Die Bundesstraße soll dreispurig ausgebaut werden. Manche nennen es ein Pilotprojekt, für andere ist es ein unsinniges Vorhaben. Foto: Fritsch

Pilotprojekt des Bundes zum autonomen Fahren. Sicherheitsaspekte berücksichtigt. Grüne sind dagegen.

Kreis Calw - Zum Ende der jüngsten Gemeinderatssitzung wurde es noch einmal hitzig. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte unter Tagesordnungspunkt zwölf ein Statement vor. Thema: der geplante dreispurige Ausbau der B 463 bei Bad Liebenzell. Die Grünen sprechen von einer unsinnigen Investition, Bürgermeister Fischer sieht ein Geschenk.

Schon vergangenen Monat im Calwer Kreistag sorgte diese Angelegenheit für eine hitzige Debatte. Die B  463 soll an verschiedenen Abschnitten zischen Nagold und Pforzheim dreispurig ausgebaut werden. Einer dieser Abschnitte liegt zwischen Bad Liebenzell und Dennjächt.

Deshalb sah sich Dietmar Lehmann-Schaufelberger (B90/Grüne) genötigt, im Bad Liebenzeller Gemeinderat das Wort zu ergreifen. "Auch wir verstehen die Welt nicht mehr", formulierte es Lehmann-Schaufelberger in Bezug auf eine Äußerung des Nagolder Oberbürgermeisters Großmann zum Thema.

Er verstehe es nicht, wie man ein solches Projekt überhaupt angehen, geschweige denn umsetzen könne. Für 1,9 Kilometer würden knapp 8,6 Millionen Euro ausgegeben, nur damit man eine Spur mehr habe – das sei unsinnig. Auch die Hauptargumente aus den Planungsunterlagen des Kreises für den Ausbau überzeugten ihn nicht.

Da wird einerseits von einem hohen Überholdruck durch einen großen Schwerverkehrsanteil gesprochen. So viel Geld, dass ein paar Autofahrer ihren "hohen Druck" los werden, fragte Lehmann-Schaufelberger rhetorisch. Was solle man dieser Argumentation noch hinzufügen?

Das Sicherheitsargument sah er ebenfalls kritisch. Laut Zahlen des Regionalverbandes seien weder das Verkehrsaufkommen von weniger als 8000 Fahrzeugen pro Tag, noch die Unfallzahlen auffällig.

Als drittes Argument werde die Entwicklung des ländlichen Raumes angeführt. Doch hier gebe es wesentlich wichtigere und sinnvollere Projekte, so Lehmann-Schaufelberger. Wenn man den Verkehr noch flüssiger gestalte, lade man den Schwerverkehr ja förmlich ein, die Strecke zu nutzen. Dieser rolle dann auch durch die Kernstadt. Und die Menschen in Calw warteten schon seit mehr als 15 Jahren auf den Tunnel zur Verkehrsentlastung. Doch dafür sei kein Geld da.

Dafür werde soviel Geld "verbraten für eine derartig unsinnige Maßnahme", meine Lehmann-Schaufelberger. "Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Gemeinderat Bad Liebenzell sagt dazu ganz entschieden: Nein!", fasste er seinen Standpunkt zusammen.

Katrin Heeskens (Unabhängige Liste), die für die SPD im Kreistag sitzt, gab etwas anderes zu bedenken. "Es handelt sich hier um eine Bundesstraße", erklärte sie. Weder Landkreis noch Kommune müssten sich mit Geld am Ausbau beteiligen, dürften und könnten sich aber auch nicht diesbezüglich entscheiden. Allein der Bund bestimme, was mit Bundesstraßen passiert.

Ein "Fuchtel-Projekt"

Auch Bürgermeister Dietmar Fischer, der die CDU im Kreistag vertritt, gab diese Situation zu bedenken. "Und man sollte auch einfach mal dankbar sein", meinte er. Es handele sich nämlich um ein Pilotprojekt. Es gehe hierbei nicht nur um Sicherheitsbelange. Der Bund will mit dem Ausbau seinem Ziel von null Verkehrstoten auf kurvenreichen Straßen näher kommen.

Auf dem Abschnitt solle zudem die "Leckwellentechnik" gebaut werden. Durch diese Technik werde autonomes Fahren auf der Strecke möglich und dies ohne die zusätzliche Errichtung von Mobilfunkmasten. Das sei aufgrund der geographischen Lage im Nagoldtal sowieso schwierig. Leckwellenleiter sind Koaxialkabel, die nicht nur am jeweiligen Ende, sondern über ihre gesamte Länge Funkwellen abgeben können.

"Das ist ein bundesweites Pilotprojekt", betonte Fischer noch einmal. Dies sei modern und innovativ und der Bund übernehme alle Kosten. Der Landkreis könne froh sein, dass so etwas hier umgesetzt werde. Dieser habe ohne Autobahnanschluss schon im Vorhinein strategische Nachteile.

Sebastian Kopp (UL) meinte, man müsse das komplette Bild sehen. Er sei nicht gegen neue Technik. Nur solle diese an sinnvollen Stellen verbaut werden. Er nannte das ganze Vorhaben ein "Fuchtel-Projekt", da es vor allem auf Betreiben des Bundestagsabgeordneten und parlamentarischen Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel (CDU) zu Stande gekommen sei. Kopp gab außerdem zu bedenken, dass man Hochwasser- und Naturschutz bei der Umsetzung berücksichtigen müsse. Ekkehard Häberle (CDU) warnte vor einem autobahnähnlichen Ausbau.

Auch wenn sich manche Gemeinde- und Kreisräte an dem Ausbau-Projekt stören, ändert das wenig daran, dass es wohl gebaut werden wird. Denn die Entscheidungskompetenz liegt eben beim Bund. Eine Durchführung sei bis 2026 geplant, wie Katrin Heeskens (UL) aus der Sitzung des Kreistages berichtete.