Philippe Tsoulie (Zweiter von links) bei der Aufführung der "Zauberflöte" an der Opéra Bastille in Paris. Foto: Opéra Bastille Foto: Schwarzwälder Bote

Talent: Der 13-jährige Philippe Tsouli ist sogar schon in Paris aufgetreten / "Ein Erlebnis wie kein Zweites"

Mit seinen 13 Jahren stand er schon auf einigen der ganz großen Opern-Bühnen in Europa: Philippe Tsouli aus Bad Teinach-Zavelstein. Semperoper Dresden, Opéra Bastille Paris, Staatsoper Berlin, Opéra national du Rhin in Straßburg. Klar – ein Aurelius Sängerknabe.

Calw. Heute Mittag ist Philippe ein bisschen heiser, leicht erkältet. Aber fürs Foto singt er sich gerne ein wenig warm im Konzertsaal des Georgenäum Calw, dem Sitz des Chors. Man meint, der eigene Herzschlag setzt einen Moment aus: Kristallklar, hell, extrem präsent ist diese junge Stimme. Sie nimmt einen augenblicklich gefangen. Göttergleich.

Mit im Raum ist Beate Stahl-Erlenmaier. Das ist zwar gerade reiner Zufall – die Musik- und Gesangslehrerin bereitet hier ihren nächsten Unterricht vor. Aber sie war es, die vor ein paar Jahren das herausragende Talent von Philippe beim Unterricht an der Grundschule in Bad Teinach entdeckte. "Seine Stimme stach vom Anfang an hervor, versetzte einen in Euphorie", erinnert sie sich. Von Stahl-Erlenmaier kam die Bitte an die Eltern von Philippe, ihn unbedingt bei den Aurelius Sängerknaben in die Gesangsausbildung zu geben.

Dort war vor allem Mutter Ellen Tsouli nicht sofort begeistert von der Idee, wie sie berichtet. "Ich sah die zeitliche, organisatorische Belastung, die auf Philippe zukommen würde." Aber andererseits: "Philippe singt in jeder nur denkbaren und undenkbaren Situation. Singen ist einfach sein Leben." Warum? Vielleicht liege es am Vater, überlegen Mutter und Sohn – der habe eine Ausbildung als klassischer Pianist. "Ich konnte sehr früh alle seiner Lieder, die er am Klavier spielt, mitsingen", erzählt Philippe.

Was aber macht diese Musik mit ihm? Wo kommt die Begeisterung her? Darüber scheint Philippe noch nie nachgedacht zu haben. Ist ja auch eigentlich unwichtig. "Es bringt einfach Spaß", sagt er nach einer Weile. Die Harmonien. Die Wirkung, wenn er sieht, was die Musik, der Gesang mit dem Publikum macht. "Es ist ein echtes Erlebnis wie kein zweites", formuliert Philippe schließlich. Das klingt sehr erwachsen, sehr reif. "Auf großen Bühnen zu stehen, den Menschen eine Freude zu bereiten." Auch wenn er meist vor lauter Scheinwerferlicht das Publikum in den Opernhäusern gar nicht sehe.

Was man vielleicht erklären muss: Die Aurelius Sängerknaben als Institution haben Verträge mit verschiedenen Opernhäuser, für bestimmte Opern-Inszenierungen mit Rollen für Kinder- oder Jugendstimmen geeignete Sänger zur Verfügung zu stellen. Zwei, vielleicht drei Chöre deutschlandweit haben ein solches Niveau in ihrer Gesangsausbildung, um solchen Ansprüchen genügen zu können.

Für die Inszenierung von "Die Zauberflöte" in Paris etwa, wo "drei Knaben" fest zum Ensemble gehören, konnten die Aurelianer zwei Terzetts besetzen, die je im Wechsel die Aufführungen bestritten. Zu einem dieser Terzetts gehörte Philippe Tsouli.

Nicht vom Himmel gefallen

Insgesamt 42 Mal ist er auf diese Weise in den vergangenen drei Jahren an verschiedenen Opernhäusern aufgetreten, wobei neben der "Zauberflöte" von Mozart auch die Oper "The Turn of the Screw" (deutsche Titel: "Die Drehung der Schraube", "Die sündigen Engel" oder "Die Besessenen") von Benjamin Britten zu seinem Repertoire gehören. Ein Erfolg, der nicht einfach so vom Himmel fiel: "Zweimal die Woche ist Chorprobe, zweimal Stimmenbildung im Einzelunterricht." Vor großen Auftritten kommen noch einmal eine bis eineinhalb Stunden die Woche Proben dazu, um das Repertoire auf den Punkt zu bringen.

Viel Arbeit, wie Philippe erzählt. "Es ist auch sehr anstrengend", gerade wenn Stücke neu einstudiert werden müssten. "Alleine Singen ist dabei kein Problem." Aber wenn im Duett oder wie bei der "Zauberflöte" im Terzett in verschiedenen Stimmen gemeinsam gesungen werden muss, werde es zu einer echten Herausforderung. Wenn es dann aber zusammen passt, den "perfekten Klang gemeinsam hinzubekommen", sei das auch für ihn "einfach das Größte".

Was Philippe auch festgestellt hat: Durch "das verrückte Leben" an und auf den großen Opernbühnen habe er sich schon auch von seiner Persönlichkeit her verändert. "Ich bin weniger aufgeregt, weniger schüchtern", wenn zum Beispiel in der Schule eine Präsentation ansteht, die er vor der ganzen Klasse halten soll. "Da tue ich mich heute deutlich leichter als früher." Und alle anwesenden Erwachsenen bei den Aurelianern nicken zustimmend: Die Arbeit im und mit dem Chor ist für die jungen Sänger die ultimative Persönlichkeitsbildung. Und in der Ausbildung fast noch wichtiger als der perfekte Gesang.

Bei dem auf Philippe bald eine unausweichliche Zäsur wartet: der Stimmbruch. Dann werde es wohl vorbei sein mit dem göttergleichen Mezzosopran, mit dem er derzeit noch seine Zuhörer in höchstes Entzücken versetzen kann. Ist der Stimmbruch durchgestanden, was allerdings zwischen zwei Monaten und zwei Jahren dauern kann, werde es aber mit Philippes Gesangsausbildung bei den Aurelianern auf jeden Fall weitergehen. "Dann warten die Männerstimmen auf ihn", so seine Gesangslehrer unisono.