Abrissreif: Die Gambrinus-Brauerei vor ihrem Abriss im Jahr 2005: Die Öffnung der Waldach war hier schon abgeschlossen. Foto: Hofmann

Eine Stadt lebt vom Wandel. Und selbst eine Stadt mit altem Stadtkern unterliegt permanenten Veränderungen. Nirgends zeigt sich das in Nagold so deutlich wie beim Blick auf den Bereich rund um den Busbahnhof.

Nagold - Mehr als 50 Jahre liegen zwischen den beiden Luftfotografien. Und die Veränderungen sind wuchtig. Stets unterlagen sie auch einer ausführlichen Debatte um die Entwicklung der Innenstadt – dabei ging es um Gebäudehöhen, neue Standorte, um alte Verkehrsbeziehungen und irgendwie stets fehlende Parkplatzflächen.

Der Busbahnhof selbst ist das beste Beispiel. Auf dem Luftbild von 1968 erstreckt er sich noch auf einer etwas größeren Fläche als heute. Zur Erinnerung: Die Waldach war damals an dieser Stelle noch komplett per Betondeckel überbaut. Neben den reinen Bus-Steigen für die verschiedenen Linien – nicht überdacht übrigens – reichte es da sogar noch für einige Parkplätze am unteren Randbereich, quasi direkt auf der überbauten Waldach. Ein Kiosk, ein Warteraum und auch eine überdachte Fläche für wartende Buskunden gab es aber schon damals – nur eben nicht zentral gelegen sondern am Rande in einem extra Bauwerk angeordnet.

Ein Politikum

Der Busbahnhof in seiner heutigen Gestalt entstand in den Jahren 2004 und 2005. Und er war ein echtes Politikum. Denn eigentlich gab es auch Pläne, dem zu kleinen Nagolder ZOB endlich mehr Raum zu geben, zum Beispiel auf der Fläche des ehemaligen Uferparkplatzes, oder auch auf der Fläche der einstigen Gambrinus-Brauerei. Die Waldach zu öffnen und gleichzeitig den Busbahnhof am alten Ort unterzubringen, das erschien lange Zeit planerisch unmöglich, gelang dann aber doch. Letztlich dachte man um, plante das überdachte Rondell in der Mitte, das von den Bussen umfahren werden kann und setzte auch mit den drei farbigen schlichten Baukörpern moderne städtebauliche Akzente. Alles hübsch anzusehen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Eng geht es auch heute noch auf dem "neuen" Busbahnhof zu, vor allem zu den Stoßzeiten.

Die Waldach-Passage

In direkter Nachbarschaft, am anderen Waldachufer, prägte über viele Jahre die Gambrinus-Brauerei das Stadtbild. 1870 wurde die Brauerei gegründet, und 1993 endgültig geschlossen. Doch die Gebäude standen länger, wurden zum Teil noch als Gastrobetrieb genutzt, der Sockenschuss ist vielen Nagoldern sicher noch ein Begriff. Und dann war da noch der Gambrinus-Keller. Mit dem Bau der Entlastungsstraße Süd entstand bis zum Jahr 2003 der Lembergtunnel und als letzter Verbindungsabschnitt der Kreisel am einstigen Gambrinus-Areal. In den Jahren 2005 und 2006 baute Nagold dann die Waldach-Passage – das Flüsschen selbst war in dieser Zeit ja bereits von seinem Betondeckel befreit. Mit der Waldach-Passage bekam die Innenstadt nicht nur einen großen urbanen Supermarkt, auch ein Parkhaus konnte damit am südlichen City-Ring entstehen – mit 340 Parkplätzen übrigens heute noch immer das größte in der Stadt.

Der Uferparkplatz

Damit sind wir beim Dauerthema Parken: Die Waldachpassage brachte deutlich mehr Ordnung und System ins Parkplatzangebot der Stadt Nagold. Auf dem Luftbild von 1968 sieht man ganz am Rande noch einen einst äußerst beliebten Parkplatz der Nagolder – den Uferparkplatz, der sich am Zusammenfluss von Waldach und Nagold direkt zwischen dem Stadtpark Kleb und der City befand. Im Zuge der Umbauarbeiten zur Landesgartenschau wurde letztlich auch dieser Bereich komplett neu gestaltet. Statt Parkplatzflächen ist das Gelände heute Teil des Krautbühlparks – verkehrsfrei versteht sich. Und direkt am Zusammenfluss der beiden Nagolder Innenstadtflüsse befindet sich mittlerweile die Wachsende Kirche – ein ökumenische Vorzeigeprojekt, das zur Landesgartenschau entstand, aber bis heute noch die Ökumene in dieser Stadt mitprägt. Und so ganz nebenbei sei erwähnt, dass das grüne aus Linden gewachsene Gotteshaus auch ein attraktiver Hingucker ist.

Braukessel-Explosion 1969

Und dann gab es früher natürlich auch noch eine weitere Brauerei, die das Stadtbild am Busbahnhof prägte: die 1880 gegründete Anker-Brauerei, mit ihrer Gaststätte und im hinteren Bereich zum Longwyplatz hin mit der Anker-Kegelbahn. Ein Jahr nach der Luftaufnahme kam es in dem Brauereigebäude am 11. Januar 1969 zu einer folgenschweren Explosion des Braukessels, die auch ein Menschenleben forderte und 40 Verletzte. In dem 2011 stillgelegten Brauereigebäude zog 2012 die Landesgartenschau zur Untermiete ein – mit der Blumenhalle. Nach der Gartenschau folgte der Abriss. Von 2013 bis 2016 war auf dem Gelände der so populäre Anker-Beach zu finden. Dann begannen die Arbeiten an dem neuen Wohn- und Geschäftshaus "Anker", das als Hauptmieter die Bekleidungskette H&M beherbergt. Auch das Areal drumherum wurde im Nagold-Style mit Natursteinpflaster neu gestaltet, die Freiflächen der Waldachstraße und die Fußgängerachsen in Richtung Longwyplatz.

Der Vorstadtplatz

Kräftige Veränderungen gegenüber dem Luftbild von 1968 gab es zudem an der süd-östlichen Kante des Busbahnhofs zur "Insel" hin. Die eher kleinteilige Bebauung, die einst unter anderem eine Praxis, ein Modegeschäft und zur Waldach hin Kiosk und Wartebereich des Busbahnhofs beherbergte, wichen größeren Baukörpern, die heute unter anderem den C&A und das Hotel Ibis-Styles beherbergen. Abgerundet wird das Sammelsurium an Veränderungen mit dem Vorstadtplatz, der 1968 noch einer der Hauptverkehrsknotenpunkte Nagolds war. Nach dem Bau der Entlastungsstraße begannen die Umbauarbeiten 2004. Die unter dem Platz verlaufenden Fußgänger-Unterführungen wurden geschlossen, und der alte Asphalt wich Naturstein-Pflaster.