Blick auf das Haus im Gewann "Erlenloh" in Gaienhofen am Bodensee, das Hesse baute. Er wohnte mit seiner Familie dort von 1907 bis 1912. Fotos: Faust Foto: Schwarzwälder-Bote

Literaturgeschichte: Auch Verbindungen zu Calw sind zu erkennen / Garten fast vollständig erhalten

Von 1904 bis 1912 wohnte Hermann Hesse in Gaienhofen (Kreis Konstanz) auf der Halbinsel Höri am Bodensee. Dort findet man immer noch einige Spuren des gebürtigen Calwers.

Calw/Gaienhofen. Eine Kirche, ein Brunnen, ein Baum mit einer Holzbank und ein Fachwerkhaus, wie man es auch sonst auf Dorfplätzen findet. Das restaurierte, mit hellgrauen Fachwerkbalken versehene Haus war das erste Wohnhaus von Hesse und seiner Frau Maria Bernoulli. Hierhin zog es den gerade erfolgreich gewordenen und frisch verheirateten Hesse, nachdem er ein unstetes Leben von Calw aus über viele Stationen führte. Hesse wollte hier nach der so genannten "Lebensreform" – einer auf selbstversorgenden einfachen Lebensweise – in dem ehemaligen Bauernhaus zur Miete wohnen.

Der spätere Literaturnobelpreisträger beschrieb das Haus als "erste Zuflucht meiner jungen Ehe" und die "erste legitime Werkstatt meines Berufes". Symbolhaft dafür der dunkelbraune massive Schreibtisch, den er bauen ließ.

Man kann es dem Schriftsteller nicht verübeln, dass er hier hin wollte. Gaienhofen liegt an der Spitze der Bodensee-Halbinsel Höri. Pappelalleen am See, große Felder und Wiesen und der traumhafte Ausblick auf die Schweiz am anderen Ufer.

Hesse zog 1907 um. Allerdings nur ein paar hundert Meter weiter. Weg von der Kirche, dem Brunnen, dem alten Baum mit Holzbank in das Gewann "Erlenloh". Dort ließ er ein Haus im Reformstil – einer schlichten und einfachen Bauart mit regionalen Baustoffen – errichten. Fortan verwirklichte der Schriftsteller seinen Traum vom Wohnen und seine Liebe zum Garten.

Beeren, Kräuter und Obstbäume

Von dieser Liebe und der Verbundenheit zu seiner Heimat Calw kann man heute noch Spuren entdecken. Hesse legte einen großen Garten an, den er bewirtschaftete, sofern er nicht auf Reisen war. Ein Selbstversorger-Garten mit Beeren, Gemüse, Kräutern und Obstbäumen sowie zahlreiche Blumenbeeten.

Man kann bei einem Besuch des Hermann-Hesse-Hauses, das sich im Privatbesitz der Familie Eberwein befindet, diesen Garten noch erleben. Menschenhohe Pflanzen und Beerensträucher wachsen wuchernd in die Höhe. Jede schwäbische Hausfrau mit Liebe zur Gartenarbeit würde es in den Finger kribbeln.

Die Enge auf den Wegen und die hohen Pflanzen täuschen über Hesses Ordnungssinn hinweg. Schautafeln im Garten zeigen, dass bei ihm alles eine Ordnung hatte. Der Garten wurde von den heutigen Eigentümern, von einigen Interpretationen ausgenommen, wieder so angelegt, wie es Hesse getan hatte. Neben dem Garten und dem in türkis und hellbeige gehaltenen Haus fallen die hohe Kastanie und der Kiesplatz vor dem Haus ins Auge. Eine Erinnerung an Calw. Genauer gesagt an den Platz "Auf dem Brühl", den Hesse so liebte. Hier besuchte er gerne Zirkusveranstaltungen in seiner Kindheit. Ein Kastanienbaum und der Kies auf dem Platz standen dafür Pate.

Ist Hesse noch anwesend auf seinem Anwesen? Ist er. Eine Büste steht am Ende des Gartens. Hesse blickt hier mit großen Augen und schmalem Gesicht auf seinen Garten und das Dachgeschoss seines Hauses, das er 1912 verkaufte und danach mit seiner Frau nach Bern zog.

Und die Spuren in der Dorfmitte? Das Wohnhaus ist das Hesse-Museum der Gemeinde. Darin befindet sich unter anderem der Schreibtisch. Eine Hesse-Statue steht auf dem Rasen des Dorfplatzes. Und obwohl Hesse dort als Statue steht, sieht es so aus als schlendere er – lässig die Hand in der Hosentasche – am Baum vorbei zurück zu seinem alten Wohnhaus.