Andreas Arnold Foto: sb

43-Jähriger im Interview über effektive Vermeidung von Plastikmüll. Vortrag in der Volkshochschule.

Calw - Seit circa sechs Jahren vermeidet der 43-jährige Andreas Arnold Plastikmüll. Nach und nach verzichtete oder ersetzte er kurzlebige Plastikprodukte, um möglichst wenig Müll zu erzeugen. An diesem Freitag, 22. November, hält er ab 19.30 Uhr einen Vortrag in der Calwer Volkshochschule.

Mit nur einem Gelben Sack Müll im Jahr lebt Andreas Arnold heute. Er versucht, so viel Plastik wie möglich zu vermeiden und damit seinen Müllverbrauch auf einem Minimum zu halten.

Auch in Calw war und ist Plastikvermeidung immer wieder ein Thema – unter anderem im Kommunalwahlkampf oder auch beim Weihnachtsmarkt. Doch wie geht das? Wir haben mit Arnold gesprochen und beantworten die wichtigsten Fragen.

Wieso haben Sie beschlossen, auf Plastik zu verzichten?

Ich habe Ende des Jahres 2013 den Film "Plastic Planet" von Werner Boote gesehen. Die Dokumentation hatte mich so nachhaltend beeindruckt, dass ich einfach was ändern wollte. Das war erst Mal ein bisschen schockierend, wahrzunehmen, wie viel Plastikmüll man tatsächlich produziert. Dann habe ich für mich beschlossen: Wenn ich alles auf einmal ändern würde, werde ich mich überfordern. Also habe ich begonnen, zunächst nur monatlich etwas zu ändern. Darüber habe ich dann in meinem Blog "Plastic Diary" berichtet: über das Ergebnis, was die Veränderung auch mit mir gemacht hat, ob ich dabei bleiben werde sowie was die nächsten Schritte sind.

So konnte ich dann Monat für Monat immer eine Sache ändern, mich langsam daran gewöhnen und heute bin ich bei einem Status, wo ich sage: Ein Gelber Sack, den ich ganz knapp im Jahresverlauf habe, ist vorzeigbar. Damit bin ich erst einmal zufrieden. Und aus heutiger Sicht lebe ich nicht weniger komfortabel und habe nicht weniger Freizeit. Geschweige denn, dass ich mehr Geld ausgeben müsste als damals. Ich denke, ich habe alles richtig gemacht.

Wie ist es, ohne Plastik zu leben?

"Ohne Plastik" ist etwas zu viel gesagt. Das ist faktisch ja gar nicht möglich. Zum Beispiel besteht auch das Handy, mit dem ich gerade telefoniere, aus Plastik. Somit wäre ganz ohne Plastik zu leben etwas schwierig. Aber ich versuche, Umverpackungen zu vermeiden, da wo es möglich ist – und das ist an sehr, sehr vielen Punkten ganz einfach.

In Fällen, in denen ich notgedrungen auf Produkte aus Plastik zurückgreifen muss, schaue ich danach, dass die Produkte langlebig und wertig sind. Und vor allen Dingen, dass sie reparierbar sind.

Oder auch Billigprodukte. Ich kann mich natürlich entscheiden, um ein Beispiel zu nennen, Gartenmöbel zu holen, die aus irgendeinem billigen Plastik sind, die nach dem ersten Winter schon brüchig werden und kaputt gehen. Oder ich hole mir halt hochwertige Sachen, die natürlich gerne aus Plastik sein können, solange sie so gestaltet sind, dass sie möglichst zeitlos und so wertig sind, dass ich diese theoretisch sogar meinen Kindern vererben könnte, ohne dass diese sich denken: "Mensch, was ist denn das für ein Schund, den ich hier bekomme?"

Wie Sie sagten, ist es nicht möglich, ganz ohne Plastik zu leben, zum Beispiel sind ja auch EC-Karten aus Plastik. Wie gehen Sie damit um?

Also es ist nicht nur nicht möglich, ich glaube es ist auch gar nicht notwendig, vollständig auf Plastik zu verzichten. In einer Podiumsdiskussion kam etwas auf, was ich sehr spannend fand: Es ist ja letzten Endes nichts anderes als festes Erdöl. Also solange wir ohnehin noch Erdöl zur Energiegewinnung verfeuern, ist es im Prinzip auch gar nicht schlimm, wenn wir eine Zwischenstufe, nämlich zum Beispiel ein Produkt aus Plastik, dabei noch Mal in Verwendung haben, solange das entsprechend langlebig ist und es nicht nach wenigen Monaten dann zu Müll wird. Das krasse Gegenteil betrifft die meisten Umverpackungen. Diese einzusparen, darin liegt das meiste Potential.

Gibt es Alltagsgegenstände, die Sie ersetzt haben? Wie zum Beispiel Zahnbürsten aus Bambus oder Holz?

Ja, genau. Also alles, was Konsumartikel sind, die per se eine Kurzlebigkeit mit sich bringen, wie zum Beispiel die Zahnbürste, versuche ich zu ersetzen – ich hatte meine letzte Zahnbürste aus Plastik so lange genutzt, bis diese entsprechend eben ihren Zenit überschritten hat. Ab diesem Zeitpunkt bin ich natürlich auf Holzzahnbürsten umgestiegen, die definitiv, wenn sie aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen, ökologisch deutlich sinnvoller sind als so eine Plastikzahnbürste.

Was war mit den Produkten aus Plastik, die Sie bereits besaßen?

Natürlich habe ich auch jegliche Plastikfaltkörbe oder Ähnliches, was ich mir vor dieser Zeit gekauft habe, nicht weggeworfen. Das wäre auch irrsinnig: Müll einsparen zu wollen, aber erst Mal Unmengen davon zu Müll werden zu lassen, um den eigenen Haushalt plastikfrei zu machen. Also für mich würde das jeglicher Logik entbehren. Diese Produkte benutze ich selbstverständlich nach wie vor. Was ich jedoch ausgetauscht habe, sind sämtliche Plastikbehältnisse, die ich in der Küche in Verwendung hatte. Weil ich dann doch meine Lebensmittel ganz gerne von – insbesondere mit Kratzspuren beschädigtem – Plastik fernhalten wollte. Da bin ich dann auf Glas umgestiegen. Aber das sind überwiegend auch nicht extra für diesen Zweck gekaufte Behältnisse, sondern die Mehrheit sind zum Beispiel Gurken- oder andere Gläser, in denen mal Lebensmittel drin waren. Obwohl diese als Einweg konzipiert sind, verwende ich diese als Mehrwegprodukte.

Es macht auch wenig Sinn, Plastik aufzugeben und dadurch in den nächsten Konsum hineinzurutschen. Glas wird mit hohem Energieaufwand produziert und der Energiemix in Deutschland besteht nach wie vor zu 30 Prozent aus fossilen Brennstoffen. Es wären also nicht einmal fossile Ressourcen gespart – Plastik stammt ja auch aus einer.

Wenn Ihnen zum Beispiel im Restaurant ein Strohhalm im Glas gebracht wird. Wie reagieren Sie?

Ich versuche mittlerweile vorauszudenken, was bei meiner Bestellung alles passieren könnte. Meistens sage ich bereits vorher "bitte keinen Strohhalm". Bei einem meiner Lieblingsimbisse in Friedberg bringe ich zum Beispiel meinen eigenen Teller und mein eigenes Besteck mit. Da wird man am Anfang ein bisschen komisch angeguckt – mittlerweile kennen die das schon – aber man gerät auch sehr schnell ins Gespräch mit anderen Gästen und hört sehr oft als Rückmeldung: "Oh, das ist ’ne tolle Idee, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht." Und ich glaube, das ist das Entscheidende: Ins Gespräch kommen und – ohne den erhobenen Zeigefinger zwischen sich zu haben – einfach zu zeigen, wie es gehen kann. Und es jedem selbst überlassen, den Weg zu verfolgen oder auch nicht.

Gehen Sie auch auf Leute zu?

Ganz ehrlich, nein. Ich bin jetzt 43 Jahre alt. Ich habe mit 36/37 selbst erst realisiert, was für Auswirkungen mein Konsumverhalten hat. Wer bin ich denn, andere dafür an den Pranger stellen zu können, dass sie das in jüngerem oder älterem Alter eben nicht geschafft haben. Wir sind alle Kinder der äußeren Umstände. Ich hatte das Glück, die Dokumentation "Plastic Planet" gesehen zu haben, andere hatten dieses Glück vielleicht nicht, diese "Erweckung" erfahren zu haben. Und ich bin nicht derjenige, der die moralische Instanz ist, das in irgendeiner Weise dann in Misskredit zu stellen. Für diesen Zweck halte ich Vorträge und mache Workshops, bei denen sich Interessierte informieren und ihre Möglichkeiten ausreizen können. Letzten Endes entsteht dann so eine Art Schneeballeffekt, was dann auch andere erreichen kann.

Der Titel Ihres Vortrages am Freitag in der Volkshochschule Calw lautet "Plastic Diary – Monat für Monat zu mehr Nachhaltigkeit". Wieso genau diese Überschrift?

Mein Lieblingstitel ist tatsächlich "Plastic Diary", der Titel meines Blogs, der 75 Monate am Stück geschrieben wurde, 75 Ausgaben hatte. Gerne ergänze ich mit dem Beititel: "Tagebuch eines Müllvermeiders".

Aber natürlich hängt das davon ab, in welche Veranstaltungs- oder auch Vortragsreihe ich eingebettet werde und derjenige, bei dem ich vortrage, darf gerne einen Titel wählen, der am besten passt. Es muss nicht immer mein Lieblingstitel sein. Hauptsache ist, die Inhalte werden transportiert. Das ist das Wichtige!

Ich zeige bei den Vorträgen anschaulich, wie ich mein Leben umgestaltet habe. Ich nehme die Gäste auf eine Reise durch meine Wohnung mit, zeige auf, was ich in jedem Raum verändert habe, gebe auch Rezeptbeispiele und danach findet ein sehr intensiver Austausch mit den Zuhörern statt.

Zuletzt noch zu einer Schockfrage: Sie besitzen keinen Kühlschrank. Wie leben Sie ohne?

Haha, ja, das ist die Schockfrage von jedem. Mein Kühlschrank ist seit drei Jahren ausgeschaltet. Der Hintergrund dazu: Als ich damals in die Wohnung alleine eingezogen bin, musste ich irgendwann feststellen: Du hast eigentlich nichts drin, nur ein bis drei Gläser mit Aufstrich, das war’s. Musst du dafür so einen riesigen Kühlschrank haben? Ich habe zu diesem Zeitpunkt schon ausschließlich Leitungswasser getrunken. Also hatte keine Getränke mehr, die ich in einen Kühlschrank hätte stellen können.

Genau als ich mir diese Frage gestellt hatte, hat ein Bekannter von mir offenbart: Er lebt schon seit einem Jahr ohne Kühlschrank. Und er, im Gegensatz zu mir, aß auch noch kühlpflichtige Produkte wie Milch und Fleisch und es hat trotzdem bei ihm funktioniert. Ich habe mir gedacht, wenn er das schafft, musst du das auch schaffen. Dann habe ich meinen Kühlschrank ausgeschaltet und das ist nun seit drei Jahren so. Ich arbeite halt wieder mit den alten Methoden von früher, wie zum Beispiel dem Einwecken und dadurch haltbar machen.

Und habe festgestellt, selbst die Sachen, die ich selbst mache, halten ungekühlt, selbst im Sommer – und ich wohne in einer Dachgeschosswohnung, bei der es durchaus manchmal zu 40 Grad heranreicht. Man kann an einer Hand abzählen, wie viele Dinge mir schlecht geworden sind und die waren ausschließlich durch eigenes Verschulden verkommen.

Aber ich vermisse auch keinen Kühlschrank. Es klappt alles ohne, dass einem etwas schlecht wird, und ohne, dass ich mich überorganisieren müsste. Natürlich, was ich an Gemüse wöchentlich einkaufe, esse ich nach dem zu erwartenden Zeitpunkt des Verderbens. Aber im Grunde funktioniert alles – auch ohne Kühlschrank.