Foto: Eibner Foto: Schwarzwälder Bote

Nationalspielerin Annika Bösch über den Abschied vom TSV Calw, die deutsche Meisterschaft und den Titelgewinn, den sie nicht feiern konnte

Nach zwei Jahren verlässt Nationalspielerin Annika Bösch die Faustballerinnen des TSV Calw wieder. Sie hat es wieder nach Hause in den Norden Deutschlands verschlagen und spielt künftig für den TV Jahn Schneverdingen. Im Interview mit unserer Zeitung erklärt sie, weshalb es keinen besseren Zeitpunkt gegeben hätte, den Verein zu verlassen, und weshalb man sich um den TSV trotzdem keine Sorgen machen muss.

Frau Bösch, hüpfen Sie eigentlich gerne fröhlich durch die Gegend?

(lacht). Nein, ich spiele ja in der Abwehr, da ist das nicht nötig. Außerdem hatte ich mir mit 17 Jahren das Kreuzband gerissen. Da ist das mit dem Springen eher so semi.

Wieso nennt man Sie denn dann "Tigger"?

Achso... Meine Tante hat mich als Kind so genannt. Da wir im Team irgendwann mehrere Annikas hatten, hat sich das als Spitzname durchgesetzt.

Und wie feiert ein Tiger den Titelgewinn bei der deutschen Meisterschaft?

Zuhause auf der Couch. Mein Zeitplan war ein bisschen schlecht. Ich habe am Montag nach der DM-Endrunde die Weisheitszähne gezogen bekommen und lag dann flach.

Hatten Sie nicht damit gerechnet, dass es was zu feiern gibt?

Doch, wir sind sehr selbstbewusst zu den Titelkämpfen gefahren. Ich wusste, dass wir gut drauf sind und gewinnen können.

Die Meisterfeier fiel für Sie dann komplett aus?

Die anderen sind ja mit dem Bus zurück nach Calw gefahren. Und ich bin direkt nach Hause nach Hamburg. Es ist sehr schade, dass ich da nicht dabei sein konnte. Auch bei der Meisterfeier in Calw, die in der vergangenen Woche stattgefunden hatte. Aber man kann ja nicht alles haben.

Das heißt, Sie haben sich noch in Moslenfehn von den Teamkollegen verabschiedet?

Genau. Das war natürlich sehr emotional (lacht).

Einen besseren Zeitpunkt, um zu gehen, hätten Sie sich rückblickend ja nicht aussuchen können, oder?

Ich habe zum optimalen Zeitpunkt aufgehört: mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft.

Ihre Mitspielerin Stephanie Dannecker, mit der Sie auch schon einige Titel mit der deutschen Nationalmannschaft geholt haben, meinte, dass der Titel mit dem TSV Calw nochmals einen ganz anderen Stellenwert hat als die Titel mit der Nationalmannschaft. Wie ist es bei Ihnen?

Für Steffi ist der Titel mit dem TSV Calw von ganz anderer Bedeutung. Es ist ihr Heimatverein, in dem sie seit Jahren die tragende Figur ist. Natürlich ist es da für sie was ganz Besonderes. Ich würde sagen, dass es etwas anderes ist als die Titel mit der Nationalmannschaft. Ich konnte ihn aber nicht richtig genießen. Bei mir herrschte das reinste Gefühlschaos. Das waren zu viele Emotionen auf einmal.

Sie verlassen den TSV Calw, Stephanie Dannecker hat angekündigt, kürzer zu treten. Damit verliert die Mannschaft zumindest in der Halle zwei der besten Spielerinnen. Muss man sich in Calw jetzt sorgen machen?

Nein, es ist guter Nachwuchs da. Gerade Henni (Henriette Schell, Anm. d. Red.) hat das bei der DM überragend gemacht. Sie wird jetzt die Zügel in die Hand nehmen. Ich mache mir keine Sorgen um den TSV Calw.

Wenn wir über die deutsche Meisterschaft sprechen, kommen wir um das Thema mit dem TV Eibach, der wegen eines Regelverstoßes nicht teilnehmen durfte, nicht herum. Wie haben Sie den Skandal wahrgenommen?

Das war sehr unglücklich. Ich glaube nicht, dass die Spielerinnen aus Eibach und Stammheim gewusst haben, was sie da anrichten und was passiert, wenn sie nicht zum Spiel antreten. Der Verband hatte aber keine andere Möglichkeit. Wenn man das hätte durchgehen lassen, wird unsere Sportart ja noch mehr belächelt.

Der Faustball kämpft seit Jahren um Aufmerksamkeit. Ist es nicht verrückt, dass ausgerechnet ein solcher Skandal dafür gesorgt hat, dass deutschlandweit über die Sportart geredet und berichtet wird?

Das finde ich sehr traurig. Das stand in mehr Zeitungen als jeder WM-Titel von uns. Ich weiß nicht, weshalb negative Schlagzeilen immer für mehr Aufmerksamkeit sorgen und so groß beleuchtet werden.

Wie sind Sie eigentlich zum Faustball gekommen?

Ich komme aus einem kleinen Dorf, in dem es nur Faustball gab. Meine ganze Familie spielt oder hat gespielt. Da gab es für mich keine andere Wahl.

In Zukunft spielen Sie jetzt für den TV Schneverdingen. Das heißt, es wird bei der DM-Endrunde auf dem Feld ein Wiedersehen mit Ihren Calwer Kolleginnen geben. In den vergangenen Jahren waren beide Teams ja quasi gesetzt.

Das hoffe ich doch sehr. Das war für mich aber nicht das Hauptargument, nach Schneverdingen zu wechseln, um einen Titel nach dem anderen zu holen. Sondern weil es mit den Leuten einfach stimmt. Dass es menschlich stimmt, ist für mich viel wichtiger. Man ist als Team an den Wochenenden ja so viel gemeinsam unterwegs, das macht dann keinen Spaß, wenn man sich nicht gut versteht.

Sie haben jetzt ja auch schon einen Titel geholt.

Ja, in der Halle. Der auf dem Feld fehlt noch.   Die Fragen stellte Kevin Schuon.