Dass Menschen, die im Rollstuhl sitzen oder auf einen Rollator angewiesen sind, kein Zumba machen können, damit räumt eine Burladinger Selbsthilfegruppe jetzt auf.
Das Bürgerhaus in Burladingen-KiIler ist jetzt montags ihr Treffpunkt. Da kommt dann am späten Nachmittag ab 16 Uhr eine bunt gemischte Truppe zusammen, Mitglieder der Gruppe Barrierefrei on Tour (BoT) und der Amsel-Kontaktgruppe im Zollernalbkreis oder des Regiotreffs Zollernalb „Mobil mit Behinderung“ (MMB).
Sie fahren aus Sigmaringen an, aus Albstadt, Hechingen oder Balingen. Einige sind auch aus dem Killertal und wollten deshalb Mal genau vor Ort ein solches Angebot installieren. Der jüngste Zumba-Rolli-Teilnehmer, Oliver Kern, ist 32 Jahre alt, der Älteste, Werner Ammann zählt 91 Lenze. Manchmal sind es bis zu 25 Teilnehmer und alle gemeinsam haben sie eine schweißtreibende und muskelstrapazierende Stunde Sport. Ganz unkompliziert und genauso wie solche, die ihr Zumba-Training im Stehen absolvieren.
Ein einzigartiges Angebot in der gesamten Region
Das liegt an ihrer lizenzierten Zumba-Trainerin, der Sportlehrerin Angela Lachner. Ihr Name, das sagt sie selber im Gespräch mit unserer Redaktion und einem breiten Lächeln im Gesicht, sei Programm.
Jahrelang hatte Ute Tatzel-Nowel versucht, bei den zahlreichen Sportvereinen im Zollernalbkreis so etwas wie inklusiven Sport zu etablieren. Lediglich beim TV Bitz und seinem Vereinsvorsitzenden Manfred Spiller und der Bitzer Kommune stieß sie auf Offenheit und es kam eine Sportgruppe zustande.
Voll des Lobes sind die BoT-Aktivisten nun für Corinna Egle, Hausens Ortsvorsteherin und für Gerd Schäfer, dem Rathauschef von Killer. Egle bot der Zumba-Gruppe die Hausener Halle an, die hatte aber einen Wasserschaden. Dafür sprang Gerd Schäfer ein und holte die ungewöhnliche Sportgruppe in sein Bürgerhaus nach Killer. „Dass sich beide so nett bemüht haben, dafür sind wir so dankbar, denn der Platz ist ideal und wir fühlen uns hier sehr wohl“, sagt Steffen Baumgart, selber Rollstuhlfahrer und so wie Oliver Kern, einer von der Spitze bei BoT.
In der ganzen Region gibt es keine weitere Zumba-Gruppe, deren Teilnehmer entweder an Krücken gehen, auf einen Rollator angewiesen sind oder gar im Rollstuhl sitzen. Da beherbergt das Bürgerhaus in Killer vermutlich eine bislang in Baden Württemberg einmalige Sache.
Baumgart: „Jeder von uns hat hinterher Muskelkater“
Jeder macht das mit, was er kann – viele testen ihre körperlichen Grenzen aus und alle gewinnen an Mobilität und Elastizität. „Jeder von uns hat hinterher Muskelkater“, sagt Steffen Baumgart nach dem zweiten Termin.
Der Träger der Zumba-Stunde ist die Amsel e.V. Zollernalb. Tatzel-Nowel betont aber, dass die Amsel zusammen mit BoT und dem Verein MMB (Mobil mit Behinderung) ja ein Netzwerk an Selbsthilfegruppen darstellt, in denen man sich untereinander kennt, Ausflüge macht, gemeinsam Termine wahrnimmt und oft gleiche Interessen verfolgt. Die Teilnehmer kommen aber aus einem großen Umkreis.
Geplant sind im Bürgerhaus in Killer in der Breitholzstraße insgesamt zehn Termine, immer montags, von 16 bis 17 Uhr und noch bis zum 15. Dezember. Die Teilnehmer hoffen aber alle, dass das Angebot sich etabliert und dass sie auch nach dem Dezember mit ihrem Rolli-Sport im Bürgerhaus in Killer bleiben können. Dann hätte Burladingen im Ortsteil Killer etwas etabliert, was noch keiner Kommune im Ländle gelungen ist.
Das ist die Rolli-Zumba Trainerin Angela Lachner
Eine Kämpferin
Die Rangendingerin Angela Lachner hat den Blutkrebs besiegt und ist deshalb wohl genau die Richtige, die Gruppe aus Engagierten bei BoT und Amsel beim Sport zu motivieren und ihnen Mut zu machen. Die 39-jährige Angela Lachner weiß nur allzu gut was es heißt, körperlich eingeschränkt zu sein, von einer Krankheit gebeutelt zu werden und einen täglichen Kampf führen zu müssen. Lange Zeit hatte sie einen Internet-Blog, nach ihrer Genesung durch eine Stammzellenspende war sie regelmäßig beim Video-Journal #imländle zu sehen. Dort traf sie auf die Aktiven der BoT-Gruppe. „Das war einer jener glücklichen Zufälle mit denen das Leben manchmal aufwartet“, sagt BoT-Initiatorin Ute Tatzel-Nowel aus Burladingen-Hausen. „Wichtig ist nur, das alle Spaß haben“, betont Lachner und räumt auch ein, dass sie sich selber vorneweg viel zu viel Gedanken darüber gemacht hat, wie sie eine Gruppe von Menschen mit körperlichen Einschränkungen trainieren soll. Dabei flutscht es schon in der zweiten Zumba-Stunde wie von selbst. Die Hits, die Lachner da abspielt, kennen alle, können sie fast mitsingen. Die Trainerin lässt die Sportlerinnen und Sportler ankommen, richtig atmen, sich aufwärmen und strecken und dann in die Übungen einsteigen. Dass Angela Lachner dort die Gruppe jeden Montag von 16 bis 17 Uhr trainiert, ihren riesengroßen, bunt blinkenden Lautsprecher von der Größe eines Rollkoffers auf die Bühne schleppt, das Gerät anschmeißt und den Elvis-Rock’n Roll, die Abba-Songs oder die Latino-Rhythmen abspielt, ist wohl ein Novum in Baden-Württemberg. eri