausgewählter Werke zu befassen.

Professor Olaf Peters von der Martin-Luther Universität Halle führte bei der Vernissage in den historischen Kontext ein, in dem die drei Künstler gewirkt haben. Er warnte vor einer Reduktion der "Neuen Sachlichkeit" auf eine politische Etikettierung. Die Bewegung sei umfassender. Als Zeitströmung erfasse die "Neue Sachlichkeit" Bildende Kunst, Architektur, Design, Film, Literatur und Philosophie. Es handle sich im Grunde um eine Reaktion auf die avantgardistisch radikalisierte Moderne um 1910, die sich zum Massenphänomen ausgeweitet habe und nicht auf Deutschland beschränkt gewesen sei.

Die Ausstellung im Hermann-Hesse-Museum ist dienstags bis donnerstags von 11 bis 17 Uhr geöffnet und noch bis zum 4. November zu sehen. Dazu findet ein Begleitprogramm mit Vorträgen und Führungen statt. Am Donnerstag, 7. Juni, ab 18.30 Uhr, wird der Literaturwissenschaftler Dirk Heißerer zum Thema "Rudolf Schlichter – Porträtist der Neuen Sachlichkeit" sprechen. Das Programm ist auch auf der Internetseite des Museums unter www.calw.de/Hermann-Hesse-Museum zu finden.