Im vergangenen Jahr gab es für jedermann eine reichlich gedeckte Tafel. Das ist dieses Jahr nicht möglich. Foto: Archiv Buck Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Aktionswoche unter dem Titel "Arme Kinder, arme Gesellschaft" / Keine Veranstaltung

Die Aktionswoche der Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg wird in Calw Jahr für Jahr zelebriert – stets in Form von größeren Veranstaltungen. So war es auch dieses Mal geplant. Stattdessen setzen die mitwirkenden Einrichtungen nun vor allem auf Aufklärung. Denn gerade in dieser Zeit ist das Thema "Arme Kinder, arme Gesellschaft" aktueller denn je.

Calw. Reichlich gedeckte Tische mit verschiedenen Speisen, Biertischgarnituren, an denen teils Menschen gemeinsam essen. So sah es vergangenes Jahr am Abschlusstag der Aktionswoche der Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg am Unteren Ledereck aus. 17 Einrichtungen aus Calw hatten sich damals an der Aktionswoche zum Thema "Armut ist mehr als eine Zahl" beteiligt.

Das kam sehr gut an, freut sich Sebastian Kirsch, Teamleiter Wohnungslosenhilfe bei der Erlacher Höhe Calw. Doch sind es auch Bilder, die dieses Jahr schier undenkbar sind. Wegen des Coronavirus sei den dieses Jahr sieben teilnehmenden Einrichtungen die Organisation einer Veranstaltung zu riskant. Ihr Anliegen wollen sie trotzdem in der Öffentlichkeit positionieren. "Vor allem in diesen Zeiten sollte man die bedenken, die schon vorher nichts hatten", findet Kirsch. Und das seien oftmals Familien und Kinder. Letztere stehen im Fokus der diesjährigen Aktionswoche unter dem Titel "Arme Kinder, arme Gesellschaft".

Noch nie zuvor habe es einen so gravierenden Unterschied gemacht, ob Kinder aus wohlhabenden Familien stammen oder nicht. Im Homeschooling zum Beispiel, für das es unerlässlich ist, Laptops oder Tablets zur Verfügung zu haben. Ist das nicht der Fall werde man abgehängt, so Kirsch. Deshalb seien Angebote von Einrichtungen wie der Caritas oder auch der Erlacher Höhe während der Pandemie mehr gefragt.

Im ländlichen Raum wird Zustand eher sichtbar

In Baden-Württemberg gilt dem Sozialministerium des Landes zufolge jedes fünfte Kind als armutsgefährdet. In Städten sei das Armutsrisiko demzufolge höher als im ländlichen Raum. Dennoch begegne man diesem Thema auch hierzulande im Alltag, bekräftigt Peter Böltz vom Diakonieverband Nordschwarzwald. Auf dem Land, wo man sich noch untereinander kenne, werde Armut sogar viel eher sichtbar, argumentiert Bratislav Bozovic von der Caritas Schwarzwald-Gäu. Was wiederum unter Umständen dazu führen kann, dass das betreffende Kind auch noch von Klassenkameraden ausgeschlossen wird. Im ländlichen Raum sei man zudem mehr auf ein Auto angewiesen, was sich ärmere Familien oft nicht leisten können. "Ohne Auto ist man aber von der Außenwelt abgeschnitten", sagt Kirsch. Manche Familien hätten seiner Erfahrung nach nicht einmal richtiges Internet.

Fest steht für die Beteiligten: Gerade in einem wirtschaftlich so starken Land wie Baden-Württemberg sei es ein Armutszeugnis, wenn es so viele arme Kinder gebe. Sie hätten automatisch geringere Chancen auf einen gleichwertigen Platz in der Gesellschaft – und das allein aufgrund der Tatsache, dass sie nicht aus einem wohlhabenden Elternhaus stammten.

Teilnehmer erzählen von ihrer Arbeit

Um nun also – auch ohne Veranstaltung – auf dieses Thema aufmerksam zu machen, wird im Laufe der Aktionswoche ab Samstag, 17. Oktober, in jeder Ausgabe des Schwarzwälder Boten ein Artikel erscheinen, der die Arbeit je einer der teilnehmenden Einrichtungen unter die Lupe nimmt. Diese haben tagtäglich mit von Armut betroffenen Menschen zu tun. Und sie erzählen aus ihrer Warte von diesem Thema.