Künstlerin Rudy Ruby zeigt beim Stuttgart Burlesque Festival im Friedrichsbau Varieté ihre Showeinlage. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Beim Stuttgart Burlesque Festival im Friedrichsbau-Varieté ist es um Magie, Vielfalt und viel Spaß gegangen.

Suttgart - An- und ausziehen gehört für die meisten Menschen zum Alltag, oft ist es müde Routine am Morgen oder Abend. Auf der Bühne des Friedrichsbau-Varietés ist das Ausziehen am Wochenende kunstvoll zelebriert worden. Beim 6. Stuttgart Burlesque Festival zeigten Künstlerinnen und Künstler aus ganz Europa dem „nackte Haut affinen Publikum” viel von ihren Körpern, viel Glitter und Glamour - und das immer mit einem Augenzwinkern.

Burlesque als Form des Unterhaltungstheaters gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Unterschied zum Striptease ziehen sich die Tänzerinnen und inzwischen auch Tänzer nicht vollständig aus. Seit der Wiederbelebung des Genres Anfang der 1990er Jahre ist eine internationale und gut vernetzte Burlesque-Szene und auch ein einträgliches Business entstanden. Die zum Ausziehtanz erforderlichen Accessoires gibt es längst nicht mehr nur in Boutiquen wie Frau Blum im Stuttgarter Westen, sondern inklusive Hintergrundwissen und Stylingtipps auch bei Billig-Modeketten. Viele der Künstlerinnen bieten selbst Burlesque-Workshops und -Kurse für Frauen an, auch in Stuttgart ist die Nachfrage groß.

Pandemieregelungen erschweren Planung

Burlesque-Festivals gibt es in fast jeder Großstadt, sie werden individuell aus der Szene heraus organisiert. In Stuttgart haben sich dafür Elmar Jäger, Fanny di Favola und Raunchy Rita mit dem Team vom Friedrichsbau-Varieté zusammengetan. Diesmal war alles ein bisschen anders, erzählt Elmar Jäger. „Das eigentliche Booking der Künstlerinnen gestaltete sich relativ einfach, da unter Pandemiebedingungen fast überall der Terminkalender der Performer noch komplett frei war.” Gleichzeitig hätten die unterschiedlichen Pandemieregelungen in den Ländern die Planungen erschwert.

Die erfahrene Burlesque-Künstlerin Raunchy Rita aus Stuttgart ist noch mitten in der Neustart-Phase nach den Corona-Einschränkungen. Sie hatte bisher erst einige wenige Auftritte am Bodensee und im Raum Stuttgart, umso mehr freute sie sich auf ihre eigene Performance auf der Friedrichsbau-Bühne. „Als Mitveranstalterin macht man eine ganze Menge Menschen einfach glücklich und schenkt ihnen ein paar Stunden Unbeschwertheit”, sagt sie. „Das ist ein fantastisches Gefühl.”

Zu ihren internationalen Bekannten gehört beispielsweise auch Tom Harlow aus Glasgow. Der einzige Boylesque-Künstler beim diesjährigen Festival darf in seiner Heimat schon seit einiger Zeit wieder bei Shows auftreten und er begeisterte auch das Friedrichsbau-Publikum. Bei ihm waren zwar nach dem Brexit und durch die Corona-Regelungen die Einreisebestimmungen etwas komplizierter, aber er setzte durch seine Auftritte ebenso bunte Vielfaltsakzente wie die Stuttgarter Drag Queen Vava Vilde, die als Finalistin der Fernsehshow „Queen of Drags” bekannt wurde.

Burlesque und Drag

„Ich habe mich tatsächlich zwischendurch etwas schwer getan, da mein Terminkalender zum Start des ersten Lockdowns voll gewesen wäre mit Auftritten, TV-Produktionen und Zeitschriften-Shootings”, sagt Vava Vilde. „Und dann war von einem Tag auf den nächsten für Monate alles komplett leer gefegt.” Vava Vilde hat zuletzt mit ihrer Drag-Familie House of V im August im Renitenztheater gespielt, im Herbst stehen Auftritte beispielsweise bei der Comic Con an. Auf das Burlesque-Festival hat sich der Drag-Künstler ganz besonders gefreut: „Das ist etwas ganz Besonderes, weil Burlesque und Drag zwar super zusammenpassen, ich aber nicht oft die Gelegenheit bekomme, mit Burlesque-Performerinnen zusammenzuarbeiten. Das Festival hat ein fantastisches Publikum mit super Stimmung und außerdem ein ganz besonderes Ambiente durch das Friedrichsbau-Varieté.”

Im voll besetzten Theater riss Ella Bottom Rouge aus Mailand mit ihrer Energie und ihrem Temperament das Publikum mit, Natsumi Scarlett aus Amsterdam drehte ihren Show-Act um und zog sich auf der Bühne an - womit sie in ihrer Heimatstadt einen Strip-Wettbewerb gewonnen hat. Tara D’Arson aus Bordeaux und Berlin erzählte mit ihren Perfomances Geschichten einer gescheiterten Balletttänzerin und einer strengen Lehrerin und spielte darin mit Fantasien und Fetischen.

Die Show am Samstagabend mit zehn Künstlerinnen und Künstlern und der Lindy Kyei Swing Combo aus Stuttgart dauerte länger als drei Stunden. “Sie können stolz sein, dass Sie so ein tolles Haus hier in Ihrer Stadt haben”, gab der Münchner Magier und Conférencier Markus Laymann dem teils ebenfalls burlesquemäßig gestylten Publikum mit auf den Weg. Und er hoffte, dass alle etwas mit nach Hause nehmen: “Ein bisschen Magie, die es uns ermöglicht, uns im Alltag mit Anstand und Respekt zu begegnen.”