Café und Bar Wohnzimmer in Dornstetten ist kürzlich vier Jahre alt geworden. Die Hälfte seiner Daseinszeit hatte es mit der Krisensituation zu kämpfen. Seine Betreiberin Carolin Wetzel freut sich, dass sie die Soforthilfe aus dem Frühjahr 2020 nun doch noch nicht zurückzahlen muss. Foto: Schwenk

Es war ein Schock für Carolin Wetzel, die das Café Wohnzimmer in Dornstetten betreibt, als am Mittwoch vor einer Woche ein Schreiben von der L-Bank bei ihr eintraf. "Ich muss die kompletten 9000 Euro Corona-Soforthilfe aus dem Frühjahr 2020 umgehend zurückzahlen", hat sie aus dem Brief herausgelesen. Ihre tatsächlichen Einnahmen in diesem Jahr: 200 Euro. 

Dornstetten - Normalerweise ist Carolin Wetzel keine, die sich mit ihren Problemen an die Öffentlichkeit wendet. Aber normalerweise muss sie sich auch keine Sorgen machen, unverschuldet in die Schuldenfalle zu geraten. "Ich muss die komplette Soforthilfe vom ersten Lockdown im Frühjahr 2020 jetzt zurückgeben", erklärt sie, was ihr in einem Schreiben der L-Bank kürzlich mitgeteilt worden sei. Von umgehenden Rückzahlungen sei da die Rede. "Die einfache Begründung: Wir hatten Einnahmen." 

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Auf dem Instagram-Kanal ihrer Café-Bar Wohnzimmer teilt sie ihren treuen Unterstützern die Hintergründe mit. "Bei Einnahmen sprechen wir von einer minimalen Summe, die durch das Veranstalten des ersten Dornstetter Autokinos eingegangen sind." Das Autokino habe sie mit ein paar Familienmitgliedern und Freunden umgesetzt, um den Dornstettern in der Coronazeit ein bisschen Abwechslung bieten zu können.

9000 Euro auf einen Schlag?

Mit den Einnahmen habe sie die Kosten, die durch die Schließung des "Wohnzimmers" entstanden seien, gerade so decken können. Es seien gut 200 Euro übrig geblieben. Davon habe sie die Helfer im Nachhinein zum Dank eingeladen. Die Hilfe, die sie im Frühjahr 2020 erhielt, umfasste aber 9000 Euro.

Allein mit dem Autokino, ein paar To-Go-Angeboten und einem Ostermarkt habe sie versucht, sich über Wasser zu halten. "Die Coronahilfe hat mir damals den Hintern gerettet. Sonst gäbe es das 'Wohnzimmer' jetzt nicht mehr", versichert sie. "Und nur, weil ich mit großem Aufwand einen Gewinn von 209 Euro erwirtschaftet habe, stehen mir nun keinerlei Hilfen vom Land mehr zu?".

Die Gastronomie kämpfe seit bald zwei Jahren, stellt Wetzel klar. "Und die Leute denken, uns wurde geholfen. Aber die Hilfen vom Dezember letzten Jahres habe ich noch nicht mal bekommen, aufgrund von Komplikationen im System." Nach neun Monaten ohne Einnahmen und Aussichten auf Besserung, habe es zwei Monate gegeben, die halbwegs normal gelaufen seien. Von Gewinn könne man aber noch lange nicht sprechen. "Corona ist noch nicht vorbei. Wir wissen nicht, ob es nicht vielleicht wieder einen Lockdown gibt." Seit in der Gastronomie die 2G-Regel gelte, also Zutritt nur noch für Geimpfte und Genesene, sei ihr Umsatz wieder um 70 Prozent zurückgegangen.

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"Wie sollen wir in dieser unsicheren Lage schon wieder etwas zurückzahlen?" Wetzel ist verzweifelt. "Ich will gar kein Geld haben, das mir nicht zusteht", stellt die Gastronomin klar. "Aber das Paket wurde uns als Hilfe verkauft. Nicht als Kredit. Ich bin mir sicher, dass viele Gastronomen das Geld nicht angenommen hätten, wenn sie das gewusst hätten."

Auch andere wundern sich über das Schreiben

Wetzel ist längst nicht die einzige. Viele der Banchen-Kollegen haben das gleiche Schreiben bekommen, weiß auch Reinhold Orawetz, Betreiber der Rottweiler Pulverfabrik. "Viele wussten, dass da einmal etwas kommen kann. Aber den meisten war sicher nicht klar, dass wir jetzt die kompletten 9000 Euro zurückzahlen müssen", ist auch er überzeugt. Das könne er nicht auf einen Schlag. Nun müsse er schauen, dass er einen Kredit bekomme. 

Geht es also nahtlos vom Landeskredit in den Kassenkredit? Was sagt das für die Soforthilfe zuständige Landesministerium dazu? Beim Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg gehen zur Zeit sehr viele Anfragen bezüglich der Coronahilfe-Rückzahlungen ein. Die Antwort lässt daher einige Tage auf sich warten. Als es soweit ist, kommt die Entwarnung. 

"Vorweg geschickt sei, dass zwischen generellen Rückzahlungsverpflichtungen und dem aktuell eingeleiteten Rückmeldeverfahren unterschieden werden muss", erklärt Pressesprecherin Lena Mielke zu dem bürokratischen Akt. Die L-Bank versende seit Mitte Oktober 2021 an alle Empfänger der Soforthilfe Anschreiben zum Rückmeldeverfahren. Dieses diene in erster Linie der Erfüllung der" bundesgesetzlich festgelegten Mitteilungspflicht der Bewilligungsstellen gegenüber der Finanzverwaltung." Konkret abgefragt werden vor allem Steuernummer, Steuer-ID sowie Gründungs- und Geburtsdatum.

Missverständnis: Entwarnung vom Ministerium

"Um die hierfür von der Bundesfinanzverwaltung vorgegebene Frist einhalten zu können, wurde das Rückmeldeverfahren kürzlich eingeleitet", so die Sprecherin im Namen des Ministeriums. "Weiterhin gilt, dass die Soforthilfe grundsätzlich nicht zurückzubezahlen ist."

Das gelte aber nur dann, wenn die Angaben im Antrag richtig und vollständig waren. Bereits im Antrag mussten die Gastronomen eine Gegenüberstellung von voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben angeben. Wenn die Einnahmen nun doch größer oder die Ausgaben geringer waren als erwartet, müsse der zu viel bewilligte Betrag zurückbezahlt werden. Zu betonen sei aber, dass die Generierung von Einnahmen nicht bedeute, dass ein Empfänger deswegen keinen Anspruch mehr auf die Soforthilfe habe.

Konkret bedeutet das: Wer 200 Euro Einnahmen hatte, muss keine 9000 Euro zurückbezahlen. Im Zweifelsfall könnten die 200 Euro Überschuss fällig werden. Darüber entscheidet in den kommenden Monaten die Bank. 

So geht es für die Gastronomen weiter

Das Rückmeldeverfahren wird genutzt, um die Soforthilfeempfänger nochmals an ihre Selbstüberprüfungspflichten zu erinnern. Sollte sich bei diesen Überprüfung ergeben, dass Rückzahlungsbedarfe vorliegen, können diese ebenfalls im Rückmeldeverfahren angegeben werden. Unternehmen und Selbstständige, die einen Rückzahlungsbedarf angeben, erhalten im Nachgang einen Bescheid, in dem der konkrete Rückzahlungsbetrag festgesetzt wird und mit dem sie dann tatsächlich zur Rückzahlung aufgefordert werden. Diese Bescheide werden unter Berücksichtigung der pandemischen Lage frühestens ab März 2022 versendet werden. "Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass im Falle einer Rückforderung grundsätzlich die Möglichkeit besteht, eine Ratenzahlung oder eine Stundung zu beantragen", teilt das Ministerium auf Anfrage mit.

Aber wie konnte es zu einem solchen Missverständnis kommen? Und warum ist im Schreiben von sofortiger Rückzahlung die Rede? "Das muss so juristisch und bürokratisch formuliert werden", erklärt Mielke. Nur dann sei es rechtlich wasserdicht. Wer sich mit der juristischen Sprache nicht auskenne, könne da schnell einem Irrtum unterliegen. Tatsächlich ist das Schreiben aber nur eine Erinnerung daran, dass Einnahmen und Ausgaben noch einmal gegenübergestellt werden sollen.

Wetzel fällt ein Stein vom Herzen als sie das hört. "Was für ein Glück. Das ist eine riesige Erleichterung."