Wer das Luftbild des heutigen Albstädter Stadtgebiets im Jahre 1968 mit dem des Jahres 2022 vergleicht, dem wird vermutlich sogleich ein Unterschied ins Auge springen: Links und rechts der Wasserscheide gab es Anno 68 noch viel mehr unbebaute Fläche. Vor allem eines fehlt: das Badkap.
Albstadt-Lautlingen - Nicht, dass da nichts gewesen wäre: Die "Munast" – ein ihren betagteren Bewohnern verhasster Name, der zu Recht allmählich in Vergessenheit gerät – erstreckte sich weit nach Westen; weiter nördlich, wo die Straße nach Margrethausen von der nach Lautlingen abzweigte, stand die "Petersburg", ein beliebtes, sonntags gut frequentiertes Ausflugslokal. Es existiert nicht mehr; nur eine Trafostation erinnert noch an alte Zeiten.
Inspiration "Trimini"
Dafür herrscht weiter westlich touristischer Hochbetrieb. Das Badkap zählt zu den frühen Errungenschaften der neu entstandenen Stadt Albstadt; 1980, fünf Jahre nach der Stadtgründung, ging es in Betrieb. Die Anfänge reichen allerdings weiter zurück. Man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen, dass das Badkap auf der Lautlinger Gemarkung liegt – aber die Idee und die Initiative zum Bau eines Freizeitbades kamen definitiv aus Ebingen: 1972 hatten im Vorfeld der Olympischen Spiele in München Ebinger Jugendliche an einem Olympia-Zeltlager im oberbayerischen Penzberg teilgenommen, und bei dieser Gelegenheit hatten zwei städtische Betreuer, vielversprechende junge Herren mit den Namen Hubert Wicker und Axel Pflanz, sich in der Gegend umgesehen und in Kochel am See etwas Interessantes entdeckt: das "Trimini", eines von Deutschlands ersten Spaßbädern. Die beiden wussten, wie marode das Ebinger Freibad war – wie wäre es denn mit so etwas? Was die Bayern konnten, das sollte Schwaben ein Leichtes sein.
Erst Krematorium – dann Spaßbad
Ganz so leicht war es dann doch nicht. Nach der Stadtgründung wurden diverse Exkursionen unternommen; Axel Pflanz, später Erster Bürgermeister der Stadt, kann sich noch gut erinnern, wie zwanglos Ortstermine in Krematorien mit der Besichtigung von Erlebnisbädern kombiniert wurden.
Die Widerstände waren beträchtlich – ganz ähnlich wie heute im Fall der Talgangbahn graute vielen vor den Betriebskosten. Am Ende wurde das Badkap aber doch gebaut; Architekt war der Münchner Peter Seifert, ein Spezialist, dessen Bäderschöpfungen seinerzeit sogar die "Zeit" würdigte. Ähnlich kreativ wie die Architektur war der Werbeslogan: "›Badkap‹ war sein letztes Wort – dann trugen ihn die Wellen fort." Ganz folgenlos sind die Besuche in Krematorien vielleicht doch nicht gewesen.
Wie Hans im Glück
Wie sich zeigte, waren die Ängste vor den Betriebskosten nicht gänzlich unbegründet gewesen – nach dem Einbau eines Blockheizkraftwerks konnte das Badkap ökonomisch an die Stadtwerke andocken; mit seinen Verlusten ließen sich viele Jahre lang die Steuerzahlungen der gewinnträchtigen Versorgungsbetriebe deckeln. Irgendwann war es mit den Gewinnen freilich nicht mehr so weit her, es bedurfte anderer Lösungen: Badbetreiber "g1" übernahm erst den Betrieb und Jahre später das ganze Erlebnisbad. Die Stadt zahlte noch drauf und stand danach da wie Hans wie Glück.
Nördlich der Kreisstraße, wo sich 1968 Grün- und Ackerland erstreckten, liegt heute das Pendant zum Spaßbad, der Campingplatz "Sonnencamping". 2014 wurde er eröffnet; auch in diesem Fall war zuvor viel über Geld geredet worden, denn das Projekt geriet im Nachhinein um eine Million teurer als geschätzt – man hatte die Tücken des Baugrunds unterschätzt.
Hotels gab es schon vor 2000 Jahren
Seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung, aber bisher nicht realisiert ist ein weiteres Großprojekt: das Hotel direkt vor Ort. Ganz zu Beginn sollte es östlich des Badkaps direkt an der Ebinger Straße entstehen; danach war jahrelang das Gelände südwestlich des Bads im Gespräch; jetzt will "g1" nördlich davon bauen, direkt neben dem Seifertschen Hexagon – mithin ist auch die aktuelle Luftaufnahme nicht für die Ewigkeit gemacht.
Apropos Hotel: 2014 hatten Tübinger Denkmalpfleger östlich des Campingplatzes, wo eine Ferienwohnanlage entstehen sollte, den Untergrund gescannt und waren dabei auf die Grundmauern einer römischen Villa rustica gestoßen – möglicherweise handelte es sich um eine Herberge mit Umspannstation, also ein fast 2000 Jahre altes Hotel. Nichts Neues unter der Sonne! Allerdings ist davon auch auf dem Luftbild von 1968 nichts zu erkennen – dafür bräuchte man schon eines aus dem Jahre 100.