Bernd Schlanderer ist passionierter Motorradfahrer. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Bernd Schlanderer, Geschäftsführer des Diakonieverbands Nördlicher Schwarzwald, geht Ende des Monats in Ruhestand

Wie kein Zweiter steht er für die Diakonie im Landkreis Calw: Bernd Schlanderer. Nach mehr als 26 Jahren geht "Mr. Diakonie" nun Ende Juli in den Ruhestand. Und blickt zurück auf eine Karriere, die mit einem ganz großen Zufall begann.

Kreis Calw. An den ersten Tag, den er im Kreis Calw verbracht hat, erinnert sich Bernd Schlanderer noch ziemlich genau. Es ist der 1. Juni 1985. An diesem Tag nimmt er zum ersten Mal Platz an seinem Schreibtisch im alten Mesnerhäusle neben der Calwer Stadtkirche, wo Schlanderer bei der neuen Beratungsstelle für Wohnsitzlose einen Job gefunden hat.

Dass sein Berufsleben im sozialen Sektor stattfinden würde, ist dem Mann aus Öschelbronn relativ früh klar. Er studiert in Freiburg Sozialarbeit, kehrt aber nach seinem Abschluss in die Heimat im Gäu zurück. Doch wo soll er eine Stelle finden? "Eines Tages kam dann die Ausschreibung der Erlacher Höhe für die Beratungsstelle", erinnert er sich. Er wird genommen, teilt sich eineinhalb Stellen mit einem Kollegen. Acht Jahre später läuft ihm eine Ausschreibung für die Geschäftsführung der Diakonischen Bezirksstelle "geschickt über den Weg", wie er es bezeichnet. Er bewirbt sich, doch er hat Konkurrenz. Insgesamt gibt es drei Bewerber. Eine erste Abstimmung der Entscheider ergibt einen Patt. Eine zweite auch. Und als auch eine dritte Abstimmung im Patt endet, überlässt man es dem Zufall, wer die Stelle bekommt. Das Los fällt auf Bernd Schlanderer, der am 1. März 1993 sein Amt antreten kann.

Die Anfänge sind äußerst bescheiden. Die Bezirksstelle in der Nagolder Bahnhofstraße besteht zu dieser Zeit aus vier Personen: einer Verwaltungskraft, zwei Sozialarbeiterinnen und eben Bernd Schlanderer, dessen Stelle damals allerdings nur zu 50 Prozent aus der Geschäftsführung besteht, der Rest ist Beratungsarbeit.

Eine der ersten Amtshandlungen Schlanderers ist die Anschaffung eines Computers. Doch den müssen sich alle teilen. "Den haben wir auf ein Wägele gestellt und zwischen den Büros hin und her geschoben" erinnert sich Schlanderer ein wenig amüsiert. Erst als die Bezirksstelle 1999 in die Neue Straße umzieht, hat der Computermangel ein Ende: "Dann hatte jeder seinen eigenen Computer."

100 Millionen Euro Schulden bearbeitet

Große Themen der Anfangszeit sind die im Zusammenhang mit den Hartz-Reformen stehende Langzeitarbeitslosigkeit und die Fachberatung für Pflegefamilien, die der Verband im März 1999 an den Start bringt. 2004 startet die Schuldnerberatung, nachdem der Landkreis aus diesem Thema ausgestiegen war. Kritischen Stimmen, die meinen, so etwas brauche man im Kreis Calw doch nicht, straft die Realität Lügen. Die zwei Beratungsstellen in Calw und Nagold sind immer gut ausgelastet. "Seit ihrem Start 2004 hat die Schuldnerberatung bei uns Schulden in Höhe von 100 Millionen Euro bearbeitet", erzählt Schlanderer. "Von wegen, die Welt im ländlichen Raum ist noch in Ordnung" ergänzt der Diakoniechef und schiebt einen Satz nach, den er nicht nur einmal in seiner Karriere geäußert hat: "Es gibt alle Probleme der Welt auch bei uns im Landkreis." Dem mit Sozialarbeit zu begegnen sei allerdings angesichts der großen Entfernungen auf dem Land ungleich schwieriger als in der Stadt.

Schlanderer hat in seiner Diakoniezeit nicht nur Rückenwind. "Mir wurde vorgehalten, ich würde nie genug kriegen", erzählt er und bestätigt: "Wachstum war schon der Anspruch, denn eine breite Basis verschafft Sicherheit." Zudem habe sich manches einfach ergeben. Immer wieder hätten sich Probleme aufgetan, bei denen man handeln musste, aber kein anderer Träger in Sicht war oder sich andere Träger zurückgezogen hatten. Inzwischen hat der Diakonieverband zum Beispiel auch die Trägerschaft von sechs Kitas übernommen. Die Zahl der Mitarbeiter ist – auch dadurch – von anfangs vier auf 120 "explodiert".

Und bei fast jedem neuen Projekt tauchten sie auf: die Bedenkenträger. "Doch alle Bedenkenträger haben Unrecht behalten", zieht Schlanderer mit einer gewissen Genugtuung sein Fazit. Dass er das alles nicht alleine hinbekommen konnte, weiß Schlanderer nur zu gut. "Ich habe immer Leute gehabt, die meinen Weg mit mir gegangen sind", blickt er zurück und nennt einen wichtigen Grund für die erfolgreiche Arbeit: "Alle meine Leute machen einfach einen guten Job."

Und wenn Schlanderer Ende Juli in Ruhestand geht, hat er mehr Zeit für seine Hobbys. Und die haben viel mit zwei Rädern zu tun. Fast täglich fährt der Öschelbronner mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ist schon vier Mal mit dem Fahrrad über die Alpen geradelt. "Einen Tag lang nur bergab durchs Vinschgau zu fahren, ist einfach geil", gerät er ins Schwärmen.

Mit Biker-Freunden betreibt er Weinberg

Sein erstes Motorrad schafft er sich zum Entsetzen der Mutter bereits als Student an. Mit seiner Frau und anderen Biker-Paaren hat er das Format "Bike and Chill" aus der Taufe gehoben. Und sogar einen Weinberg betreibt er mit seinen Biker-Freunden in der Nähe von Öschelbronn.

Und wenn er nicht mit Frau und Familie durch die Welt reist, ist "Mr. Diakonie" künstlerisch unterwegs: als Holzbildhauer oder neuerdings als Posaunist. Der langjährige Vorsitzende des Musikvereins Öschelbronn hat mit 55 Jahren noch Posaune gelernt und inzwischen eine "UHU"(Unter Hundert)-Bläserklasse ins Leben gerufen.

Auch wenn er mit Wehmut an seinen nahenden Ruhestand denkt, freut sich der Vater von vier Kindern doch, "selbst bald Herr meiner Zeit zu sein". Und Gedanken, diese Zeit – auch ganz ohne Diakonie – sinnvoll auszufüllen, braucht er sich angesichts dieser Nebenbeschäftigungen wohl kaum zu machen.