Die aus Burladingen stammende Motorradfahrerin Sonja Gentile-Gasser kam mit dem Leben davon. Was passierte in Chile auf der Passstraße in 3 200 Metern Höhe?
Dass Sonja Gentile-Gasser eine erfahrene, routinierte und vorsichtige Motorradfahrerin ist, hat sie auf vielen tage- und wochenlangen Touren über die wir berichtet haben bereits unter Beweis gestellt.
Zusammen mit den Salmendinger Heizungsbau-Unternehmern Ulrike und Dieter Maichle war sie erst im Frühjahr diesen Jahres auf einer 6250 Kilometer langen Pyrenäen-Tour durch Frankreich, Spanien und Andorra unterwegs.
In diesem Monat startete die mutige Schwäbin in etwas anderer Besetzung mit fünf Freunden, Martin Lang und Roman Schäfler aus Wasserburg, Karlheinz Kees aus Kressbronn, Harald Weber aus Lindau und Wolfgang Nitz aus Bodolz zu einer großen Südamerika-Tour. Die Gruppe wollte nicht nur durch sechs südamerikanische Länder touren, sondern sich dabei auch an die gefährlichste Straße der Welt wagen. Die sechs wollten die nördliche Yungas-Straße in Bolivien fahren. Diese Straße ist bekannt als die „Todesstraße“ oder, auf Spanisch: „El Camino del Muerte“.
Die Träume der großen Reise zerstoben schon am dritten Tag
Es war aber nicht diese „Todesstraße“, die Sonja Gentile-Gasser am dritten Tag der Reise zum Verhängnis wurde. Die Gruppe war gerade nach Chile eingereist, da passierte es. „Wir hatten einen wunderschönen Tag, sind eine ganz einfache Passstraße gemütlich auf 3200 Meter hochgefahren, und auf dem Heimweg mussten wir an einer Baustelle halten, bis uns der Zuständige zur Weiterfahrt aufforderte“, erzählt sie im Gespräch mit unserer Redaktion.
„Nur wenige Hundert Meter weiter kam von hinten ein riesiger LKW mit Hänger ohne Bremsfunktion den Berg herunter und hat erst mich, dann zwei Autos wie Dominosteine zur Seite gekickt, hat dann seine Stabilität verloren und ist umgekippt und ist so Gott sei Dank zum Stehen gekommen“, berichtet sie von der schrecklichen Wendung der Tour.
Die Schreie und Unfallbilder verblassen nur langsam
Ihr Vordermann Martin, ihr Lebenspartner, hatte sie über den Helmfunk schreien hören und sei gleich rechts rangefahren, so, dass er verschont blieb, berichtet die Bikerin. Hinterher fuhr Harald Weber aus Lindau. Der habe alles mit ansehen müssen.
„Ich weiß nicht, was genau passiert ist, aber ich habe Reifenspuren auf meiner zerfetzten Jacke und daraus schließe ich, dass der Laster mich mit dem Reifen erwischt hat und ich zum Glück vom LKW weg, von meinem Motorrad geschleudert wurde. Es war sehr, sehr schockierend und wir haben, bei dem Gedanken, dass ich hätte Tod sein können, immer noch mit den Tränen zu kämpfen“.
Der Unfall passierte auf der Route 60 in Chile bei Kilometer 65,1 auf der Höhe der Hochgebirgsschule der Gemeinde Los Andes in der Region Valparaiso, wie ein lokaler Sender berichtete.
Sie habe einen ganz besonderen Schutzengel gehabt und ganz viele kleine Helferlein, sagt das Unfallopfer aus Baden-Württemberg. Ihre Begleiter, so berichtet sie, sagen, dass ihr Schreien und die Bilder des Unfalls nur langsam bei ihnen verblassen.
Die aus Ringingen stammende Hebamme wurde noch am Unfallort erstversorgt und dann nacheinander in drei Spezialkliniken gebracht. Sie hat einen Bruch des Oberarmknochens, der in Santiago de Chile professionell mit Platte und Schrauben an der Schulter befestigt wurde.
Zudem noch „unzählige, schmerzhafte Prellungen“ und eine kleine Fraktur am Dornfortsatz im unteren Rücken. Mittlerweile ist sie aus dem Krankenhaus entlassen, und es gelang ihr sogar, eine Pflegerin für rund um die Uhr zu engagieren.
An Rückkehr nach Deutschland denkt sie nicht
Ihr Motorrad ist nur noch Schrott, steht zur Verschiffung bereit, und was bleibt, ist ein Rechtsstreit mit dem Lastwagenfahrer und seinem Unternehmen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Und so will Sonja Gentile-Gasser jetzt weiterreisen
Als Satellit dabei
Sonja Gentile-Gasser denkt trotzdem nicht an die Rückkehr nach Deutschland. Ihre Motorradfreunde hat sie dazu gedrängt, ohne sie weiter zu fahren. „Es bringt nichts, wenn die Gruppe bei mir sitzt oder später startet“, sagt sie. Sie selber will die fünf Biker wie ein Satellit per Zug, Bus und Bahn begleiten, wie sie sagt. Am Samstag, 18. Oktober, wird sie jedenfalls nach Peru fliegen und das soziale Projekt, das Kinderdorf Urubamba zusammen mit ihren Bikerfreunden besuchen. Das war von vornherein das große Ziel ihrer Motorradtour, denn für das Kinderdorf sammelt die Gruppe auch Spenden. Es sei zwar immer noch „die Hölle“, wie Sonja Gentile-Gasse sagt und sie brauche noch „Unmengen“ von Schmerzmitteln, aber sie habe viel Unterstützung von Freunden und Bekannten, auch denen aus Deutschland, die ihr schreiben und ihr Mut machen. Und in ihrem Freundeskreis gibt es einige Profis, die ihr Tipps für die weitere Behandlung geben und sie – per soziale Medien – eng begleiten.