Die E-Autos auf dem Rathausplatz waren zumindest teilweise zum Anfassen und auch mal Probesitzen. Foto: Kunert

Zahl der E-Autos im Kreis Calw innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. E-Carsharing der ENCW als Treiber des Marktes.

Calw - Es ist die sechste Auflage der Schwarzwald E-Rallye des Calwer Energieversorgers ENCW. Routine möchte man meinen. Aber etwas ist anders – sagen viele der Teilnehmer, der „alten Hasen“, die schon mehr als einmal dabei waren. „Wir sind die Pioniere; aber der Hype beginnt.“

Ursprünglich waren die E-Rallyes der ENCW als reine Werbeveranstaltung für den Verkauf von Strom gestartet. Ein Marketing-Gag. Aber wenn ENCW-Geschäftsführer Horst Graef heute die Teilnehmer der Rundfahrt in den unterschiedlichsten Elektro-Autos begrüßt, ist für sein Unternehmen die E-Mobilität längst zu einem eigenen Geschäfts-Standbein gewachsen: „E-Carsharing“ soll bis Ende des Jahres mit 50 eigenen Fahrzeuge und 100 Ladestationen allein im Kreis Calw präsent sein – als Modell für eine neue Mobilität.

Sofort eine familiäre Stimmung da

Managerin für die Geschäftsentwicklung im Bereich Elektromobilität der ENCW ist Ricarda Becker – an diesem Wochenende auch Rennleiterin der E-Rallye. Sie hat einst ihre berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung im Hotel Therme Teinach begonnen. Deshalb startet die E-Rallye dieses Mal hier, hat hier quasi auch das schick-feudale Fahrerlager eingerichtet. Erster Programmpunkt: Come-Together auf der Schlossberghütte mit Freiluftgrillen, Einweisung ins Bordbuch für die eigentliche Rallye. Und einer ersten Geschicklichkeitsprüfung für die Teams.

Was auffällt: Es ist sofort eine familiäre Stimmung da – auch bei denen, die erstmals bei dieser Rallye dabei sind. Es ist Powerfrau Ricarda Becker, die aus der Rennvorbereitung alle Protagonisten natürlich bereits kennt – und allen das Gefühl gibt, willkommen zu sein. Es sind auch Geschäftspartner, natürlich Kollegen und Kunden der ENCW und von Becker dabei. Die würdigen sie auch mehr als einmal als knallharte, zähe Geschäftsfrau. Auch ENCW-Chef Graef macht aus seiner ehrlichen Hochachtung für seine E-Mobilitäts-Managerin keinen Hehl. Sie ist die Mutter des Erfolges in diesem Geschäftsbereich. Und die Garantin für ein richtig tolles Rallye-Wochenende.

Derzeit rund 135 E-Autos im Kreis Calw

Kleiner, aber eigentlich ziemlich großer Indikator dieses Erfolges: in einer Präsenttaion der ENCW zur E-Rallye steht, dass es derzeit rund 135 E-Autos im Kreis Calw gäbe; im Text einer Petition der ENCW zur Förderung der Elektromobilität im ländlichen Raum wird dafür eine Zahl von 228 E-Autos genannt. Becker klärt auf: „Die aktuellen Zahlen haben wir erst brandaktuell unmittelbar vor der Rallye erhalten.“ In der Petition konnten die neuen Zahlen noch eingebaut werden, die Präsentation war da schon raus. Botschaft dahinter: Die Zahlen an E-Autos im Kreis Calw haben sich innerhalb Jahresfrist fast verdoppelt! So sehen Erfolge aus.

Weshalb bei der eigentlichen E-Rallye, die von Bad Teinach aus über Asperg nach Ludwigsburg führt, der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger (ein Parteifreund von CDU-Frau Ricarda Becker), beim offiziellen Empfang der Rallye-Teilnehmer aus dem Schwarzwald mit ziemlicher Euphorie sagen wird, dass er die „eine Millionen E-Autos bis 2020 auf deutschen Straßen“, wie sie die Bundesregierung vor ein paar Jahren als Ziel gesetzt hatte – und seitdem öffentlich immer wieder belächelt wurde – mittlerweile „gar nicht mehr für so unrealistisch“ halte. Wenngleich E-Autos natürlich immer noch nur eine „Nische“ im deutschen automobilem Denken einnehmen – wie sich auch hier in Ludwigsburg zeigt: Während die Fahrer der E-Rallye „nur“ auf dem Rathausplatz von Ludwigsburg einrollen dürfen (der auch mit Navi nicht nur für die Rallye-Teams sauschwer zu finden ist), halten die Oldtimer der „Retro Classic“ zeitgleich vor den Ludwigsburger Schloss ganz groß Hof.

E-Autos zum Anfassen und auch mal Probesitzen

Aber da durfte nur von Ferne gestaunt werden; die E-Autos auf den Rathausplatz waren zumindest teilweise zum Anfassen und auch mal Probesitzen. Und mit gleich vier Teslas (davon zwei Roadster) im Teilnehmerfeld auch was für die ganz großen automobilen Emotionen. Test mit Horst Graef, der sich für dieses Wochenende eines der berühmten „Model S“ als Dienstfahrzeug gemietet hat („sonst fahre ich einen Hybrid mit Stern“): er soll sich einmal unter Laborbedingungen hinters Steuer des Edel-E-Boliden setzen. Und – Test bestanden: kaum hat Graef im futuristischen Cockpit des Tesla Platz genommen, zeigt er sein breitestes Grinsen; ganz automatisch. E-Autos machen süchtig. Vor allem auch, wenn man mal richtig „Gas“ gibt – naja, das Pedal durchdrückt (ohne „Gas“): Drehmoment ohne Ende.

Gilt auch für die kleine „Zoe“ von Renault, die den größten Teil der Fahrzeuge zur E-Rallye stellt. Rund 300 Kilometer Reichweite – das langt für den heutigen Rundkurs locker, sogar die Klimaanlage kann man nonstop bei dem heißen Sommerwetter laufen lassen. Die perfekte Ausfahrt. Empfang zurück in der Therme Teinach tatsächlich von einer echten Königin: Carolyn I, die scheidende Wasserkönigin, wartet zusammen mit Bürgermeister Markus Wendel auf die Teilnehmer. Nach Reden, Lob auf E-Autos (Wendel: „Die beschleunigen richtig toll auch von unten raus!“) möchte auch Carolyn I. einmal in Graefs Tesla Probesitzen; darf sie natürlich. Und mit dem Gra(e)f dann auch 'ne Runde drehen. Was soll man sagen: auch Ihre Königliche Hoheit hat das breiteste Grinsen das geht im E-Auto.

Nordschwarzwald lechzt geradezu nach E-Mobilität

Doch noch einmal zurück zur großen Politik: Die Petition, die Horst Graef da in Ludwigsburg Herrn Bilger aus Berlin in die Hand gedrückt hat, ist den Calwer Energieversorgern verdammt ernst. 300 Millionen Euro hat die Bundesregierung zur Förderung der E-Mobilität ausgelobt – aber nur in den Ballungszentren. Die E-Autos eigentlich gar nicht brauchen, weil die großen Städte tolle ÖPNV-Angebote haben (die sich rechnen; man müsste sie nur billiger und dadurch noch attraktiver machen, um Abgas- und Feinstaubproblem in den Griff zu bekommen). Der ländliche Raum aber mit seiner intakten Natur wie hier im Nordschwarzwald, lechzt geradezu nach E-Mobilität: um die saubere Luft nicht erst zu verpesten; und weil hier ÖPNV mit ein bis zwei Personen je Strecke und Fahrt kalkulieren muss. Das braucht individuelle, einfache, „smarte“ Lösungen. E-Carsharing zum Beispiel; mit Preisbrecher-Angeboten.

„Wir haben da eine hundertprozentige Abschlussquote“, gibt Horst Graef in einer Tischansprache am Abend der Siegerehrung zur E-Rallye schon ein bisschen an. Jede Kommune im Rund will solch ein Angebot für seine Bürger, weshalb der ENCW-Chef nun möglichst schnell die Region zwischen Heilbronn und Bodensee mit solchen Angeboten flächendeckend bestücken möchte. Vorausgesetzt, die Hersteller kommen mit der Lieferung der E-Autos auch nach. Denn der Hype ist da. Und die ENCW, das ist der Eindruck an diesem Wochenende, „treibt“ diesen Hype ordentlich vom Nordschwarzwald aus an.

Womit man beim Sieger der 6. ENCW Schwarzwald E-Rallye ist – der viel, sehr viel Symbolwert hat, wie Ricarda Becker bei der Siegerehrung erläutert. Denn der Gewinner Tino Martin mit Beifahrer Denis Jakel ist vor dem Rennen noch nie E-Auto gefahren, nur Erdgas-Antriebe. Trotzdem sicherten er und sein Beifahrer sich den Gesamtsieg (hauchdünn mit nur 0,0975 Punkten Vorsprung vor Claudia Lohre und Rifat Mahler) mit einer schwungvollen Liebeserklärung ans E-Mobil als Selfie-Video – die „Abschlussprüfung“ der Spaß-Rallye.