Willy Gastel, Burladingens prominentester Burgen- und Archäologiekenner, Tourismusförderer und ehrenamtlicher Nachtwächter ist jetzt 81. Er sucht einen Nachfolger.
Geht es nach dem Burladinger Willy Gastel, soll das jüngste Treffen der baden-württembergischen Nachtwächter- und Türmerzunft, das letzte gewesen sein, an dem er als Vorsitzender der Zunft seinen Dienst versah. Er sucht dringend einen Nachfolger, der für die Nachtwächter- und Türmer im Ländle das Amt des Vorsitzenden versieht.
Nachtwächter von Burladingen, so beteuert er, will er freilich noch ein Weilchen bleiben. Wohl aber auch nur, weil es mit relativ wenig Aufwand verbunden ist und gut zu seinen anderen Hobbies passt. Wer Willy Gastel kennt, der weiß: Es geht ihm, obwohl oft an prominenter Stelle stehend, nie um Selbstdarstellung oder kleingeistige Ehrenkäsigkeit. Nein, Gastel liebt seine Stadt Burladingen, liebt deren alte Burgen und Geschichten und kann dadurch – wenn er dann einmal Führungen als Nachtwächter macht – aus dem Vollen schöpfen.
Die alten Burgen und Ritter rund um Burladingen
Dann führt er im Nachtwächtergewand und mit Henkel-Laterne und Speer seine Gäste durch die Fehlastadt und deren markante Punkte. Dann erzählt er, wo einst das Schlösschen stand, wo die Brauereien waren und deren Eiskeller, berichtet von Verließen, Moritaten und den Burgen, auf deren Reste man von Burladingen aus sehen kann und die auch weiter weg in den Stadtteilen stehen. Die Rittergeschichten von Willy Gastel haben dabei sogar eine Besonderheit: Sie sind alle wirklich passiert und in uralten Chroniken, Pfarrbüchern und Überlieferungen, die Gastel zeitlebens gewälzt hat, festgehalten.
Wer eine Führung mit dem Burladinger Nachtwächter Willy Gastel bucht, der ist hinterher in Sachen Fehlastadt nicht nur schlauer, nein, der hat dem Nachtwächter auch angemerkt, dass für ihn der Bibelspruch gilt: „Wes´ Herz voll ist, dessen Mund läuft über“.
Was Burladingen angeht, da kann der Christenmensch und Nikolaus-Verkörperer Gastel nicht aufhören, zu predigen. „Mädle, Du weißt, dass mir das am Herzen liegt“, sagte er einmal in schwäbischer Verbrüderungsmanier und mit dem Charme eines liebenswerten Großvaters zur Chronistin unserer Redaktion. Dass viele den Nikolaus als Coca-Cola-Werbeabklatsch verkörpern, darüber konnte und kann sich Willy Gastel aus tiefstem Herzen ehrlich aufregen.
Zu Recht, denn er weiß um die Bedeutung der richtigen Ausstattung, des Bischofsstabes, der Mitra, des Gewandes und des Bischofsringes. So und nicht anders und schon gar nicht in einem roten Bademantel mit weißem Fasnets-Wallebart will er den Nikolaus von Myra – das liegt mittlerweile in der Türkei - verstanden wissen.
Nikolaus und das Glaubenbekenntnis von Nizäa
Der Nikolaus, den Kinder und Erwachsene untrennbar mit dem sechsten Dezember, vermutlich seinem Todestag im Jahre 350 verbinden, er ist einer der beliebtesten Heiligen der katholischen Kirche. Es gab ihn tatsächlich, so wie die Burladinger Rittersleut auf ihren Burgen. Nur, das Nikolaus von Myra, bevor er der Christenverfolgung zum Opfer fiel, noch als wegweisender Entscheider im Jahr 325 am Konzil von Nizäa mitwirkte. Da wurde unter anderem das Glaubensbekenntnis der Kirche beschlossen, welches bis heute Christen verbindet. Das wissen die wenigsten, wenn sie das Glaubensbekenntnis sprechen.
In der Coronazeit zog sich Gastel zusammen mit seiner Frau Trudi vom Job in der Weihnachtszeit zurück, konzentrierte sich auf seine Aufgaben als Nachtwächter, die er 1980 übernommen hatte. Und weil er brennt für die Historie und seine Aufgaben, weil Willy Gastel keine halben Sachen macht, wählten ihn die Nachtwächter- und Türmerkollegen im Jahre 2016 zu ihrem Zunftmeister. „Das ist dann im kommenden Jahr zehn Jahre her“, sagt Gastel, der seitdem die Aufgaben des Vorsitzenden dieses eingetragenen Vereins übernommen hat mit nachdenklicher Miene. Und dann fügt er hinzu: „Mädle, ich bin jetzt 81, ich würde das gerne an einen Jüngeren übergeben.“